»Sagt die Habgier. Ihr habt mich an den Herrn, von Epernon verkauft, wie Ihr Fräulein von Chevreuse an den Coadjutor verkauftet. Ich frage Euch, was ging es Euch an, daß ich mit Herrn von Canolles in Verbindung stand?«
»Nicht nichts, und ich hätte nicht daran gedacht, mich darüber zu beunruhigen, würdet Ihr Eure Verbindung mit mir fortgesetzt haben.«
»Wisst Ihr wohl, daß Ihr, wenn ich ein einziges Wort zu dem Herrn Herzog von Epernon sagte, wenn ich ihm ein unumwundenes Geständnis machte, verloren wäret? Ihr habt selbst so eben und aus seinem eigenen Munde gehört, was für ein Schicksal er demjenigen bestimmt, der ihm sein Blanquett gestohlen hat.«
»Sprecht nicht mehr davon; ich schauerte bis in das Mark meiner Knochen, und ich bedurfte meiner ganzen Selbstbeherrschung, um mich nicht zu verrathen.«
»Und Ihr zittert nicht, Ihr, der Ihr doch zugesteht, daß Ihr die Furcht kennt?«
»Nein; denn dieses unumwundene Bekenntniß würde beweisen, daß Herr von Canolles nicht Euer Bruder ist. Die Worte Eures Briefes nähmen, an einen Fremden gerichtet, eine ärgerliche Bedeutung an. Glaubt mir, ein Geständniß mit Umwegen, wie das, welches Ihr vorhin machtet, ist mehr werth. Undankbare, ich will nicht sagen Blinde, bedenkt doch, wie viele von mir vorhergesehene Vortheile aus der kleinen durch meine Sorge vorbereiteten Komödie entspringen. Erstens waret Ihr sehr verlegen und zittertet vor Angst, Herrn von Canolles kommen zu sehen, der, nicht in Kenntniß gesetzt, bei Eurem kleinen Familienromane furchtbar im Nebel herumgetappt wäre. Meine Erscheinung hat im Gegentheil Alles gerettet. Euer Bruder ist kein Geheimniß mehr. Herr von Epernon nahm ihn an und zwar, ich muß es sagen, auf eine sehr artige Weise. Nun braucht der Bruder sich nicht mehr zu verbergen, er ist vom Hause; folglich Briefwechsel, äußere und innere Rendezvous, vorausgesetzt, daß der Bruder mit den schwarzen Haaren und Augen die Unschicklichkeit nicht so weit treibt, daß er dem Herrn Herzog von Epernon gerade in das Gesicht schaut. Ein Mantel gleicht ungeheuer einem andern Mantel, und sieht Herr von Epernon einen Mantel von Euch gehen, wer wird ihm sagen, ob es der eines Bruders ist oder nicht? Ihr seid also frei wie der Wind. Nur habe ich mich um Euch zu dienen, umgetauft und nenne mich Canolles; das ist unbequem. Ihr solltet mir für dieses Opfer Dank wissen.«
Diesem Redestrom, einem Resultat einer unglaublichen Unverschämtheit, wußte Nanon ganz versteinert keine Gründe mehr entgegenzusetzen. Den Sieg, den er im Sturme davon getragen, benützend, fuhr Cauvignac fort:
»Und nun, liebe Schwester, da wir nach einer so langen Abwesenheit wieder vereinigt sind, da Ihr nach so vielen Kreuz- und Querzügen einen wahren Bruder wieder gefunden habt, gesteht, daß Ihr fortan, Dank sei es dein Schilde, den die brüderliche Liebe über Euch ausbreitet, auf beiden Ohren schlafen werdet. Ihr werdet so ruhig leben, als ob ganz Guienne Euch anbetete, was, wie Ihr wißt, nicht der Fall ist; aber Guienne muß nach unserer Pfeife tanzen. In der That, ich quartiere mich auf Eurer Schwelle ein; Herr von Epernon macht mich zum Obersten; statt sechs Mann habe ich zweitausend. Mit diesen zweitausend Mann erneute ich die Arbeiten des Hercules. Man ernennt mich zum Herzog; zum Pair; Frau von Epernon stirbt, Herr von Epernon heirathet Euch . . .«
»Vor Allem dem hört zweierlei,« sagte Nanon mit kurzem Tone.
»Was, liebe Schwester? Sprecht, ich bitte Euch.«
»Erstens werdet Ihr dem Herzog das Blanquett zurückgeben, sonst hängt man Euch. Ihr habt den Spruch aus seinem eigenen Munde gehört. Sodann entfernt Ihr Euch sogleich von hier, oder ich bin verloren, was für Euch zwar nichts ist, aber Ihr stürzt Euch mit mir ins Verderben, ein Grund, der Euch vielleicht bewegen wird, meinen Untergang in Betracht zu ziehen.«
»Zwei Antworten, liebe Dame: dieses Blanquett ist mein Eigenthum, und Ihr könnt mich nicht abhalten, mich hängen zu lassen, wenn es mir gefällt.«
»Immerhin!«
»Ich danke! aber seid unbesorgt, es wird dem nicht so sein. Ich habe Euch so eben meinen Widerwillen gegen diese Todesart ausgedrückt. Ich behalte also das Blanquett, wenn Ihr nicht etwa Lust habt, es mir abzukaufen, in welchem Falle wir mit einander handeln können.«
»Ich brauche es nicht, ich ertheile selbst Blanquette.«
»Glückliche Nanon!«
»Ihr behaltet es also?«
»Ja.«
»Auf die Gefahr, was auch daraus entstehen mag?
»Seid unbesorgt, ich weiß, wo ich es anbringe. In Euren Verlangen, Euch meiner zu entledigen, vergeßt Ihr Eines.«
»Was?«
»Den wichtigen Auftrag, von dem der Herzog gesprochen hat und der mein Glück machen soll.«
Nanon erbleichte.
»Aber, Unglücklicher,« sprach sie, »Ihr wißt wohl, daß dieser Auftrag nicht für Euch bestimmt ist. Ihr wißt wohl, daß die Lage der Dinge mißbrauchen ein Verbrechen wäre, das früher oder später seine Strafe nach sich ziehen müßte.«
»Ich will auch keinen Mißbrauch, sondern einen Gebrauch davon machen.«
»Überdies ist Herr von Canolles in dem Auftrage genannt.«
»Heiße ich nicht Baron von Canolles?«
»Ja, aber man kennt dort nicht allein seinen Namen, sondern auch sein Aeußeres. Herr von Canolles ist wiederholt bei Hofe gewesen.«
»Das lasse ich mir gefallen, daß ist ein guter Grund, und zwar der erste, den Ihr nur angebt; Ihr seht auch, ich füge mich darein.«
»Ueberdies würdet Ihr dort Eure politischen Feinde finden,« sprach Nanon, »und Euer Gesicht ist vielleicht, obgleich Ihr unter einer andern Gestalt erscheint, nicht minder bekannt, als das von Herrn von Canolles.«
»Oh! das würde nichts zu der Sache thun, wenn es, wie der Herzog gesagt hat, Zweck der Sendung ist, Frankreich einen großen Dienst zu leisten. Die Botschaft wird dem Boten durchhelfen. Ein Dienst von dieser Wichtigkeit schließt Begnadigung in sich, und die Amnestie des Vergangenen ist stets die erste Bedingung politischer Bekehrung. Glaubt mir also, liebe Schwester, es ist nicht an Euch, mir Bedingungen zu machen, sondern an mir, Euch die meinigen vorzuschlagen.«
»Laßt hören, worin bestehen sie?«
»Vor Allem, wie ich Euch so eben sagte, die erste Bedingung jedes Vertrages, das heißt allgemeine, Amnestie.«
»Ist das Alles?«
»Dann die Bezahlung unserer Rechnungen.«
»Ich bin Euch etwas schuldig, wie es mir scheint?«
»Ihr seid mir die hundert Pistolen schuldig, um die ich Euch bat, und die Ihr mir verweigertet.«
»Hier sind zweihundert.«
»Gut, daran erkenne ich Euch, Nanon.«
»Aber unter einer Bedingung.«
»Unter welcher?«
»Daß Ihr das Schlimme, was Ihr angerichtet, wieder gut macht.«
»Das ist nur zu billig. Was soll ich zu diesem Behufe thun?«
»Ihr steigt zu Pferde und jagt aus der Straße zog Paris fort, bis Ihr Herrn von Canolles gefunden habt.«
»Dann verliere ich seinen Namen?«
»Ihr gebt ihm denselben zurück.«
»Und was soll ich ihm sagen?«
»Ihr stellt ihm diesen Befehl zu und versichert Euch, daß er auf der Stelle zu Vollstreckung desselben abreist.«
»Ist das Alles?«
»Ist es nothwendig, daß er erfährt, wer ich bin?«
»Im Gegentheil, es ist von größter Wichtigkeit, daß er es nicht weiß.«
»Ah! Nanon, solltet Ihr Euch Eures Bruders schämen?«
Nanon antwortete nichts sie dachte nach.
»Aber wie bin ich sicher,« sprach sie nach einem Augenblick, »daß Ihr meinen Auftrag getreulich erfüllen werdet? Wenn es etwas Heiliges für Euch