»Ihr seid also Kriegsmann?«
»Und Hofmann nöthigen Falles. Ah! mein Aufenthalt bei Herrn von Longueville hat mir viel genützt.«
»Und was habt Ihr bei ihm gelernt?«
»Was man bei den Prinzen lernt: Krieg führen, intrigieren, verrathen.«
»Und das brachte Euch?«
»Zu der höchsten Stellung.«
»Die Ihr wieder verloren hab?«
»Herr von Condé hat die seinige auch verloren. Man ist nicht Herr der Ereignisse. Liebe Schwester, so wie Ihr mich hier seht, habe ich Paris regiert.«
»Ihr!«
»Ja, ich!«
»Wie lange?«
»Sieben Viertelstunden, die Uhr in der Hand.«
»Ihr habt Paris regiert?«
»Als Kaiser.«
»Wie dies«
»Auf eine ganz einfache Weise. Ihr wißt, daß der Herr Coadjutor, Herr von Gondy, der Abbé von Gondy . . .«
»Sehr wohl.«
»Unumschränkter Herr der Stadt war. Nun in diesem Augenblicke gehörte ich dem Herrn Herzog den Elboeuf. Er ist ein lothringischer Prinz, man braucht sich nicht zu schämen, Herr von Elboeuf zu gehören. Herr von Elboeuf wer aber für den Augenblick der Feind des Coadjutors. Ich zettelte also einen Aufruhr zu Gunsten von Herrn von Elboeuf an und fing . . .«
»Wen? den Coadjutor?«
»Nein, ich hätte nichts mit ihm anzufangen gewußt, und wäre nur dadurch in Verlegenheit gerathen. Ich fing seine Geliebte, Fräulein von Chevreuse.«
»Aber das ist abscheulich,« rief Nanon.
»Nicht wahr, es ist abscheulich, daß ein Priester eine Geliebte hat? Gerade das ist es, was ich mir auch sagte. Es war nur meine Absicht, sie zu entführen und sie so weit wegzubringen, daß er sie nie mehr sehen würde. Ich ließ ihm also meine Absicht mittheilen; aber dieser Teufel von einem Menschen hat Gründe, denen man nicht widerstehen kann. Er bot mir tausend Pistolen.«
»Arme Frau, sich so verhandelt zu sehen!«
»Wie! sie mußte im Gegentheil entzückt darüber sein, denn das bewies ihr, wie sehr Herr von Gondy sie liebte! Nur die Männer der Kirche haben eine solche Ergebenheit für ihre Geliebte. Ich glaube, das rührt davon her, daß ihnen diese Sache verboten ist.«
»Ihr seid also reich?«
»Ich?« rief Cauvignac.
»Allerdings, mittelst dieser Räubereien.«
»Sprecht mir nicht hiervon. Hört, Nanon, ich habe Unglück gehabt: die Kammerjungfer von Fräulein von Chevreuse, welche mir Niemand abkaufen wollte, und die folglich bei mir blieb, stahl mir das Geld.«
»Es bleibt Euch doch hoffentlich die Freundschaft von denjenigen, welchen Ihr, den Coadjutor verletzend, diente.«
»Ah, Nanon, man sieht wohl, daß Ihr die Prinzen nicht kennt! Herr von Elboeuf hat sich mit dem Coadjutor ausgesöhnt. In dem Vertrag, welchen sie mit einander abschlossen, wurde ich aufgeopfert. Ich sah mich also genöthigt, in den Sold von Herrn von Mazarin zu treten, Herr von Mazarin aber ist ein Knauser. Da er die Belohnung nicht in das Gleichgewicht mit dem Dienste setzte, so willigte ich in ein Anerbieten, das man mir machte, und unternahm eine neue Meuterei zu Ehren des Rathes Broussel, welche zum Zwecke hatte, den Kanzler Seguier todtzuschlagen; aber meine ungeschickten Leute schlugen ihn nur halb todt. Mitten unter diesem Streite lief ich die größte Gefahr, die mich je bedroht hatte. Herr von Meilleraye drückte eine Pistole, wenige Schritte von mir entfernt, auf mich ab. Zum Glücke bückte ich mich, die Kugel flog über meinem Kopfe hin, und der berühmte Marschall tödtete nur ein altes Weib.«
»Welch ein Gewebe von Abscheulichkeiten!« rief Nanon.
»Nein, meine liebe Schwester, das sind die Nothwendigkeiten des Bürgerkrieges.«
»Ich begreife jetzt, wie ein Mensch, der zu solchen Dingen fähig ist, wagen konnte, was Ihr gestern gewagt habt.«
»Was habe ich denn gethan?« fragte Cauvignac mit der unschuldigsten Miene der Welt, »was habe ich gewagt?«
»Ihr habt es gewagt, eine so angesehene Person wie Herrn von Epernon in das Gesicht zu betrügen. Aber das begreife ich nicht, das habe ich, ich gestehe es, nie gedacht, daß ein von meinen Wohlthaten überhäufter Bruder kalt den Plan fassen könnte, seine Schwester zu Grunde zu richten.«
»Meine Schwester zu Grunde richten. . . ich?« sagte Cauvignac.
»Ja, Ihr!« versetzte Nanon; »ich brauchte nicht Eure Erzählung abzuwarten, welche mir beweist, daß Ihr zu Allem fähig seid, um die Handschrift des Billets zu erkennen. Seht! Wollt Ihr leugnen, das dieser anonyme Brief von Eurer Hand ist?«
Entrüstet legte Nanon den verrätherischen Brief, welchen ihr der Herzog am Abend vorher zugestellt hatte, ihrem Bruder vor die Augen.
Cauvignac las ihn, ohne ans der Fassung zu kommen-.
»Nun,« sagte er, »was habt Ihr gegen diesen Brief? Findet Ihr ihn etwa schlecht abgefaßt? Es würde mir sehr leid für Euch thun, denn es bewiese, daß Ihr keine Literatur besitzt.«
»Es handelt sich nicht um die Abfassung, mein Herr, sondern um die Sache selbst. Seid Ihr es oder seid Ihr es nicht, der diesen Brief geschrieben hat?«
»Ich hin es allerdings. Hätte ich die Sache leugnen wollen, so würde ich weine Handschrift verstellt haben; aber das war unnötig. Es lag nie in meiner Absicht, mich vor Euren Augen zu verbergen. Ich wünschte sogar, daß Ihr erkennen würdet, der Brief käme von mir.«
»Ihr gesteht es!« rief Nanon mit einer Geberde des Abscheus.
»Das ist ein Rest von Demuth, liebe Schwester. Ja, ich muß Euch sagen, ich wurde von einer Art von Rache angetrieben.«
»Von Rache?«
»Ja, von einer sehr natürlichen.«
»Rache gegen mich, Unglücklicher! Bedenkt Ihr auch, was Ihr sagt? Was habe ich Euch Böses zugefügt, daß Euch der Gedanke kommt, sich an mir zu rächen?«
»Was Ihr mir gethan habt? Ah! Nanon, versetzt – Euch an meine Stelle. Ich verlasse Paris, weil ich dort zu viel Feinde hatte; das ist des Unglück von allen Politikern. Ich wende mich an Euch, ich flehe Eure Hilfe an. Erinnert Ihr Euch? Ihr habt drei Briefe erhalten. Ihr werdet wohl nicht sagen, Ihr habet meine Handschrift nicht erkannt. Es war ganz die des anonymen Billets, und überdies hatte ich die Briefe unterzeichnet. Ich schrieb drei Briefe an Euch, um Euch um hundert armselige Pistolen zu bitten. Hundert Pistolen von Euch, die Ihr Millionen besitzt! Das war eine Erbärmlichkeit, aber Ihr wißt, hundert Pistolen sind meine Zahl. Nun wohl, meine Schwester stößt mich zurück. Ich zeige mich bei meiner Schwester: meine Schwester läßt mich abweisen. Natürlich erkundige ich mich. Vielleicht ist sie im Unglück, denke ich; das ist der Augenblick, um ihr zu beweisen, daß ihre Wohlthaten nicht auf ein undankbares Land gefallen sind. Vielleicht ist sie nicht mehr frei. Dann muß man ihr vergeben. Ihr seht, mein Herz suchte Entschuldigungen