Till Eulenspiegel. Hermann Bote. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hermann Bote
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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gibt Brot. Als Eulenspiegel den Doktor betrogen hatte, kam er danach gen Halberstadt. Er ging auf dem Markt umher und sah, daß es ein harter und kalter Winter war. Da dachte er: der Winter ist hart, und der Wind weht dazu scharf; du hast doch oft gehört: Wer Brot hat, dem gibt man Brot. Und er kaufte für zwei Schillinge Brot, nahm einen Tisch und stellte sich vor dem Dom von Sankt Stephan auf. Er hielt sein Brot feil und trieb solange Gauklerei, bis ein Hund kam, ein Brot vom Tisch nahm und damit den Domhof hinauflief. Eulenspiegel lief dem Hund nach. Unterdessen kam eine Sau mit zehn jungen Ferkeln und stieß den Tisch um; ein jegliches Tier nahm ein Brot ins Maul und lief damit hinweg.

      Da fing Eulenspiegel an zu lachen und sagte: »Nun sehe ich klar, daß die Worte falsch sind, wenn man spricht: wer Brot hat, dem gibt man Brot. Ich hatte Brot, und das wurde mir genommen.« Und er sprach weiter: »O Halberstadt, Halberstadt, du führst deinen Namen mit Recht. Dein Bier und deine Kost schmecken wohl, aber deine Geldbeutel sind von Sauleder gemacht.« Und er zog wieder gen Braunschweig.

      Die 19. Historie sagt, wie Eulenspiegel immer ein falbes Pferd ritt und nicht gerne war, wo Kinder waren.

      Eulenspiegel war allezeit gern in Gesellschaft. Aber zeit seines Lebens gab es drei Dinge, die er floh.

      Erstens ritt er kein graues, sondern immer ein falbes Pferd, trotz des Spottes. Zweitens wollte er nirgends bleiben, wo Kinder waren, denn man beachtete die Kinder wegen ihrer Munterkeit mehr als ihn. Und drittens war er nicht gern bei einem allzu freigebigen Wirt zur Herberge. Denn ein solcher Wirt achtet nicht auf sein Gut und ist gewöhnlich ein Tor. Dort war auch nicht die Gesellschaft, von der Gewinn zu erwarten war usw.

      Auch bekreuzigte sich Eulenspiegel alle Morgen vor gesunder Speise, vor großem Glück und vor starkem Getränk. Denn gesunde Speise, das sei doch nur Kraut, so gesund es auch sein möge. Ferner bekreuzigte er sich vor der Speise aus der Apotheke, denn obwohl auch sie gesund sei, sei sie doch ein Zeichen von Krankheit. Und das sei das große Glück: wenn irgendwo ein Stein von dem Dach fiele oder ein Balken von dem Haus, pflege man zu sagen: »Hätte ich dort gestanden, so hätte mich der Stein oder der Balken erschlagen. Das war mein großes Glück.« Solches Glück wollte er gern entbehren. Das starke Getränk sei das Wasser. Denn das Wasser treibe mit seiner Stärke große Mühlräder, auch trinke sich mancher gute Geselle den Tod daran.

      Die 20. Historie sagt, wie ein Bauer Eulenspiegel auf einen Karren setzte, darin er Pflaumen zum Markt nach Einbeck fahren wollte, die Eulenspiegel beschiß.

      Die durchlauchtigen und hochgeborenen Fürsten von Braunschweig hielten einmal in der Stadt Einbeck ein Turnierfest mit Rennen und Stechen ab. Dazu kamen viele fremde Fürsten und Herren, Ritter und Knechte mit ihren Hintersassen. Das war im Sommer, als die Pflaumen und anderes Obst reif waren. In Oldendorf bei Einbeck lebte ein braver, einfältiger Bauersmann, der hatte einen Garten mit Pflaumenbäumen. Er ließ einen Karren voll Pflaumen pflücken und wollte damit nach Einbeck fahren, weil dort viel Volks war und er deshalb meinte, die Pflaumen besser zu verkaufen als zu anderen Zeiten.

      Als er vor die Stadt kam, lag da Eulenspiegel unter einem grünen Baum im Schatten. Er hatte sich am Hof der Herren so überfressen und betrunken, daß er weder essen noch trinken konnte und eher einem toten Menschen als einem lebendigen glich. Als nun der brave Mann an ihm vorbeifuhr, da redete Eulenspiegel den Mann so kläglich an, wie er es zuwege brachte, und sprach: »Ach, guter Freund, sieh her, ich liege hier so krank drei Tage und Nächte ohne aller Menschen Hilfe. Wenn ich noch einen Tag so liegen soll, muß ich vor Hunger und Durst sterben. Darum fahre mich um Gottes willen nach der Stadt.« Der gute Mann sprach: »Ach, lieber Freund, ich wollte das recht gern tun. Aber ich habe Pflaumen auf dem Karren. Wenn ich dich darauf setze, so machst du sie mir alle zuschanden.« Eulenspiegel sagte: »Nimm mich mit, ich will mich vorn auf dem Karren behelfen.«

      Der Mann war alt und mußte sich sehr anstrengen, ehe er den Schalk, der sich möglichst schwer machte, auf den Karren brachte. Um des Kranken willen fuhr der Bauer desto langsamer.

      Als nun Eulenspiegel eine Weile gefahren war, zog er das Stroh von den Pflaumen, erhob sich heimlich etwas hinter dem Rücken des Bauern und beschiß dem armen Mann die Pflaumen ganz schändlich. Dann zog er das Stroh wieder darüber.

      Als der Bauer an die Stadt kam, rief Eulenspiegel: »Halt, halt! Hilf mir von dem Karren, ich will hier draußen vor dem Tor bleiben!« Der gute Mann half dem argen Schalk von dem Karren und fuhr seine Straße weiter, den nächsten Weg zum Markt. Als er dort angekommen war, spannte er sein Pferd aus und ritt es in die Herberge.

      Indessen kamen viele Bürger auf den Markt. Unter ihnen war einer, der immer der erste war, wenn etwas auf den Markt gebracht wurde, und doch selten etwas kaufte. Der kam gleich hinzu, zog das Stroh halb herab und beschmutzte sich die Hände und den Rock. Währenddessen kam der Bauersmann wieder aus seiner Herberge. Eulenspiegel hatte sich inzwischen verkleidet, kam auch auf einem anderen Weg gegangen und fragte den Bauern: »Was hast du auf den Markt gebracht?« »Pflaumen«, sagte der Bauer. Eulenspiegel sprach: »Du hast sie als ein arger Schalk gebracht, die Pflaumen sind beschissen, man sollte dir mit den Pflaumen das Land verbieten.« Der Bauer sah nach, erkannte, daß es so war, und sagte: »Vor der Stadt lag ein kranker Mensch, der sah ebenso aus wie der, der hier steht. Nur hatte er andere Kleider an. Den fuhr ich um Gottes willen bis vor das Tor. Der Schuft hat mir den Schaden angetan.« Eulenspiegel sprach: »Der Schuft verdiente Prügel.«

      Der brave Mann aber mußte die Pflaumen wegfahren auf die Abfallgrube und durfte sie nirgends verkaufen.

      Die 21. Historie sagt, wie Eulenspiegel sich bei dem Grafen von Anhalt als Turmbläser verdingte; und wenn Feinde kamen, so blies er sie nicht an, und wenn keine Feinde da waren, so blies er sie an.

      Nicht lange danach kam Eulenspiegel zum Grafen von Anhalt und verdingte sich bei ihm als Turmbläser. Der Graf hatte viele Feindschaften und hielt deshalb in dem Städtchen und auf dem Schloß zu dieser Zeit viele Reiter und Hofvolk, die man alle Tage speisen mußte.

      Darüber wurde Eulenspiegel auf dem Turm vergessen, so daß ihm keine Speise gesandt wurde. Und am selben Tage kam es dazu, daß des Grafen Feinde vor das Städtlein und das Schloß ritten, die Kühe nahmen und sie alle hinwegtrieben. Eulenspiegel lag auf dem Turme, sah durch das Fenster und machte keinen Lärm, weder mit Blasen noch mit Schreien. Als die Nachricht von den Feinden vor den Grafen kam, damit er ihnen mit den Seinen nacheilte, sahen einige, daß Eulenspiegel auf dem Turm im Fenster lag und lachte. Da rief ihm der Graf zu: »Warum liegst du im Fenster und bist still?« Eulenspiegel rief herab: »Vor dem Essen rufe oder tanze ich nicht gern.« Der Graf rief ihm zu: »Willst du nicht die Feinde anblasen?« Eulenspiegel rief zurück: »Ich darf keine Feinde heranblasen, das Feld wird sonst voll von ihnen, und ein Teil ist schon mit den Kühen hinweg. Bliese ich noch mehr Feinde heran, sie schlügen Euch zu Tode.« Für diesmal blieb es bei den Worten.

      Der Graf eilte den Feinden nach und stritt mit ihnen. Und Eulenspiegel wurde erneut mit seiner Speise vergessen. Der Graf kehrte zufrieden zurück: er hatte seinen Feinden einen Haufen Rindvieh wieder abgenommen. Das schlachteten und zerlegten sie, sotten und brieten. Eulenspiegel dachte auf dem Turm, wie er auch etwas von der Beute erhielte, und gab darauf acht, wann es Essenszeit sein würde. Da fing er an zu rufen und zu blasen: »Feindio, Feindio!« Der Graf lief mit den Seinen eilends von dem Tisch, auf dem schon das Essen stand. Sie legten ihre Harnische an, nahmen die Waffen in die Hände und eilten sogleich dem Tore zu, um im Felde nach den Feinden Ausschau zu halten. Dieweil lief Eulenspiegel behend und schnell von dem Turm, kam über des Grafen Tisch und nahm sich von den Tafeln Gesottenes und Gebratenes und was ihm sonst gefiel; dann ging er schnell wieder auf den Turm. Als die Reiter und das Fußvolk hinauskamen, sahen sie keine Feinde und sprachen miteinander. »Der Türmer hat das aus Schalkheit getan« und zogen wieder heim, dem Tore zu.

      Der Graf rief zu Eulenspiegel hinauf: »Bist du unsinnig und toll geworden?« Eulenspiegel sprach: »Ich bin ohne Arglist. Aber Hunger und Not erdenken manche List.« Der Graf sagte: »Warum hast du ›Feindio‹ geblasen, obwohl keiner da war?« Eulenspiegel antwortete: »Weil keine Feinde da waren, mußte ich etliche heranblasen.« Da sprach der Graf: »Du krauest dich mit Schalksnägeln. Wenn Feinde da sind, willst du sie nicht anblasen, und wenn keine Feinde da sind, so bläst du sie an. Das könnte wohl Verräterei