Der Held von Garika. Adolf Mützelburg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Adolf Mützelburg
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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sonnen- und luftgebräunte Gesicht des jungen Aga war bleich geworden, während der Armenier ihm diese Worte übersetzte. Seine schwarzen Augen glühten drohend und unheimlich zu Wiedenburg hinüber.

      »Sage dem Fremden, er solle sich hüten, den Schutz dieses Hauses zu verletzen!« rief er.

      »Ich sage nur, was ich sagen kann, da ich nicht der Sklave und nicht der Diener Kaschir-Agas bin«, antwortete Wiedenburg. »Übrigens will ich den Häuptling nicht mit Reden aufhalten. Er mag mir eine bestimmte Erklärung geben, ob er die Bedingungen, die ich gestellt, annehmen will, und er mag dabei bedenken, dass in dem Augenblick, in welchem wir sprechen, Tamir-Aga sich in der Gewalt der Truppen des Padischah befindet.«

      Als der Sohn Tamir-Agas diese Worte aus dem Munde des Armeniers vernahm, sprang er mit einem Ausruf des Zorns und der Wut auf; seine Hand fuhr nach dem Dolch im Gürtel und er schien bereit, sich auf den Deutschen zu stürzen. Auch die beiden Kurden, die bis jetzt unbeweglich in einiger Entfernung gestanden, griffen nach ihren Waffen. Wiedenburg erhob sich aber mit Ruhe. Er wusste, dass der Kurde sich selbst vom Jähzorn nicht hinreißen lassen würde, einen Gastfreund zu verletzen.

      »Weshalb braust Kaschir-Aga auf?« fuhr er fort. »Was ich sage, ist Wahrheit. Meint der junge Häuptling der Kurden, dass wir schwach und feig wie Weiber seien, um alles ruhig hinzunehmen, was man uns antut? Wir sind gefangen worden, als wir durch dieses Land reisten, weil wir darauf vertrauten, dass man friedlichen Reisenden keinen Schaden zufügen würde. Trotzdem hat man uns nicht nur beraubt, sondern uns auch gezwungen, hierher zu wandern. Kaschir-Aga wird begreifen, dass ein Mann sich nicht geduldig in eine solches Lage fügt. Ich bin geflohen und habe dem Padischah gemeldet, was geschehen. Der erste Befehl, den er gab, war derjenige, Tamir-Aga so lange gefangen zu halten, bis die Franken in Freiheit gesetzt seien. Auf eine Entschädigung für die Sachen, die man uns geraubt, machen wir selbst keinen Anspruch; wir wissen, dass dies vergebliche Mühe sein würde. Aber wir wollen frei sein, frei in unser Vaterland zurückkehren; danach werden wir streben mit allen Mitteln. Hat man Gewalt gegen uns gebraucht, weshalb sollen wir nicht wieder Gewalt anwenden? Hat man uns gefangen, weshalb sollen wir uns nicht der Person Tamir-Agas versichern, der mit seinem Kopfe dafür bürgen muss, dass die Befehle des Padischah erfüllt werden? Es wäre töricht von einem Manne, sich über etwas zu erzürnen, das er ganz vernünftig finden muss, wenn es ihm auch nicht lieb ist. Glaubt Kaschir-Aga, wir seien Feiglinge und Dummköpfe, um mit uns schalten und walten zu lassen, wie es andern gefällt? Wir dulden, solange wir müssen, und handeln, wenn wir können. Und Kaschir-Aga mag nicht vergessen, dass die Scharen des Padischah in Bewegung und in der Nähe sind! Es kostet den Sultan nur einen Wink, und Tausende von Streitern wenden sich gegen diese Berge!«

      Kaschir-Aga, der mit finsterem Grollen der schnellen Verdolmetschung des Armeniers gelauscht, stieß einen verächtlichen Ruf aus.

      »Hat der junge Aga schon vergessen, wie Beder-Khan, der Häuptling der Bhudan-Kurden, von Omer-Pascha gezüchtigt wurde, und wie selbst die Häuptlinge der Hakkari-Kurden den großen Feldherrn des Padischah um Gnade anflehten?« rief Wiedenburg stolz. »Kaschir-Aga mag mächtig sein in seinem Lande, aber es gibt Mächtigere, als er ist, und er wird nicht so töricht sein, um einiger Fremdlinge willen die Freiheit seines Landes zu verscherzen. Denn wenn Omer-Pascha zum zweiten Male in diese Berge dringt, so wird er sie nicht verlassen, ohne die Herrschaft des Padischah von Stambul für immer befestigt zu haben.«

      Es lag trotz der aufreizenden Drohung doch so viel Wahrheit in den Worten Wiedenburgs, dass der junge Kurde sichtlich davon betroffen wurde. Er wandte sich zum Gehen.

      »Wird Kaschir-Aga mir gestatten, meinen Freund, den Heckhim der Franken, zu sehen?« fragte Wiedenburg. »Ich habe ihm Nachrichten zu bringen und will mit ihm über die Summe sprechen, die er willens ist, Euch für dasjenige zu bieten, was er als ein Recht in Anspruch nehmen könnte, seine Freilassung. Denn seine Zeit ist kostbar wie die meinige. Wir können nicht länger hierbleiben.«

      Kaschir-Aga rief dem Armenier hastig einige Worte zu, die dieser dem Deutschen dahin verdolmetschte, dass der Aga nichts dagegen habe, wenn der Fremde mit den frankischen Männern spreche, dass er ihm aber eine Unterredung mit der jungen Frankin nicht gestatte.

      Wieder zeigte sich deutlich jener Ausdruck auf seinem Gesichte, den Wiedenburg schon vorher bemerkt hatte, der Ausdruck eines entschlossenen Trotzes, der Ausdruck der stummen Worte: Tut was Ihr wollt – ich weiß, was ich zu tun habe, und ich werde es tun.

      Kaschir-Aga ging mit den Ältesten, der Armenier folgte, nachdem er dem Deutschen noch eine Gebärde gemacht, die wohl ausdrücken sollte, dass er alles tun werde, was der Fremde wünsche. Wiedenburg blieb erregt und gedankenvoll zurück. So war das Unheil eingetroffen, das Mr. Hywell gefürchtet! Marys Schönheit hatte den Kurden entflammt. Es handelte sich nicht mehr allein darum, die Habsucht von Räubern zu befriedigen, sondern auch der Leidenschaft ihre Beute zu entreißen. Aber gerade bei diesem Gedanken schwoll das Herz Wiedenburgs von Mut und Entschlossenheit, gerade bei diesem Gedanken fühlte er alle seine Muskeln in Tatenlust sich spannen. Er verehrte Mary, ja, im tiefsten Grunde seines Herzens liebte er sie. Er hatte diese Liebe sich selbst verbergen wollen, er hatte versucht, sie zu ersticken unter all den Vernunftgründen, die sich gegen jede Hoffnung auf Erfüllung dieses geheimsten Wunsches seiner Seele erhoben, er hatte mit männlichem Ernste seine aufkeimende Neigung davor behüten wollen, zur Leidenschaft zu werden. Wie oft hatte er sich gesagt, dass der Reichtum Mr. Hywells und seine eigene bescheidene und kaum gesicherte Stellung in der Welt eine fast unüberwindliche Schranke zwischen ihm und Miss Mary aufrichteten, dass ihre Bekanntschaft eine viel zu kurze und zufällige sei, um ihm ein Anrecht auf Freundschaft und nun gar auf Liebe zu geben, dass Marys Betragen gegen ihn, wenn auch freundlich und selbst vertraulich, ihn doch nicht berechtige, seine Hoffnungen bis zur Gegenliebe zu erheben, dass Mary wegen ihrer Schönheit, Liebenswürdigkeit und ihrer äußern Lebensstellung wohl beanspruchen könne, einen ganz andern und Bessern zu wählen als ihn; ja in der letzten Zeit hatte er sogar Blicke in das Herz Georges getan und in diesem eine stille, aber glühende und tiefe Leidenschaft für Mary entdeckt, die vielleicht von dieser erwidert wurde – genug, er hatte das Gelübde getan, das, was er empfand, in seinem tiefsten Herzen zu verschließen und durch nichts zu verraten, wie mächtig der Eindruck gewesen, den die junge Engländerin auf ihn gemacht. Aber sie blieb ihm doch immer das verehrteste und herrlichste Wesen, für das jedes Opfer ihm gering erschien. Und dieses Wesen, das für ihn mit dem süßesten und keuschesten Liebreiz der Anmut und Tugend umwebt war, der Leidenschaft eines halben Wilden ausgesetzt zu wissen, zu denken, dass eine barbarische Hand dieses Meisterwerk der Natur, dieses bevorzugte Geschöpf Gottes roh vernichten könne, das goss ein loderndes Feuer in seine Seele und waffnete ihn mit todesmutiger Entschlossenheit. Was er bis jetzt für Mr. Hywell und seine Tochter getan, hatte er getan aus wirklichem Mitgefühl; die Liebe hatte keinen Teil daran gehabt, wenigstens verbarg er das vor sich selbst und sagte sich, dass er so auch gehandelt haben würde, wenn er in Miss Hywell nur eine Freundin gesehen.

      Aber jetzt galt es, dem Äußersten zu trotzen, vielleicht den Tod zu erdulden um ihretwillen, sie zu retten oder ihren Untergang nicht mehr mit lebenden Augen zu sehen, und er war entschlossen, es zu tun, immer unter dem Schein der Freundschaft ohne einen Anspruch auf andern Lohn als den der Freundschaft. Er wollte handeln, wie es ihm die Liebe gebot wenn auch keine Hoffnung auf den süßesten Gewinn das Opfer lohnte, das er zu bringen bereits sich entschlossen.

      Noch beschäftigten ihn diese Gedanken auf das lebhafteste, als Mr. Hywell eintrat. Die beiden Männer begrüßten sich herzlich, innig, aber ernst. In wenige, Worten schilderte Mr. Hywell seine und seiner Tochter Lage in den letzten Monaten. Es mochte seinem väterlichen Herzen schwer werden, alles zu sagen, aber er durfte dem Manne, der um seinetwillen zurückgekehrt, nichts verbergen. Wiedenburg ersparte ihm einen Teil des Geständnisses, indem er ihm mitteilte, dass Kaschir-Aga selbst von seinen Absichten gesprochen. Mr. Hywell fügte hinzu; dass jede Stunde kostbar sei, da vielleicht die Einwilligung Tamir-Agas sehr bald eintreffen könne und dann nichts mehr die Leidenschaft des Kurden zurückhalten werde.

      »Die Lage ist ernst, gefährlich, aber nicht verzweifelt, solange wir sechs mutige Männer sind und Waffen und Gold in jenem Koffer haben!« erwiderte Wiedenburg, auf den schweren, wohlverwahrten Koffer deutend. »Lassen Sie mich Ihnen nun vor allem flüchtig erzählen, wie es mir gelungen, hierher