Dieser schnelle und unkomplizierte Entstehungstatbestand hat jedoch eine Kehrseite. Da das Urheberrecht vorher nicht geprüft wurde, wird es im Verletzungsprozess unter die Lupe genommen. Der Richter hat nun zu prüfen, ob ein Urheberrecht besteht, d.h. ob die Voraussetzungen für ein Werk (§ 2 II UrhG) überhaupt vorliegen. Das Ergebnis der richterlichen Bewertung ist oft schwer prognostizierbar, insbesondere bei der „kleinen Münze“ des Urheberrechts. Hier besteht häufig ein beachtliches Prozessrisiko.
Zum August 2021 werden umfangreiche Änderungen bezüglich des Urheberrechts in Kraft treten in Anpassung des deutschen Rechts an die Richtlinie zum Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt. Diese sind hier weitestgehend enthalten abzüglich einer Diskussion um die Haftung der Plattformbetreiber für Urheberrechtsverstöße (Notice-and-Take-Down-Prinzip).
I. Wesen und Gegenstand des Urheberrechts
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Das Urheberrecht ist ein Ausschließlichkeitsrecht, ein absolutes Recht, und liegt auf kulturellem Bereich.
Gegenstand des Urheberrechts ist das Werk, §§ 1, 2 UrhG).
Abb. 3: Gegenstand des Urheberrechts
Zunächst wollen wir den persönlichen Geltungsbereich des Urheberrechts in Deutschland abstecken. Dieser wird in § 120 UrhG geregelt. Danach genießen deutsche Staatsangehörige im Rahmen unseres Rechtsgebietes Urheberrechtsschutz für ihre Werke, gleichviel, ob und wie die Werke erschienen sind. Die gleiche Rechtsposition haben Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates der EU oder eines EWR-Staates.
Das Urheberrecht ist ein einheitliches Recht. Es hat zwei Bestandteile:
- | das umfassende Verwertungsrecht |
- | das umfassende Urheberpersönlichkeitsrecht. |
§ 11 UrhG umschreibt dies so: Das Urheberrecht schützt den Urheber in seinen geistigen und persönlichen Beziehungen zum Werk (Urheberpersönlichkeitsrecht) und in der Nutzung des Werkes (Verwertungsrecht).
Die eine Seite des Urheberrechts, das umfassende Verwertungsrecht (§ 15 UrhG), bezieht sich auf die vermögensrechtlichen, die materiellen Interessen des Urhebers. Die andere Seite des Urheberrechts, das Urheberpersönlichkeitsrecht, betrifft die geistigen, die ideellen Interessen des Urhebers (vgl. Abb. 4). Diese beiden Rechtskreise können jedoch nicht lupenrein getrennt werden; sie greifen vielmehr ineinander über. Vervielfältigung, Verbreitung, Ausstellung, öffentliche Wiedergabe (die einzelnen Verwertungsrechte nach § 15 UrhG) stehen stets unter den Einschränkungen des Urheberpersönlichkeitsrechts (GRUR 55, 201, 204 – Cosima Wagner).
Abb. 4: Inhalt des Urheberrechts
II. Rechtsvoraussetzungen
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Um in den Genuss des Urheberrechts zu kommen, muss ein Werk dem Bereich der Literatur, Wissenschaft und Kunst zugehörig sein, eine persönliche Schöpfung darstellen, einen geistigen Gehalt haben und eine konkrete, sinnlich wahrnehmbare Form gefunden haben. Letzteres heißt praktisch: Nicht Motiv und abstrakte Inhalte der Darstellung sind schutzfähig, sondern lediglich diese Art und Weise der Darstellung, diese konkrete Wiedergabe. Diese Schutzvoraussetzungen schauen wir uns nun im Detail an.
1. Der Werkbegriff
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Ein wichtiges Erfordernis für das Entstehen eines Urheberrechtes ist das Vorliegen eines Werkes.
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Das entscheidende Kriterium Werk ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Er bezieht sich auf die Bereiche der Literatur, Wissenschaft und Kunst (§ 2 I UrhG). Zu diesen gehören insbesondere:
1. | Sprachwerke, wie Schriftwerke Reden und Computerprogramme |
2. | Werke der Musik, |
3. | Pantomimische Werke einschließlich der Werke der Tanzkunst, |
4. | Werke der bildenden Kunst einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke, |
5. | Lichtbildwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Lichtbildwerke geschaffen werden, |
6. | Filmwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Filmwerke geschaffen werden, |
7. | Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art, wie Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen und plastische Darstellungen. |
Diese sieben Werkarten, die das Gesetz aufzählt (§ 2 I UrhG), sind nur beispielhaft und nicht abschließend.
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Das Gesetz definiert Werke als persönliche geistige Schöpfungen (§ 2 II UrhG).
Dies darf aber nicht so verstanden werden, dass das Werk allein geistige Zwecke verfolgen darf. Es schadet dem Entstehen eines Urheberrechtes nicht, wenn das Werk auch anderen Zwecken dient, wie etwa privaten Gebrauchszwecken und/oder gewerblichen Zwecken. Der Urheberrechtsschutz wird ohne Rücksicht darauf gewährt, welchem Zweck eine persönliche geistige Schöpfung dient; er ist zweckneutral.
Falls Werksqualität im Sinne von § 2 II UrhG besteht, ist Urheberrechtsschutz – trotz eines Gebrauchszwecks – möglich, etwa in Bezug auf Möbel (Le Corbusier-Möbel, Rollhocker, Stahlrohrstühle), auf Leuchten, Besteck, Geschirr, auf Modeerzeugnisse, Schmuckwaren, Musikinstrumente, auf Fahrzeuge, auch auf Figuren („Alf“). Auch das Layout einer Website ist – die § 2 II UrhG entsprechende Schöpfungshöhe vorausgesetzt – urheberrechtsschutzfähig.
Auch Werbezwecke schaden der Entstehung eines Urheberrechtes nicht. Schöpferische Werbegestaltung ist urheberrechtsfähig. So können bezüglich Werbeanzeigen, -prospekten, -plakaten, auch Logos Urheberrechte entstehen, allerdings immer nur dann, wenn Werksqualität vorliegt.
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Für die Urheberrechtsschutzfähigkeit ist es nicht maßgebend, ob die Entstehung des Gegenstandes mit großen Mühen, erheblichem Zeitaufwand und großen Kosten verbunden war (BGH, GRUR 80, 227, 231 – Monumenta Germaniae Historica); allein entscheidend ist die Qualifizierung als Werk.