Die 25. Historie sagt, wie Eulenspiegel das Herzogtum Lüneburg verboten wurde und wie er sein Pferd aufschnitt und sich hineinstellte.
Zu Celle im Lande Lüneburg verübte Eulenspiegel einen abenteuerlichen Schalksstreich. Darum verbot ihm der Herzog von Lüneburg das Land: wenn er darin gefunden wurde, sollte man ihn fangen und dann henken. Dennoch mied Eulenspiegel das Land nicht. Wenn ihn sein Weg dahin trug, so ritt oder ging er nichtsdestoweniger durch das Land, so oft er wollte.
Einmal begab es sich, daß Eulenspiegel durch das Lüneburger Land ritt. Da begegnete ihm der Herzog. Als Eulenspiegel sah, daß es der Herzog war, dachte er: ist es der Herzog und wirst du flüchtig, so holen sie dich mit ihren Gäulen ein und stechen dich vom Pferd; der Herzog kommt dann zornerfüllt und läßt dich an einen Baum hängen. Er faßte einen kurzen Entschluß, sprang von seinem Pferd ab und schnitt ihm rasch den Bauch auf. Dann schüttete er das Eingeweide heraus und stellte sich in den Rumpf.
Als der Herzog mit seinen Reitern an die Stelle geritten kam, wo Eulenspiegel in seines Pferdes Bauch stand, sagten die Diener zu dem Herzog: »Sehet, Herr, hier steht Eulenspiegel in eines Pferdes Haut.« Da ritt der Fürst zu ihm und sprach: »Eulenspiegel, bist du das? Was tust du in dem Aas hier? Weißt du nicht, daß ich dir mein Land verboten habe? Und wenn ich dich darin fände, so wollte ich dich an einen Baum hängen lassen?« Da sprach Eulenspiegel: »O gnädigster Herr und Fürst, ich hoffe, Ihr wollt mir das Leben schenken. Ich habe doch nichts so Übles getan, was des Henkens wert wäre!« Der Herzog sprach zu ihm: »Komm her zu mir und beweise mir doch deine Unschuld! Und was meinst du damit, daß du so in der Pferdehaut stehst?« Eulenspiegel kam hervor und antwortete: »Gnädigster und hochgeborener Fürst! Ich mache mir Sorge wegen Eurer Ungnade und fürchte mich gar sehr. Aber ich habe all mein Lebtag gehört, daß jeder Frieden haben soll in seinen vier Pfählen.« Da fing der Herzog an zu lachen und sprach: »Willst du nun auch künftig meinem Lande fernbleiben?« Eulenspiegel antwortete: »Gnädiger Herr, wie es Eure Fürstliche Gnaden will « Der Herzog ritt von dannen und sagte: »Bleib, wie du bist.«
Und Eulenspiegel sprang eilends aus dem toten Pferde und sprach zu ihm: »Hab Dank, mein liebes Pferd, du hast mir geholfen und mir mein Leben gerettet; und hast mir noch dazu wieder einen gnädigen Herren gemacht. Liege nun hier! Es ist besser, daß dich die Raben fressen, als daß sie mich gefressen hätten.« Und er lief zu Fuß davon.
Die 26. Historie sagt, wie Eulenspiegel im Lüneburger Land einem Bauern einen Teil seines Ackers abkaufte und darin in einem Sturzkarren saß.
Kurz danach kam Eulenspiegel wieder, ging bei Celle in ein Dorf und wartete darauf, daß der Herzog nach Celle ritte. Da ging ein Bauer auf seinen Acker. Eulenspiegel hatte ein anderes Pferd erworben und einen Sturzkarren. Er fuhr zu dem Bauern und fragte ihn, wessen Acker es sei, den er bestelle. Der Bauer sprach: »Er ist mein, ich hab ihn geerbt.« Da fragte Eulenspiegel, was er ihm für einen Schüttkarren voll Erde von dem Acker geben müßte. Der Bauer sprach: »Dafür nehme ich einen Schilling.« Eulenspiegel gab ihm einen Schilling in Pfennigen, warf den Karren voll Erde von dem Acker, kroch darein und fuhr vor die Burg von Celle an der Aller.
Als der Herzog geritten kam, wurde er Eulenspiegels gewahr, wie er in dem Karren saß, bis an die Schultern in der Erde. Da sprach der Herzog: »Eulenspiegel, ich hatte dir mein Land verboten. Wenn ich dich darin fände, wollte ich dich henken lassen.« Eulenspiegel sagte: »Gnädiger Herr, ich bin nicht in Euerm Land, ich sitze in meinem Land, das ich gekauft habe für einen Schilling. Ich kaufte es von einem Bauern, der mir sagte, es sei sein Erbteil.« Der Herzog sprach: »Fahr hin mit deinem Erdreich aus meinem Erdreich! Komm aber nicht wieder, ich werde dich sonst mit Pferd und Karren henken lassen!«
Da stieg Eulenspiegel eilends aus dem Karren, sprang auf das Pferd und ritt aus dem Land. Den Karren ließ er vor der Burg stehen. Also liegt Eulenspiegels Erdreich noch vor der Brücke.
Die 27. Historie sagt, wie Eulenspiegel für den Landgrafen von Hessen malte und ihm weismachte, wer unehelich sei, könne das Bild nicht sehen.
Abenteuerliche Dinge trieb Eulenspiegel im Lande Hessen. Nachdem er das Land Sachsen um und um durchzogen hatte und dort so gut bekannt war, daß er sich mit seinen Streichen nicht mehr ernähren konnte, begab er sich in das Land Hessen und kam nach Marburg an des Landgrafen Hof. Und der Herr fragte ihn, was er für ein Abenteurer sei. Er antwortete: »Gnädiger Herr, ich bin ein Künstler.« Darüber freute sich der Landgraf, weil er meinte, Eulenspiegel sei ein Artist und verstünde die Alchimie. Denn der Landgraf bemühte sich sehr um die Alchimie. Also fragte er ihn, ob er ein Alchimist sei. Eulenspiegel sprach: »Gnädiger Herr, nein. Ich bin ein Maler, desgleichen in vielen Landen nicht gefunden wird, da meine Arbeit andere Arbeiten weit übertrifft.« Der Landgraf sagte: »Laß uns etwas davon sehen!« Eulenspiegel sprach: »Ja, gnädiger Herr.« Und er hatte etliche auf Leinen gemalte Bilder, die er in Flandern gekauft hatte; die zog er hervor aus seinem Sack und zeigte sie dem Landgrafen. Sie gefielen dem Herrn gar wohl, und er sprach zu ihm: »Lieber Meister, was wollt Ihr nehmen, wenn Ihr uns unsern Saal ausmalt mit Bildern von der Herkunft der Landgrafen von Hessen? Und wie sie befreundet waren mit dem König von Ungarn und anderen Fürsten und Herren, und wie lange das bestanden hat? Und wollt Ihr uns das auf das allerköstlichste machen, so gut Ihr es immer könnt?« Eulenspiegel antwortete: »Gnädiger Herr, wie mir Euer Gnaden das aufgibt, wird es wohl vierhundert Gulden kosten.« Der Landgraf sprach: »Meister, macht uns das nur gut! Wir wollen es Euch wohl belohnen und Euch ein gutes Geschenk dazu geben.«
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