Till Eulenspiegel. Hermann Bote. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hermann Bote
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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gern von dannen gegangen, konnte aber mit Anstand nicht ohne weiteres davonkommen. Wenn sie gegen die Feinde auszogen, so blieb er stets zurück und war immer der letzte zum Tore hinaus. Wenn sie den Streit beendet hatten und wieder heimkehrten, war er immer der erste zum Tore hinein. Da fragte ihn der Graf, wie er das verstehen sollte: wenn er mit ihm gegen die Feinde auszöge, so sei er stets der letzte, und wenn man heimzöge, sei er der erste. Eulenspiegel sprach: »Ihr solltet mir darüber nicht zürnen. Denn wenn Ihr und Euer Hofgesinde schon aßet, saß ich auf dem Turm und hungerte; davon bin ich kraftlos geworden. Soll ich nun der erste an den Feinden sein, so müßte ich die Zeit wieder einholen und besonders eilen, daß ich auch der erste an der Tafel und der letzte beim Aufstehen sei, damit ich wieder stark werde. Dann will ich wohl der erste und der letzte an den Feinden sein.«

      »So höre ich wohl« sprach der Graf, »daß du es nur so lange bei mir aushalten wolltest, als du auf dem Turme saßest?« Da sagte Eulenspiegel: »Was jedermanns Recht ist, das nimmt man ihm gern.« Und der Graf sprach: »Du sollst nicht länger mein Knecht sein«, und gab ihm den Laufpaß. Darüber war Eulenspiegel froh, denn er hatte nicht viel Lust, jeden Tag mit den Feinden zu fechten.

      Die 22. Historie sagt, wie Eulenspiegel ein Brillenmacher wurde und in allen Landen keine Arbeit bekommen konnte.

      Zornig und zwieträchtig waren die Kurfürsten untereinander, so daß kein römischer Kaiser oder König gewählt wurde. Endlich wurde der Graf von Supplinburg von allen Kurfürsten zum römischen König gekoren. Es waren aber auch andere da, die meinten, sie könnten mit Gewalt in das Reich eindringen. So mußte sich der neu gekorene König sechs Monate vor Frankfurt legen und warten, ob ihn jemand von dort hinwegschlüge.

      Als er nun soviel Volk zu Roß und Fuß beieinander hatte, überlegte Eulenspiegel, was es für ihn da zu tun gäbe: Dahin kommen viele fremde Herren, die lassen mich nicht unbeschenkt; werde ich in den Kreis ihres Gefolges aufgenommen, so stehe ich mich gut. Und er machte sich auf den Weg dorthin.

      Da zogen die Herren aus allen Landen heran. Und es begab sich in der Wetterau bei Friedberg, daß der Bischof von Trier mit seinem Gefolge Eulenspiegel auf dem Weg nach Frankfurt begegnete. Weil er seltsam gekleidet war, fragte ihn der Bischof, was er für ein Geselle sei. Eulenspiegel antwortete und sagte: »Gnädiger Herr, ich bin ein Brillenmacher und komme aus Brabant. Aber da ist nichts für mich zu tun; darum wandere ich nach Arbeit. Mit unserm Handwerk steht es schlecht.« Der Bischof sprach: »Ich glaubte, mit deinem Handwerk müßte es von Tag zu Tag besser werden. Die Leute werden doch von Tag zu Tag kränker und können schlechter sehen, weshalb man vieler Brillen bedarf.«

      Eulenspiegel antwortete dem Bischof und sagte: »ja, gnädiger Herr, Euer Gnaden sprechen wahr, aber eine Sache verdirbt unser Handwerk.« Der Bischof fragte: »Was ist das?« Eulenspiegel sprach: »Darf ich das sagen, ohne daß Euer Gnaden mir deshalb zürnen?« »Ja«, sagte der Bischof, »wir sind das wohl gewohnt von dir und deinesgleichen. Sag‘s nur frei heraus und scheue nichts!« »Gnädiger Herr, das verdirbt das Brillenmacherhandwerk, und es ist zu befürchten, daß es noch ausstirbt: daß Ihr und andere große Herren, Papst, Kardinal, Bischof, Kaiser, König, Fürst, Rat, Regierer und Richter der Städte und Länder (Gott erbarm‘s!) zu dieser Zeit durch die Finger sehen, was recht ist, und das nur um des Geldes und der Gaben willen. Aber man findet geschrieben, daß vor alten Zeiten die Herren und Fürsten, soviel es ihrer gab, in den Rechtsbüchern zu lesen und zu studieren pflegten, auf daß niemandem Unrecht geschehe. Dazu brauchten sie viele Brillen, und da ging‘s unserm Handwerk gut. Auch studierten die Pfaffen damals mehr als jetzt; so gingen die Brillen hinweg. Jetzt sind sie so gelehrt geworden von den Büchern, die sie kaufen, daß sie das auswendig können, was sie für ihre Verhältnisse brauchen. Ihre Bücher aber schlagen sie in vier Wochen nicht mehr als einmal auf. Deshalb ist unser Handwerk verdorben, und ich laufe aus einem Land in das andere und kann nirgends Arbeit finden. Der Niedergang ist so weit verbreitet, daß dies die Bauern auf dem Land auch schon zu tun pflegen und durch die Finger sehen.« Der Bischof verstand den Text ohne Glosse und sprach zu Eulenspiegel: »Folge uns nach Frankfurt, wir wollen dir unser Wappen und unsere Kleidung geben.« Das tat Eulenspiegel und blieb bei dem Herrn so lange, bis der Graf als Kaiser bestätigt war. Dann zog er wieder nach Sachsen.

      Die 23. Historie sagt, wie Eulenspiegel seinem Pferd goldene Hufeisen aufschlagen ließ, die der König von Dänemark bezahlen mußte.

      Eulenspiegel war ein solcher Hofmann geworden, daß der Ruf seiner Trefflichkeit vor manchen Fürsten und Herren kam und daß man vieles von ihm zu erzählen wußte. Das mochten die Herren und Fürsten wohl leiden und gaben ihm Kleider, Pferde, Geld und Kost. So kam er auch zu dem König von Dänemark. Der hatte ihn sehr gern und bat ihn, etwas Abenteuerliches zu tun, er wolle ihm auch sein Pferd mit dem allerbesten Hufbeschlag beschlagen lassen. Eulenspiegel fragte den König, ob er seinen Worten glauben könne. Der König bejahte das, wenn er nach seinen Worten täte.

      Da ritt Eulenspiegel mit seinem Pferde zum Goldschmied und ließ es mit goldenen Hufeisen und silbernen Nägeln beschlagen. Dann ging er zum König und bat, daß er ihm den Hufbeschlag bezahlte. Der König sagte ja und wies den Schreiber an, den Beschlag zu bezahlen. Nun meinte der Schreiber, es sei ein schlichter Hufschmied zu bezahlen. Aber Eulenspiegel brachte ihn zu dem Goldschmied, und der Goldschmied wollte hundert dänische Mark haben. Der Schreiber wollte das nicht bezahlen, ging hin und sagte das dem König,

      Der König ließ Eulenspiegel holen und sprach zu ihm: »Eulenspiegel, was für einen teuren Hufbeschlag ließest du machen? Wenn ich alle meine Pferde so beschlagen ließe, müßte ich bald Land und Leute verkaufen. Das war nicht meine Meinung, daß man das Pferd mit Gold beschlagen ließe.« Eulenspiegel sagte: »Gnädiger König, Ihr sagtet, es sollte der beste Hufbeschlag sein, und ich sollte Euern Worten nachkommen. Nun dünkt mich, es gebe keinen besseren Beschlag als von Silber und Gold.« Da sprach der König: »Du bist mir mein liebster Hofmann, du tust, was ich dich heiße.« Und fing an zu lachen und bezahlte die hundert Mark für den Hufbeschlag.

      Da ließ Eulenspiegel die goldenen Hufeisen wieder abreißen, zog vor eine Schmiede und ließ sein Pferd mit Eisen beschlagen. Bei dem König blieb er bis zu dessen Tod.

      Die 24. Historie sagt, wie Eulenspiegel den Schalksnarren des Königs von Polen mit grober Schalkheit überwand.

      Bei dem hochgeborenen Fürsten Kasimir, König von Polen, war ein Abenteurer, der voller seltsamer Schwänke und Gauklereien war und gut auf der Fiedel spielen konnte. Eulenspiegel kam auch nach Polen zu dem König. Dieser hatte schon viel von Eulenspiegel sagen gehört, der ihm ein lieber Gast war. Der König hätte ihn und seine Abenteuer schon lange gerne gesehen und gehört. Aber auch seinen Spielmann hatte er sehr gern. Nun kamen Eulenspiegel und des Königs Narr zusammen. Da geschah es, wie man sagt: zwei Narren in einem Haus tun selten gut.

      Des Königs Schalksnarr konnte Eulenspiegel nicht leiden, und Eulenspiegel wollte sich nicht vertreiben lassen. Das merkte der König, und er ließ sie beide in seinen Saal kommen. »Wohlan«, sprach er, »wer von euch beiden den abenteuerlichsten Narrenstreich tut, den ihm der andere nicht nachmacht, den will ich neu kleiden und will ihm zwanzig Gulden dazu geben. Und das soll jetzt in meiner Gegenwart geschehen.«

      Also rüsteten sich die beiden für ihre Torheiten und trieben viel Affenspiel mit krummen Mäulern und seltsamen Reden und was einer sich ausdenken konnte, um den anderen zu übertreffen. Aber was des Königs Narr tat, das tat ihm Eulenspiegel immer nach, und was Eulenspiegel tat, das tat ihm der Narr nach. Der König und seine Ritterschaft lachten, und sie sahen mancherlei Abenteuerliches. Sie waren gespannt darauf, wer das Kleid und die zwanzig Gulden gewinnen würde.

      Da dachte Eulenspiegel: zwanzig Gulden und neue Kleidung, das ist schon sehr gut; ich will darum etwas machen, was ich ungern tue. Und er sah wohl, was des Königs Meinung war: daß es ihm gleich sei, wer von ihnen den Preis gewönne. Da ging Eulenspiegel mitten in den Saal, hob sich hinten auf und schiß mitten in den Saal einen Haufen. Dann nahm er einen Löffel, teilte den Dreck genau in der Mitte, rief den anderen und sprach: »Narr, komm her, und tu mir die Schalkheit nach, die ich dir vormachen will!« Und er nahm den Löffel, faßte den halben Dreck damit und aß ihn auf. Dann bot er den Löffel dem Schalksnarren und sprach: »Sich her, iß du die andere Hälfte! Danach mach auch du einen Haufen, teile ihn auseinander,