»Madame!«
»Haben Sie noch etwas zum Spielen?«
»Oh!« murmelte er, »sie glaubt, es sei das Spiel!, sie sieht nicht mal, daß ich eifersüchtig bin!«
Olympia hatte nicht gehört.
«Ich begreife,« sagte sie, »Sie müssen etwas zum Spielen oder zum Brechen haben. Soll ich Sie mein Herz brechen lassen? Nein, Banniére, ich will lieber meine letzte Perle, als meine letzte Illusion verlieren. Ich würde Ihnen mein Silberzeug anbieten, doch ich habe es heute verkauft, um ein Semester unserer Miete zu bezahlen.«
»Nun! und dann?« fragte Banniére.
»Dann bleibt mir der Ring von Herrn von Mailly. Es ist das letzte Andenken von einem Manne, der mich viel geliebt, zuweilen angebetet, nie beleidigt hat. Ich habe mich geweigert, Ihnen diesen Ring zu geben, doch heute biete ich Ihnen denselben an. Nehmen Sie ihn doch und gewähren Sie mir dagegen die Ruhe.«
Wegen dieses Ringes hatte, wie man sich erinnert, der erste Eifersuchtsstreit zwischen den zwei Liebenden statt gehabt.
»Nein!« rief Banniére, die junge Frau zurückhaltend, welche aufstand, um das Anerbieten auszuführen, das sie ihm gemacht hatte; »nein!«
»Doch! Doch!« erwiderte die junge Frau.
»Nein! liebe Olympia, nein!« rief Banniére, indem er sich an sie anhing; »nein! ich beschwöre Sie, nein! holen Sie diesen Ring nicht.«
»Warum nicht?« erwiderte Olympia beharrlich; »er ist hundert Louisd'or wert; Sie werden damit spielen, Sie werden sie verlieren, und es wird Ihnen die Befriedigung zu Teil werden, zwei und sechzigtausend vierhundert Livres wie ein vornehmer Mann verloren zu haben.«
Und während sie diese Worte sprach, machte sie sich von Banniére los, ging an ihr Schmuckkästchen, trotz seiner dringenden Bitten, trotz seiner Anstrengungen, um sie zurückzuhalten, und seiner abgebrochenen Worte, die sie nicht hören wollte.
Olympia hatte Willen und Stärke; sie stieß den jungen Mann zum zweiten Male zurück und öffnete ihr Kästchen.
Banniére gab einen halb erstickten Schrei von sich.
Ohne sich mehr um diesen Schrei zu bekümmern, als sie sich um das Übrige bekümmert halte, drückte Olympia auf die Feder, welche den doppelten Boden schloß, und der verborgene Winkel öffnete sich.
Er war leer.
Ihre Bestürzung, ihre Blässe, der seltsame Blitz, der aus ihren Augen hervorsprang und sich verwandelte, um von der Wut zur Verachtung übergehend zu Banniére zu gelangen, das sind von jenen Nuancen, welche der Maler, der Dichter nicht wiederzugeben vermögen.
Olympia ließ den Deckel des Kästchens, und auf den Deckel des Kästchens ihre Hand zurückfallen.
Dann entwaffnete sich allmählich ihr Blick: es war etwas in ihr gestorben.
Banniére stürzte vor ihr nieder, umfasste ihre Knie und rief weinend:
»Verzeihung, Olympia, Verzeihung! ich habe den Ring genommen, wie ich Ihre übrigen Juwelen, wie ich die meinigen genommen habe; ich liebte diesen Ring nicht, er machte mir das Leben unerträglich, denn die Eifersucht ist noch unerträglicher, als die Armut.«
Olympia erwiderte nichts; sie wandte sich ab und hielt, wie Dido, fortwährend ihre Augen aus den Boden geheftet.
»Oh! Mitleid!« sagte der Unglückliche. »Glauben Sie, ich habe den Ring genommen, um ihn zu verkaufen und mich mit dem Ertrage zu belustigen? Nein, ich habe ihn verkauft, um zu spielen. Warum spielte ich? Um zu gewinnen . . . gewinnen, um Olympia, meine Gottheit, mein Leben zu bereichern! Ich wollte eine Krone gewinnen, um Sie zur Königin zu machen, Olympia. Ich glaubte, ich werde gewinnen, weil mir nichts fähig scheint, meiner Liebe und dem Willen dieser Liebe zu widerstehen, nicht einmal das Verhängnis. Oh! beklagen Sie mich! das Schicksal ist eine Bildsäule mit einem ehernen Piedestal, an dem die tollen Hoffnungen seiner Anbeter anstoßen und zurückspringen. O! wenn Sie wüssten! Ich hatte schon sechstausend Livres gewonnen! Ich hätte fünfmal hunderttausend gewonnen! Ich hätte eine Million in vier Stunden gewonnen! Oh! mein teures Leben, wenn Sie vorhin, vor kaum einer Stunde gesehen hätten! ich hielt vor mir einen Haufen Gold, und das Glück begann, und ich war im Begriff, aus diesem Haufen einen Berg zu machen: es war so schön, als dies immer größer wurde! Plötzlich zog ein Hauch zwischen mir und der Feenwelt durch, in der ich mein Glück erschaute. Das Portal mit den goldenen Säulen verschwand, die Grotte mit den Schätzen verschleierte sich; ich verlor die Spur des Genius, der mich führte; ich vermochte nicht mehr in meinem Geschicke zu lesen; Alles verfinsterte sich, erlosch, wie wenn der Vorhang nach einer heißen, glühenden Vorstellung fällt. Da versank ich in die kalten, schauernden Bangigkeiten des gemeinen Menschen, des Menschen, der Furcht hat und Zweifelt. All mein Gold zerfloss Flocken um Flocken, wie eine Wolke, die sich am Himmel zerreißt, wie ein Schnee, der in der lauen Aprilsonne zerschmilzt: Und bei jedem Stücke, das mich verließ, fühlte ich eine Hoffnung, eine Freude, eine Wonne mich verlassen. Als Alles verloren war, begriff ich zum ersten Mal mein Elend; denn was ich in Wirklichkeit verloren hatte, war weder das Gold, noch die Hoffnung, noch die Freude, noch das Glück: was ich verloren hatte, das waren Sie, Olympia! Siel ja, Sie! denn ich sehe wohl, daß ich Sie verloren habe!«
Beim Anblick dieses Schmerzes, der gerade in seiner Exaltation eine so tiefe Beredsamkeit schöpfte, beim Anblick dieser Verzweiflung, die sich zu ihren Füßen krümmte, richtete Olympia den Kopf wieder auf und ließ ihr Herz sich mit einem edlen Vergessen füllen.
Sie hatte sich überzeugt, daß der Mensch, der diese schlimmen Handlung begangen, nur der Liebe schuldig war.
Immer großmütig, immer unfähig zu kleinlichen Berechnungen, nahm Olympia die beiden Hände von Banniére, drückte sie an ihr Herz und küßte ihn innig.
Bei dieser Kundgebung einer Rückkehr zur Zärtlichkeit, stieß die Coiffeuse mit Heftigkeit die Thür des Kabinetts auf und kam heraus, ohne ihre üble Laune zu verbergen, aus welche indessen die beiden jungen Leute durchaus nicht Acht gaben, denn sie hatten wieder ein freundliches, süßes Blatt in dem düsteren Buche ihrer Liebe gefunden.
XXIII.
Das Blatt verschwindet
Doch Alles nutzt sich ab, selbst das Gute, das durch das Böse hervorgebracht wird. Ehe vierzehn Tage vergingen, bemerkte Olympia, daß ihr Geliebter sie mehr als je liebte: aber sie bemerkte auch, daß Banniére mehr Spieler war, als er es je gewesen.
Banniére war, um uns einer ganz modernen Phrase zu bedienen, die wir anwenden, weil sie unsern Gedanken vortrefflich ausdrückt, Banniére war unmöglich geworden.
Kein Theater mehr, keine Konversation mehr. Banniére träumte oder seufzte, wenn er nicht spielte, oder wenn er nicht, um Verzeihung für einen neuen Fehler zu erhalten, mit gefalteten Händen um Liebe bat.
Und während er sich so selbst zu Grunde richtete, warf der Abbé, mit dem Bewusstsein des Übergewichts seiner Stellung, jeden Tag einen Stein in den Garten der schönen Chimären seines Nebenbuhlers.
Olympia fand eines Abends ihr Silberzeug an seinem gewöhnlichen Platze.
Sie konnte sich eines Freudenschreis nicht erwehren; seit drei Tagen wusste sie nicht, wie sie sich in ihrer Philosophie wenden und drehen sollte, um sich an diese Entbehrung zu gewöhnen.
Sie rief Claire, um zu erfahren, wer dieses Silberzeug während ihres Schlafs oder während ihrer Abwesenheit zurückgebracht habe.
Claire wusste nicht, was man sagen wollte,
Sie rief die Coiffeuse.
Die Coiffeuse behauptete, der Kasten mit dem Silberzeug sei nie vom Buffet gekommen.
«Ich habe aber dieses Silberzeug verkauft, an den Juden Jacob verkauft,« entgegnete Olympia.
»Das ist unmöglich, Madame, da es sich an demselben Platze findet, wohin es Madame zu stellen pflegte,« erwiderte die Coiffeuse; »Madame hat es nicht verkauft.«
»Jacob,« sagte ganz leise Banniére, »derjenige, an welchen ich die Juwelen und den