Da mußte sie wider Willen doch mitlachen.
»Wat sä de Pastur denn Godes, Klaus?« fragte der Knecht. »Hette ok beet, dat dat Is bald doldrifft un wi no See seilen könnt?«
»Jo, dat segg man«, sagte Klaus und riß grimmig an seiner Kurre. »Ick wull, dor keum mol Westenwind achter!«
Er blickte über die Schallen, auf denen die Fleek, das dicke Eis, schon seit Fastelabend lag. Bis an den Nienstedter Fall, bis in die Mitte der Elbe stand es noch, zwar schwärzlich und mürbe, aber es hing doch noch zusammen. Dagegen war das Fahrwasser drüben schon fast frei von Eis, dort trieben nur noch große und kleine Schollen. Dort segelten denn auch schon die Fischerfahrzeuge vom Audeich, dem anderen Ende des Eilandes, dort kreuzten schon die Dreuchewer und Jalken, dort fischten schon die Altenwerder Jollen nach Stinten und Sturen und die Hamburger Smietnettfischer nach Butten, während das Neßgeschwader, das aus dreißig Ewern, neun Kuttern, sieben Wattjollen, einigen fünfzig Elbjollen und Booten bestand, noch im Eise festsaß und nicht mitkonnte. Die Auer und Blankeneser kamen schon mit den ersten lebendigen Schollen die Elbe herauf, einige hatten schon große Reisen nach der Weser gemacht. Klaus Mewes aber und seine Nachbarn saßen noch fest. Wenn der Eisbrecher binnen Wasser genug gehabt hätte, wäre ihnen längst geholfen gewesen, aber der große Beißer konnte nur eben den Rand ein wenig glattfressen.
Klaus Mewes sah, daß zwei weiße Kutter von einem kleinen Schlepper von Blankenese heraufbugsiert wurden, die sicherlich den Bünn voller Schollen hatten, und kam sehr in Fahrt. Seine Gedanken zertrümmerten das Eis und brachen sich einen Weg nach dem offenen Wasser.
»Kap Horn, wat meenst dorto, wenn wi sülben Isbreker speelt?« rief er.
»Wat seggst du, Klaus? Du wullt en Isbreker utgeben?« fragte der alte Janmaat, der gerade mit brausendem Monsun in den Segeln zwischen dem Kap der Guten Hoffnung und Singapur schipperte und deshalb nicht zugehört hatte.
»Wi weut di bi Isbrekers«, warf Störtebeker laut dazwischen, »swarten Kaffee schallst du hebben!« Klaus aber hatte seinen Plan schon unter Segeln. »Wi möt allemann bi«, rief er. »Hütz mitte Mütz, Lütjfischers un Seefischers, Schippers und Lüd! Wi stekt uns beiden Kurrlienens ut un spannt uns alltohop vör un denn teht wi an! Schallst mol sehn, wo gau wi denn not Fohrwoter raf kommt!«
»Jä!«
»Wat jä? Meenst, wat wi ne soveel Hölpslüd uppen Hümpel kriegt?« fragte der Schiffer.
»Ik hilp ok mit«, versicherte der Junge wichtig, »ik kann wat tehn, Vadder!«
»Du bliffst hier, Klaus«, kam es aber mit Gegenwind vom Ofen her. »Meenst du, wat du dor ünnert Is kommen schallst!«
An Hilfsleuten würde es wohl nicht fehlen, gab der Knecht zu, aber wer würde sein Fahrzeug zum Eisbrecher machen wollen? Das sei der Knoten!
Der am weitesten im Eis stecke, erwiderte Klaus. Er selbst! Er wolle es wagen, sein Ewer sei einer der stärksten und könne es am besten ab, er wolle gleich am andern Morgen alles klarmachen, und Kap Horn solle dann den Deich abklopfen und es aussingen, daß die Eisbrecherei mit Hochwasser anfangen solle. »Denn könnt wi offermorgen all up de Schullen dol, Mudder!«
»Huroh, offermorgen geiht no See!« rief der Junge, warf die Bunge hin und machte, daß er hinauskam. In voller Fahrt lief er den Deich entlang, daß die Enten im Graben ein lautes Gequark anstimmten und sich erst nach und nach von dem grünköpfigen Wart beruhigen ließen: Wat, wat hebbt ji egentlich, dat, dat is de Jung doch jo bloß, so schnatterte der Wart.
»Du kummst ober noch ne mit«, wollte Klaus gerade sagen, aber er kam gar nicht mehr dazu. Der Junge war schon um die Huk, er hörte auch nicht mehr, daß Gesa laut ans Fenster klopfte und ihn zurückrufen wollte.
»Wat will he? All Bescheed seggen?« fragte Kap Horn lachend, aber sein Schiffer lachte noch lauter und sagte: »De? Ne, de will no den Schoster hin un sien Seestebeln holen. Wenn de klor sünd, schall he jo mit an Burd, un he will woll all gliek de irste Reis giern mit.«
»Dor hest du ok wat scheunes mokt, Klaus«, sagte Gesa kopfschüttelnd, »dat du ein de Stebeln anmeten loten hest! He löppt elken Dag söbenmal hin und kött an! De Schoster seggt, he kann em all gorne mihr hinholen.«
»Jä – du liebe Zeit«, erwiderte er, »endlich will de Bur de Koh betohlt hebben und de Jung will toletzt ok mol sien Stebeln hebben. De Schoster kanns ok jo man klor moken, denn hett he jo wedder sien geruhigten Nachten.«
»Un denn?«
»Denn nehm ik den Jungen mit no See, Mudder, dat weest du jo, dor is jo all genog ober snackt worden«, sagte er sicher.
Sie war aufgestanden und erwiderte mit erregter, heiserer Stimme: »Un ik segg di soveel, Klaus Mees, du kriegst den Jungen ne mit no See. Wenn he noher grot is un ut de Schol, denn nimm em in Gotts Nomen hin, denn will ik nix mihr ober em to seggen hebben. Aber so lang hürt he mi, mien Mudderrecht lot ik mi ne nehmen! Is genog, wat ik em soveel uppe Ilw loten mütt: no See schall he noch ne!«
»Geef di, Gesa«, beschwichtigte Klaus gelassen, während Kap Horn, der zu dem Streit nichts sagen wollte, heimlich aus der Tür ging und mal über den Westerdeich guckte. »De Jung kummt düssen Sommer mit no See, dat is so gewiß as de Heben. He schall bitieds seefast warrn!«
»Ik lied dat ne un lied dat ne!« beharrte sie leidenschaftlich. »Du hest en reinen Vogel mit dienen Jungen, weest dat? Keen een van de Seefischers nimmt son lütjen Boitel all mit an Burd, de kum en Büx mit Verstand dregen kann.«
Er machte geruhig seine Maschen. »De hebbt ok ne son Jungen as ik«, sagte er. »Lot mi man, Gesa. Ik bün en rechten Fischermann un will en rechten Fischerjungen ut em moken, un ut di will ik ok wat rechts moken, Diern! Weest, wat dat is?«
Sie gab keine Antwort.
»En rechte Fischerfro, Gesa! Weest du wat, Diern? Du geihst ok mit no See, man to, denn wardt irst mooi! Kiek di mien Fischeree mol mit egen Ogen an!«
Sie schüttelte starr den Kopf: »Dat kann ik ne, Klaus! Wenn ik dat kunn, denn harr ik dat vullicht all lang don, ober ik kannt ne!«
»Dat kummt uppen Verseuk an«, erwiderte er. »Goh man mol mit, un du schallst mol sehn: Buten ist en barg beter as binnen!«
»Klaus, gläuf mi dat doch to: Ik kann dat ne, ik warr seekrank und starf di all vör Angst. Mi grot to dull vört Woter!«
»Jo, du büst en grote Bangbüx«, schalt er, dann aber tat ihm sein herber Ton leid, und er tröstete: »Ober dat schall sik woll noch all geben, mien Diern, paß man up, du warst noch en gode Fischerfro, de Banghaftigkeit gifft sik mit de Johren.«
»Ne, de gifft sik ne, dat weet ik«, sagte sie tonlos und ging aus der Stube, weil ihr die Tränen kommen wollten.
Da blieb der große Seefischer allein bei seinen Kurren, aber er ließ sich den klaren Sinn auch durch die Stille nicht verwirren und ging nicht von seinem Kurs ab. Kap Horn kam herein und nahm seine Arbeit schweigend auf.
»De Jung kummt doch mit no See«, ließ Klaus Mewes sich vernehmen. Dann blickte er nach seinem Ewer und wartete auf Kap Horns Meinung.
»Klaus, ik will di mol wat seggen: Ik kunn dien Vadder sien. Als du geborn weurst, do krüz ik all bi Kap Horn rum un greep Albatrossen! De Mudder hett noch en Recht op den Jungen!«
»Och wat!« fiel Klaus ihm barsch ins Wort. »Ik hebb dat eenmol seggt un dorbi blifft dat: He kummt mit an Burd! Bi de Dierns geiht dat no de Mudder, ober bi de Jungens geiht dat no den Vadder! Sien Mudder seh jo upt leefst, wenn he Schoster oder Snieder warrn dä un keen anner Woter to sehn kreeg as dat innen Teeputt. Un wenn wi blieben schulln, Kap Horn, denn mokt se ok en Schoster oder Snieder ut em. Ober man keen Bang, Klaus Mees kann ne blieben!«
Der alte Knecht erhob warnend die Hand.
»Dat hett dien Vadder ok dacht oder seggt, Klaus Mees, un he is doch ne wedderkommen mit sien Ewer!«
Aber Klaus Mewes, der seinen Ewer für den besten von der Elbe hielt und sich für den besten Fischermann, blieb dabei, daß er nicht bleiben könne. Das war sein Wort von jeher gewesen, und seine gewisse, sturmgewohnte,