Die Frauen, welche in Folge der Anwendung des Käppchens eine leichte Niederkunft gehabt, schrieen das Wunder laut aus und befestigten auf diese Weise den Ruf des wunderthätigen Käppchens.
Die, welche eine schwere Niederkunft hatten oder sogar daran starben, wurden beschuldigt, keinen Glauben gehabt zu haben, und das Käppchen erhielt sich deswegen in unvermindertem Ansehen.
Caroline bewies in den letzten Tagen ihrer Schwangerschaft, daß sie zunächst Weib und dann erst Königin und Philosophin war. Sie ließ sich das wunderthätige Käppchen holen und versprach, für jeden Tag, den sie es behalten würde, dem Kloster hundert Ducaten zu schicken.
Sie behielt es fünf Tage, zur großen Freude der Mönche, aber zur großen Verzweiflung anderer im Gebären begriffener Frauen, welche allen Gefahren eines solchen Zustandes ausgesetzt waren, ohne sich des Beistandes des wunderthätigen Käppchens theilhaftig machen zu können.
Wir können nicht sagen, ob das Käppchen des Franciscaners der Königin Glück brachte, ganz gewiß aber brachte es Neapel kein Glück, denn falsch und feig als Prinz war Franz auch falsch und feig als König.
Die Manie, die Gelehrte zu spielen, welche Carolinen eben so eigen war wie ihren Brüdern Joseph und Leopold, war so stark, daß als der junge Prinz Carl, der Thronerbe, welcher im Jahre 1775 geboren war und dessen Geburt seiner Mutter die Thür des Cabinetsraths geöffnet, im Jahre 1778 erkrankte und die berühmtesten Aerzte zu einem Beistand herbeigerufen wurden, Caroline nicht mit der Angst und Unruhe einer Mutter, sondern mit der Dreistigkeit eines Professors sich in alle Consultationen mischte, ihn Rathschläge ertheilte und auf die Behandlung der Krankheit Einfluß zu äußern suchte.
Ferdinand, welcher sich damit begnügte, Vater zu sei und – diese Gerechtigkeit müssen wir ihm widerfahre lassen – außer sich vor Schmerz war, den präsumtive Thronerben einem sichern Tod entgegengehen zu sehen konnte eines Tages eine kalte Dissertation der Königin übe die Ursachen der Gicht, während ihr Kind an den Blatter darniederlag, nicht länger mit anhören. Als er sah, daß trotz seiner wiederholten Winke, die ihr Schweigen geboten immer noch fortfuhr zu sprechen, stand er auf, faßte sie bei der Hand und sagte:
»Aber begreifst Du denn nicht, daß es nicht genügt König zu sein, um die Heilkunde zu verstehen, sondern da diese auch erst gelernt werden muß? Ich bin ein Esel, da weiß ich recht wohl, aber ich begnüge mich auch, zu schweigen und zu weinen. Mache es wie ich oder geh' deine Wege.«
Da sie trotzdem ihre Theorie immer noch weiter auseinandersetzen wollte, schob er sie auf etwas heftigere Weise, als woran sie gewöhnt war, nach der Thür und beschleunigte ihr Hinausgehen durch eine Bewegung mit dem Fuß die man eher von einem Lazzarone erwartet, als von einem König.
Der junge Prinz starb zur großen Verzweiflung seines Vaters. Was Caroline betraf, so benügte sie sich, um ihn zu trösten, die Worte der Spartanerin zu citieren, welche den armen König noch niemals gehört und deren erhabenen Stoicismus er nicht zu würdigen wußte:
»Als ich ihn zur Welt gebar, wußte ich, daß er bestimmt sei, einmal zu sterben.«
Man begreift, daß zwei Individuen von so entgegengesetzten Charakteren nicht in gutem Einvernehmen miteinander bleiben konnten. Obschon daher zwischen Ferdinand und Caroline nicht dieselben Ursachen in Bezug auf Unfruchtbarkeit vorhanden waren, wie zwischen Ludwig dem Sechzehnten und Marie Antoinette, so glänzte doch der Anfang ihrer später an Kindern so gesegneten Ehe nicht durch Fruchtbarkeit.
Ein Blick auf die von Pozzo verfaßte Genealogie dieses Regentenhauses zeigt uns, daß das erstgeborne Kind Ferdinands und Carolinens die junge Prinzessin Marie Theresia war, welche im Jahre 1772 geboren, 1790 Erzherzogin, 1792 Kaiserin ward und 1803 starb.
Es waren sonach vier Jahre vergangen, ohne daß die Verbindung Früchte getragen hätte. Allerdings holte von diesem Augenblick an die Zukunft das, was die Vergangenheit versäumt, wieder ein.
Dreizehn Prinzen und Prinzessinnen bezeugten, daß die Annäherungen der beiden Gatten beinahe ebenso häufig waren, als ihre Zwistigkeiten.
Es ist daher wahrscheinlich, daß, wenn auch ein instinctartiges Gefühl von Widerwillen die Königin anfangs von ihrem Gemahl entfernte, doch politische Berechnung sie ihm bald wieder näherte. Eine junge, schöne, feurige Frau, wie die Königin war, besaß von dem Augenblick an, wo sie das Temperament ihres Gatten studiert, stets ein Mittel, um ihn zu bewegen, das zu thun, was sie wollte.
Ferdinand konnte selbst einer Maitresse nie etwas abschlagen, wie viel weniger seiner Frau, und was für einer Frau – das heißt einer der verführerischsten, die es jemals gegeben.
Das, was anfangs ganz besonders beigetragen hatte, diese feine, gefühlvolle Natur von jener grobsinnlichen und gemeinen zu entfernen, war Ferdinands Vorliebe für die Manieren eines Lazzarone.
So ließ er sich zum Beispiel jedesmal, wo er im Theater San Carlo die Oper anhörte, in seiner Loge ein Souper auftragen. Dieses mehr nahrhafte als delicat Souper wäre ohne Schüssel nationale Maccaroni unvollständig gewesen. Dennoch aber waren es weniger die Maccaroni an und für sich, was der König schätzte, als vielmehr der volksthümliche Triumph, den eine Art, sie zu speisen, ihm bereitete.
Die Lazzaroni entwickeln nämlich beim Verschlucken dieses Gerichts eine ganz besondere Handfertigkeit, welche sie der Verachtung verdanken, welche sie gegen den Gebrauch der Gabel hegen. Nun aber ermangelte Ferdinand, der in jeder Beziehung etwas darin suchte, der König der Lazzaroni zu sein, niemals, seine Schüssel vom Tische zu nehmen, damit an die Brüstung der Loge zu treten, und unter dem lauten Beifallruf des Parterre seine Maccaroni nach Art Polichinell's, des Schutzpatrons der Maccaroniesser, zu verzehren.
Eines Tages, als er dieses Kunststück in Gegenwart der Königin ausgeführt und mit Beifall überschüttet worden, konnte die Königin sich nicht mehr beherrschen. Sie erhob sich und verließ die Loge, indem sie zugleich ihre bei den Damen, die San Marco und die San Clemente, durch einen Wink aufforderte, ihr zu folgen.
Als der König sich umdrehte, fand er die Loge leer.
Dennoch aber erzählt die Geschichte von einem Vergnügen dieser Art, welches Caroline theilte. Damals aber liebte sie noch mit ihrer ersten Liebe und war eben so schüchtern, wie sie später keck ward. Sie hatte in der Maskerade mit entblößtem Gesichte, welche wir sogleich erzählen werden, ein Mittel gefunden, sich dem schönen Fürsten Caramanico zu nähern, welchen wir so frühzeitig in Palermo sterben sahen.
Der König hatte ein Regiment errichtet, welches er oft zu seinem Vergnügen manövrieren ließ und seine Liparoti nannte, weil die Soldaten, aus welchen es zusammengesetzt war, fast sämmtlich von den liparischen Inseln stammten.
Wir haben bereits früher erwähnt, daß Caramanico als Capitän in diesem Regiment diente, dessen Oberst der König selbst war.
Eines Tages befahl der König eine große Revue seines privilegierten Regimentes in der Ebene von Portici, am Fuße des Vesuves, dieser ewigen Vernichtung und Todesdrohung.
Man schlug prachtvolle Zelte auf, unter welche man aus dem königlichen Schloß Weine aller Länder und Eßwaaren aller Gattungen transportierte.
Eines dieser Zelte ward von dem König eingenommen, der das Costüm eines Schenkwirthes, das heißt eine kurze Jacke und Beinkleider von weißer Leinwand, trug. Auf dem Kopf trug er die traditionelle baumwollene Mütze und um die Lenden einen Gürtel von rother Seide, worin anstatt des Degens, womit Vatel sich die Kehle abschnitt, ein ungeheures Küchenmesser stak.
Nie hatte der König sich behaglicher gefühlt als in diesem Costüm, und er hätte es gern sein ganzes Leben lang beibehalten.
Zehn bis zwölf Kellner, die eben so gekleidet waren wie er, hielten sich bereit, den Befehlen ihres Herrn zu gehorchen und Officiere zu bedienen. Es waren dies die ersten Cavaliere des Hofes, die Aristokratie des goldenen Buchs von Neapel.
Das andere Zelt war für die Königin bestimmt.