»Ja, mein Herr, hier ist sie.«
« »Gebt sie mir und kommt morgen zu derselben Stunde wieder. Ich werde sie Euch, mit der Randbemerkung des Königs versehen wieder zurückgeben.«
»Und ich,« sagte die Witwe, »ich habe blos drei fette Truthühner, wenn Sie aber dies für mich thun, so gehören die drei Truthühner Ihnen.«
»Nun dann kommt morgen mit euren drei Truthühnern wieder, gute Frau, und eure Bittschrift soll erledigt werden.«
Die Witwe fand sich pünktlich ein, aber nicht pünktlicher als der König selbst. Ferdinand hatte die Bittschrift in der Hand, die Frau die drei Truthühner. Er nahm die drei Hühner und die Frau die Bittschrift in Empfang.
Während der König die Hühner betastete, um zu sehen, ob sie wirklich so fett wären, wie die Frau gesagt, schlug die gute Frau die Bittschrift auseinander, um zu sehen, ob dieselbe wirklich mit der Randbemerkung des Königs versehen wäre.
Jedes hatte treulich Wort gehalten. Die Frau entfernte sich nach ihrer Richtung, der König nach der seinigen.
Der König trat in das Zimmer der Königin, während er seine drei Hühner an den Pfoten festhielt. Da Marie Caroline das sich in den Händen ihres Gemahls sträubende Geflügel mit verwundertem Blick betrachtete, sagte er:
»Nun, meine liebe Schulmeisterin, Sie sagen immer, ich taugte zu nichts und würde, wenn ich nicht König wäre, nicht wissen, womit ich mein Brod verdienen sollte. Hier aber bringe ich drei Hühner, welche man mir für eine Unterschrift geschenkt hat.«
Und er erzählte der Königin das ganze Abenteuer.
»Die arme Frau!« sagte die Königin, als er mit seiner Erzählung fertig war.
»Warum arme Frau?«
»Weil sie ein schlechtes Geschäft gemacht hat. Glauben Sie denn, daß der Berichterstatter sich an Ihre Signatur kehren werde?«
»Daran habe ich auch gedacht,« sagte Ferdinand mit schelmischem Lächeln, »aber ich habe meine Idee.«
Die Königin hatte wirklich Recht. Die Empfehlung ihres Gemahls äußerte auf den Berichterstatter nicht die mindeste Wirkung und der Prozeß hatte keinen schnelleren Fortgang als vorher. Die Witwe kam wieder nach Caserta und da sie den Namen des Officiers, der ihr jenen Dienst geleistet, nicht kannte, so fragte sie nach dem Manne, welchem sie drei Truthühner gegeben.
Das Abenteuer war in weiteren Kreisen bekannt geworden und man meldete dem König, daß die Klägerin da sei.
Der König ließ sie eintreten.
»Nun, gute Frau,« sagte er zu ihr, »Ihr kommt wohl, um mir zu melden, daß euer Prozeß entschieden ist?«
»Nein, damit ist es nichts!« sagte sie. »Der König muß in keinem großen Ansehen stehen, denn als ich dem Berichterstatter meine Bittschrift mit der Randbemerkung Seiner Majestät übergab, sagte er: »Schon gut, schon gut; wenn der König so große Eile hat, so wird er es machen wie die Andern, nämlich warten. Wenn Sie daher, setzte die Bäuerin hinzu, »ein gewissenhafter Mann sind, so werden Sie mir meine drei Hühner zurückgeben oder wenigstens bezahlen.«
Der König fing an zu lachen.
»Wiedergeben kann ich sie bei dem besten Willen von der Welt nicht, sagte er; »wohl aber kann ich sie Euch bezahlen.«
Mit diesen Worten nahm er sämmtliche Goldstücke, die er in der Tasche hatte, heraus und gab sie der Frau.
»Was euren Berichterstatter betrifft, setzte er hinzu, »so haben wir heute den 25. März, Ihr werdet aber sehen, daß euer Prozeß schon in der ersten Aprilsitzung entschieden wird.«
In der That, als der Berichterstatter am letzten Tage dieses Monats erschien, um sich seinen Gehalt auszahlen zu lassen, ward ihm im Namen des Königs von dem Schatzmeister gesagt: »Seine Majestät haben befohlen, daß Ihr Gehalt Ihnen nicht eher ausgezahlt werde, als bis der Prozeß, den er Ihnen die Ehre erzeigt, Ihnen zur Beschleunigung zu empfehlen, entschieden sein wird.«
Ganz wie der König vorausgesehen, ward der Prozeß auch wirklich in der ersten Gerichtssitzung entschieden.
So erzählte man von dem Könige in Neapel noch eine Menge derartige Anecdoten, von welchen wir uns begnügen werden, zwei oder drei mitzutheilen.
Eines Tages, als er in dem Walde von Persano jagte, wobei er dieselbe Uniform trug wie sein Gefolge, traf er eine alte Frau, welche schluchzend an einen Baum gelehnt stand.
Er redete sie an und fragte sie, was ihr fehle.
»Ich bin Witwe und habe sieben Kinder, antwortete sie. »Meine ganze Habe besteht in einem kleinen Ackerfeld, und dieses kleine Feld ist mir durch die Hunde und die Piqueurs des Königs verwüstet worden.«
Achselzuckend und mit erneuertem Schluchzen setzte sie dann hinzu:
»Es ist sehr hart, Unterthan eines Mannes zu sein, welcher um des Vergnügens einer Stunde willen kein Bedenken trägt, eine ganze Familie zu ruinieren. Ich frage Sie: Warum verwüstet dieser Tölpel mein Feld?«
»Was Ihr da sagt, ist sehr richtig, liebe Frau,« antwortete Ferdinand, »und da ich im Dienste des Königs stehe, so werde ich ihm eure Beschwerde vortragen, aber dabei natürlich die beleidigenden Ausdrücke verschweigen, deren Ihr Euch soeben bedient habt.«
»Meinetwegen sage ihm, was Du willst, fuhr die Frau immer erbitterter fort. »Von einem solchen Egoisten hab ich nichts Gutes zu erwarten und er kann mir nicht mehr Schaden zufügen, als er mir schon zugefügt hat.«
»Na, darauf kommt weiter nichts an,« sagte der König. »Jetzt zeigt mir wenigstens euer Feld, damit ich beurtheilen kann, ob es wirklich so sehr verwüstet ist, wie Ihr sagt.«
Die Witwe führte ihn nach ihrem Felde. Die Früchte desselben waren in der That von Menschen, Pferden und Hunden niedergetreten und zerstampft, so daß die ganze Ernte verloren war.
Der König sah einige Bauern in der Nähe, rief sie herbei und forderte sie auf, den Schaden, welchen die Witwe erlitten, gewissenhaft abzuschätzen.
Sie taxierten ihn auf zwanzig Ducaten. Der König suchte in seiner Tasche. Er fand darin sechzig.
»Hier,« sagte er zu den beiden Bauern, »hier sind zwanzig Ducaten, die ich Euch als Taxationsgebühren schenke. Was die übrigen vierzig betrifft, so gehören sie dieser armen Frau. Wenn die Könige Schaden anrichten, so können sie nicht weniger thun, als daß sie dafür doppelt so viel bezahlen, als ein einfacher Privatmann bezahlen würde.«
Ein andermal reist eine Frau, deren Mann zum Tode verurtheilt worden, auf den Rath des Advocaten, welcher den Verurtheilten vertheidigt hat, von Aversa ab und kommt zu Fuße nach Neapel, um die Begnadigung ihres Mannes zu erbitten. Es war durchaus nicht schwer in die Nähe des Königs zu gelangen, welcher fortwährend zu Fuß oder zu Pferde in der Toledostraße oder an der Chiaja herumpromenirte.
Diesmal aber war er zum Unglücke oder vielmehr zum Glücke für die Bittstellerin weder im Palaste, noch in Chiaja, noch in Toledo. Er befand sich vielmehr in Capodimonte. Es war gerade die Zeit der Feigendrosseln und sein Vater, Carl der Dritte, hatte das Schloß, welches über zwölf Millionen gekostet, einzig und allein zu dem Zwecke bauen lassen, einen gut gelegenen Ort zur Jagd auf dieses von den Feinschmeckern so geschätzte kleine Wild zu haben.
Die arme Frau war todtmüde, denn sie hatte in schnellem Laufe fünf Meilen zurückgelegt. Sie erschien an der Thür des königlichen Palastes und als sie erfuhr, daß Ferdinand in Capodimonte wäre, bat sie den Commandanten des Palastes um die Erlaubniß, die Rückkehr des Königs erwarten zu dürfen.
Der Commandant ward von Mitleid ergriffen, als er ihre Thränen sah und die Ursache derselben erfuhr. Er bewilligte ihr daher ihr Verlangen. Sie setzte sich auf die erste Stufe der Treppe, auf welcher der König in den Palast heraufkommen mußte.
Wie groß aber auch ihre Angst und Unruhe war, so war die Ermüdung doch noch stärker, und nachdem sie einige Stunden gegen den Schlaf gekämpft, sank sie endlich mit dem Kopfe an die Mauer, schloß die Augen und schlief ein.
Kaum