»Die Dame kommt nicht meinetwegen Capitän,« antwortete der junge Mann ernsthaft; »sie ist die Tochter meines edlen Gebieters, des Herrn Marschalls von St. André«
»Ei, wie schön sich das trifft! Solltet Ihr also im Dienste des erlauchten Marschalls von St. André stehe?«
»Ich habe diese Ehre, mein Herr.«
»Und Ihr glaubt, daß der Marschall hier in dieser elenden Hütte einkehren werde?« Ihr bildet Euch das ein, mein junger Page? Ei, warum nicht gar!« sagte der Capitän.
»Er muß wohl; seit vierzehn Tagen liegt der Herr Marschall krank im Schloß von Villers-Cotterets, und da es ihm unmöglich war zu Pferd nach Paris zu reisen, wo er dem Tournier vom 29-sten anwohnen will, das zu Ehren der Hochzeit seiner, König Philipps II. mit der Prinzessin Elisabeth und der Prinzessin Margareth mit dem Herzog Emanuel Philibert von Savoyen stattfinden so hat Herr von Guise als Schloßnachbar von Villers-Cotterets. . .«
»Herr von Guise hat ein Schloß in der Nähe von Villers-Cotterets?« fiel der Capitän ein, der beweisen wollte, daß er seinen Hof kenne; « »woher bekommt Ihr doch dieses Schloß, junger Mann?
»Es liegt in Nunteuil-le-haudouin, Capitän, »und er hat es erst in der neuesten Zeit gekauft, um sich auf dem Weg des Königs zu befinden, wenn dieser nach Villers-Cotterets geht und daher zurückkommt.«
»Ah, ah, ich finde daß das recht gut gespielt ist.«
»Oh!« sagte der junge Page lachend, »die Geschicklichkeit ist es nicht, was diesem Spieler fehlt.«
»Das Spiel auch nicht,« bemerkte der Capitän.
»Ich sagte also« fuhr der Page fort, »daß Herr von Guise dem Marschall seine Kutsche geschickt habe und daß er ihn in langsamem Schritt heimführet; aber so angenehm die Kutsche sein mag und so langsam die Pferde sie nach Gonesse führten, so ist doch der Herr Marschall müde geworden, und Fräulein Charlotte von St. André hat mich vorausgeschickt, um eine Herberge zu suchen, wo ihr Vater ein wenig ausruhen könne.«
Als der erste Edelmann, der vor Aerger scharlachroth wurde, wenn man den Hugenotten Böses nachsagte, diese Werte andern in seiner Nähe stehenden Tisch hörte, lauschte er und schien an der Unterhaltung ein sehr directes Interesse zu nehmen.
»Per la crux Diou! Machte der Gascogner, »ich schwöre Euch, junger Mann, daß ich, wenn ich auf zwei Meilen in der Runde ein Zimmer wüßte, das würdig wäre diese zwei Feldherrn zu empfangen, die Ehre sie dahin zu führen Niemand, Selbst meinem Vater nicht, abtreten würde; aber leider,« fügte er hinzu, »weiß ich keines.«
Der hugenottische Edelmann machte eine Bewegung, die einem Zeichen der Verachtung gleichen konnte. Diese Bewegung zog die Aufmerksamkeit des Capitän auf sich.«
»Ah, ah!« machte er. Damit erhob er sich, grüßte den Hugenotten mit ausgesuchter Höflichkeit und wandte sich nach Erfüllung dieser Pflicht gegen den Pagen hin. Der Hugenott erhob sich, wie der Gascogner gethan hatte, grüßte höflich, aber trocken, und drehte seinen Kopf gegen die Wand. Der Capitän schenkte dem Pagen ein; dieser hob sein Glas in die Höhe, bevor es zum dritten Theil voll war; dann trank er.
»Ihr sagtet also, junger Mann,« begann er, »daß Ihr im Dienst des Marschalls von St. André, des Helden von Cerisoles und von Renty, stehet. Ich wohnte als junger Mensch der Belagerung von Boulogne bei und sah, welche Anstrengungen er machte, um sich in den Platz zu werfen. Ah, so wahr ich lebe, das ist einmal ein Mann, der seinen Marschallstitel nicht gestohlen hat.«
Dann hielt er auf einmal inne und schien nachdenklich zu werden.
»Cap de Diou!« sagte er, »da fällt mir gerade Etwas ein. Ich komme aus der Gascogne, ich habe das Schloß meiner Väter verlassen, um mich in den Dienst eines berühmten Prinzen oder erlauchten Feldherrn zu begeben. Junger Mann, sollte es im Hause des Marschalls von St. André nicht irgend einen Platz geben, den ein braver Officier wie ich auf passende Weise ausfüllen könnte? Ich bin in Bezug auf den Gehalt nicht heikel, und wenn man mir nur keine alte Frau zum Unterhalten und keine neuen Stiefel zum Zerreißen gibt, so verspreche ich jedes Amt, das man mir gütigst anvertrauen wird, zur Zufriedenheit meines Gebieters auszufüllen.«
»Ach, Capitän,« sagte der junge Page, »es thut mir wirklich unendlich leid, aber unglücklicherweise ist das Haus des Herrn Marschalls vollständig, und ich zweifle, ob er, selbst beim besten Willen, Euer verbindliches Anerbieten annehmen könnte.«
»Zum Henker, das ist um so schlimmer für ihn; denn ich kann mich rühmen, daß ich den Leuten, die mich anstellen, kostbare Dienste zu leisten vermag. Thun wir jetzt, als hätte ich Nichts gesagt, und laßt uns Trinken.«
Der junge Page hatte bereits sein Glas erhoben, um dem Capitän Bescheid zu thun, als er auf einmal eine Bewegung machte und lauschte, dann aber sein Glas wieder aus den« Tisch stellte
»Verzeiht, Capitän,« sagte er, »aber ich höre das Geräusch einer Kutsche, und da die Kutschen noch selten sind, so glaube ich wohl versichern zu dürfen, daß es die des Herzogs von Guise sein wird; ich bitte also um Erlaubniß Euch auf einige Augenblicke zu verlassen.«
»Immer zu, mein junger Freund, immer zu,« sagte der Capitän mit besonderem Nachdruck; »die Pflicht geht Allem vor.«
Die Bitte um Erlaubniß war eine pure Höflichkeit von dem Pagen. denn ehe noch der Capitän antwortete, hatte er rasch die Herberge verlassen und war an der Biegung des Weges verschwunden.
IV.
Die Reisenden
Der Capitän benutzte diese Abwesenheit, um nachzudenken und bei dieser Gelegenheit den Krug auszutrinken, den er vor sich hatte. Nachdem der erste expedirt war, verlangte er einen zweiten. Dann wandte sich der Capitän, wie wenn ihm der Denkstoff ausgegangen wäre, oder wie wenn diese geistige Verrichtung in Folge der Ungewohnheit nicht ohne eine reinliche Anstrengung bei ihm vor sich ging, gegen den Hugenotten, grüßte ihn mit der affektirten Höflichkeit, wovon er bereits Beweise gegeben hatte, und sagte:
»So wahr ich lebe, mein Herr, es scheint mir, ich begrüße einen Landsmann.«
»Ihr täuschet Euch, Capitän,« antwortete der Angeredete; »denn wenn ich mich nicht irre, so seid Ihr aus der Gascogne, während ich aus dem Angoumois bin.«
»Ah! Ihr seid aus dem Angoumois!« rief der Capitän im Tone bewundernder Ueberraschung: »aus dem Angoumois, wahrhaftig! Ei! Ei! Ei!«
»Ja, Capitän; ist Euch Das angenehm?« fragte der Hugenotte.
»Ich glaube es wohl; erlaubt mir deßwegen auch, daß ich Euch mein Compliment darüber mache; ein prächtiges Land, fruchtbar, von herrlichen Flüssen durchschnitten; die Männer sind voll von Muth, wie man an dem verstorbenen König Franz I. sieht; die Frauen sprudelte von Geist, wie Frau Margareth von Navarra beweist; kurz und gut, ich gestehe Euch, mein Herr, daß ich, wenn ich nicht aus der Gascogne wäre, aus dem Angoumois sein möchte.«
»Das ist in der That allzu viel Ehre für meine arme Provinz, mein Herr,« sagte der angoumoisische Edelmann, »und ich weiß nicht, wie ich Euch meinen Dank abstatten soll.«
»Oh! Nichts ist leichter, mein Herr, als mir das bischen Dank zu beweisen, das Ihr meiner rauhen Offenheit gütigst zollen wollt. Erweiset mir die Ehre mit mir auf den Ruhm und die Wohlfahrt Eurer Landsleute anzustoßen.«
« »Mit dem größten Vergnügen, Capitän,« sagte der Hugenotte, indem er seinen Krug und sein Glas auf eine der Ecken des Tisches herüberstellte, an welchem der Gascogner seit dem Weggang des Pagen ganz allein saß.
Nachdem der Toast auf den Ruhm und die Wohlfahrt der Kinder des Angoumois ausgebracht war, brachte der hugenottische Edelmann, um an Höflichkeit nicht zurückzustehen, denselben Toast auf die Wohlfahrt und den Ruhm der Kinder der Gascogne aus.
Da nun die Höflichkeit gehörig erwidert war, nahm der angoumoisische Edelmann seinen Krug und sein Glas wieder und traf Anstalten nach seinem Platz zurückzugehen.
»Oh, mein Herr« sagte der Gascogner, »Ihr wollt die Bekanntschaft gar zu schnell abbrechen; « erweiset