Er hatte ein hübsches, rosiges, volles Gesicht, große, von langen Wimpern eingefasste Augen; diesen Augen fehlte es am Blitze, doch die Art, aus welche die Augenlider spielten, gaben dem Augenstern den ganzen Schimmer und die ganze Durchsichtigkeit, welche die Bewegung der Finger dem Opal gibt.
Der Abbé schloß seine Augen und öffnete seine Lippen, verbarg seinen Augenstern und zeigte seine Zähne. Er wusste geistreich genug zu lächeln, um seine aufgestülpte Nase witzig scheinen zu lassen, während sie bei einem Herrn von weniger guten Manieren und besonders von weniger gutem Hause nur albern geschienen hätte.
Seinen Gewohnheiten getreu grüßte er Olympia, indem er ihr die Hand küßte, wie man damals in Versailles eine Hand küßte, und ebenfalls aus Gewohnheit trat er mit seinen beiden Füßen aus die zwei Füße von Banniére, der ihn von zu nahe anschaute.
»Herr von Banniére«, der Herr von diesem Hause,« sagte Olympia, die sich beeilte, den Exnovizen dem Abbé Vorzustellen, um die üble Laune des Einen kurz abzuschneiden und das schlechte Gesicht des Andern zu unterstützen.
»Ah! mein Herr, ich bitte tausendmal um Verzeihung,« rief der Abbé, »ich bin ein sehr unglücklicher Mensch.«
»Ich versichere Sie, mein Herr, daß Sie mir durchaus nicht wehe gethan haben,« erwiderte Banniére.
»Ei! nein, mein Herr, nein, ich bitte Sie wahrhaftig nicht meiner unwillkürlichen Ungeschicklichkeit wegen um Verzeihung.«
»Aber warum denn, mein Herr?« fragte erstaunt Banniére, der kaum seine Schnallen abzuwischen wagte.
»Mein Herr, ich wusste nicht, daß ich die Ehre haben sollte, Sie zu sehen, und ich erlaubte mir, Frau von Banniére einige Blumen und einiges Zuckerwerk anzubieten.«
»Sehr schöne Blumen und Zuckerwerk, das mir vortrefflich zu sein scheint,« sagte Banniére.
»Es mag sein, doch es ist nicht schicklich, daß ein Anderer als Sie Madame etwas anbietet,« rief der Abbé.
»Mein Herr. . .«
»Darum, mein Herr, werden meine zwei Lackeien Alles aus dem Fenster werfen.«
»Oh! mein Herr, das wäre ein Mord,« versetzte Banniére.
»Werft, werft,« rief der Abbé.
Die Lackeien gehorchten und schütteten in der Tat das mit den Galanterien ihres Herrn beladene Plateau zum Fenster hinaus.
Banniére war sehr erstaunt über diese Handlung, deren Glanz ihn bedeutend verkleinerte.
Olympia lächelte nur. Sie war mit dem Auge den in den Raum fliegenden Blumen gefolgt und hatte ein Papier sich von einem der Sträuße losmachen sehen.
Banniére verbeugte sich wiederholt vor diesem so artigen und zugleich so prunkvollen Abbé, der es sich zur Ausgabe machte, immer zu sprechen und immer zu lächeln. Er sang Duette mit Olympia, er sang Solos, er spielte seine Viole, die sein Lackei gebracht hatte, ertrug endlich die Kosten der Unterhaltung des ganzen Abends mit einem so eifrigen Bestreben gegen Banniére, daß dieser ganz verwirrt war.
Was Olympia betrifft, so gähnte sie häufig während dieses ganzen Abends.
Häufig gab sie auch dem Herrn vom Hause ihre schönen Hände zum Küssen; mit einem Worte, sie beruhigte Banniére, wie eine würdige, redliche Frau ihren Geliebten zu beruhigen weiß.
Sie beruhigte ihn mehr, als sie es vielleicht hätte tun müssen, denn es gibt gewisse Herzen, deren Treue immer von der Furcht oder von der Sklaverei abhängt, in der man sie erhält.
Als der Abbé drei Stunden lang geflattert und nach Herzenslust die Saiten seiner Viole und die seiner Stimme zerrissen hatte, sagte er:
«Madame, ich muss Sie Wahrhaftig die Bekanntschaft eines sehr wackeren Mannes machen lassen.«
Und er lachte.
»Von wem sprechen Sie?« fragt« Olympia. »Sie besonders, Herr von Banniére,« fuhr der Abbé immer lachend fort.
»Wer ist der Mann?« fragte Banniére.«
»Sind Sie sehr religiös, Herr von Banniére?« sagte der Abbé.
»Ich?«
»Ja . . .sehr skrupulös?«
»Nun . . . mäßig. Doch warum diese Frage?«
»Ah! der wackere Mann, von dem ich rede. . .«
»Derjenige, dessen Bekanntschaft Sie uns wollen machen lassen?«
»Ja . . . es ist ein Jude,« erwiderte der Abbé.
Und er lachte fortwährend.
»Oh! Abbé, was sagen Sie da!« rief Olympia. »Ein Jude! mein Gott! wozu nützt das?«
»Ein Jude ein wackerer Mann!« sagte Banniére, mit einem etwas gezwungenen Lächeln. »Sie müssen sehr heilig sein, Herr Abbé, um ein solches Wunder gesehen zu haben.«
»Wenn Sie wüssten, was für eine reizende Perle er heute Abend an mich verkauft hat, und Wahrhaftig um nichts.«
»Ah! lassen Sie sehen, Herr Abbé rief Olympia mit der kindischen Freude, welche die Frauen an Juwelen haben.
»Ich habe sie nicht mehr,« erwiderte der Abbé.
»Was haben Sie damit gemacht?« fragte Banniére. »Lässt sich das vor einer Dame sagen?«
»Ei! mein Gott!« antwortete der Abbé mit dem einfachsten Tone, »ich glaube, ich hatte sie an einen von diesen Sträußen gebunden, und sie liegt nun wahrscheinlich irgendwo da unten in einer Gosse.«
Der Abbé sagte dies mit demselben reizenden Lächeln.
»Der Herr Abbé ist Gasconier oder Millionär,« versetzte Olympia.
»Das Eine oder das Andere,« erwiderte ruhig der Abbé«. »Ich sagte also, ich werde eines Tags meinen Juden bringen, und wenn er mit seiner vergoldeten Zunge nicht für zehntausend Thaler in einer Stunde an Sie zu verkaufen weiß, so will ich meinen Namen d'Hoirac verlieren, Madame. Das ist ein unvergleichlicher Mann.«
»Diese Perle,« dachte Banniére, »diese Perle! Es gibt also Menschen, welche reich genug sind, um so Perlen zum Fenster hinauszuwerfen? Cleopatra trank doch wenigstens die ihrige.«
Und er schaute, diesmal nicht ohne Bewunderung, die ausgestülpte Nase des Abbé an.
Dieser ging gegen zehn Uhr weg.
»Sie werden vielleicht finden, daß ich Sie heute sehr frühzeitig verlasse,« sagte er zu Olympia, »aber ich habe der Catalane versprochen, ihr Abendbrot mit den Herren d'Abenas zu geben: das sind zwei mir von ihren hohen Verwandten empfohlene Edelleute aus meiner Heimat, die ich in die Welt schleudere.«
Und während er diese Worte sprach, schaute Olympia mit Zufriedenheit das unempfindliche Gesicht von Banniére an, der tausend Tropfen von seinem Blute gegeben hätte, wenn dieser Schwätzer weggegangen gewesen wäre, daß er die Perle hätte suchen können.
Doch vor ihm hatte leider die Coiffeuse von Madame den Abbé gehört.
Diese Coiffeuse, das souveräne und despotische Orakel, machte oft Claire unterliegen, wenn es sich um hohe Theaterpolitik handelte? sie wurde gewöhnlich allen Beratungen bei gezogen, und ließ man sie dabei nicht zu, so machte sie das Versehen dadurch gut, daß sie an den Thüren horchte.
Es war also für sie genug, zu hören, was der Abbé gesagt hatte; sie wusste, daß die Straße von sechs Uhr an verödet war. Warum sollte sie, wenn sie suchte, nicht finden?
Banniére hatte sie weggehen sehen, so gut sie, als Theatergenossin, ihren Abgang verhehlt hatte. Er begriff, während er an seinen Fingern nagte, daß, wie sehr er auch mit seinen Wünschen den Abgang des Abbé beschleunigte, dieser immer noch zu spät weggehen werde.
Was uns aus den Gedanken bringt, Banniére sei zu spät weggegangen, ist der Umstand, daß an demselben Abend, indes Banniére sich auskleidete,