Praxiswissen für Kommunalpolitiker. Franz Dirnberger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Franz Dirnberger
Издательство: Bookwire
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Жанр произведения:
Год издания: 0
isbn: 9783782506281
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      Was aber ist dann Selbstverwaltung?

      Im Kontext der französischen Revolution finden wir den Begriff „Pouvoir Municipal“. Übersetzt: kommunale Gewalt. Das begründet eine Eigenständigkeit der Gemeinde gegenüber dem Staat. Im deutschsprachigen Raum prägte Freiherr vom Stein das Verständnis der Selbstverwaltung im Sinne einer bürgerschaftlich orientierten, staatsergänzenden Verwaltung. Aber erst die liberale Bewegung Mitte des 19. Jahrhunderts führt zum Selbstverwaltungsverständnis der Neuzeit, das bis heute gilt.

      Das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen ist demnach das verfassungsrechtlich eingeräumte Recht auf eigenständige, d. h. staatsunabhängige Organisation und Regelung der eigenen Angelegenheiten. Wesentlich und zum Kern der Selbstverwaltung gehören

       die Gebietshoheit, verstanden als der räumliche Wirkungsbereich

       die Organisationshoheit, verstanden als das Recht, die Organisation der Kommune im Inneren zu regeln, z. B. welche Abteilungen und Sachgebiete gebildet werden, wer in der Kommune wofür zuständig ist

       die Satzungshoheit, verstanden als das Recht, durch das zuständige Gremium (in der Regel Gemeinderat etc.) Satzungen als Ortsrecht zu erlassen

       die Personalhoheit, verstanden als das Recht, eigenes Personal einzustellen und entsprechend einzusetzen sowie die dafür notwendigen Entscheidungen zu treffen

       die Finanz- und Abgabenhoheit, verstanden als das Recht, im Rahmen der Gesetze die Finanzen der Kommune eigenverantwortlich zu regeln und einen Haushalt zu bilden und

      Bereiche der Selbstverwaltung

       die Planungshoheit: Dies ist das Recht, die wesentlichen Entwicklungsleitlinien der Gemeinde durch verbindliche Planungen festzulegen, insbesondere durch Flächennutzungsplan und Bauleitplan Baurecht zu schaffen oder zu versagen.

      Auch im Grundgesetz und der Bayerischen Verfassung finden sich wesentliche Bestimmungen zum Selbstverwaltungsrecht. Ergänzend zu beachten sind natürlich auch Bestimmungen der jeweiligen Kommunalgesetze.

      Art. 28 Abs. 2 GG

      Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände (Anm.: gemeint sind Landkreise und Bezirke) haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfasst auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

      In der Bayerischen Verfassung:

      Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV

      Die Gemeinden haben das Recht, ihre eigenen Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze selbst zu ordnen und zu verwalten, insbesondere ihre Bürgermeister und Vertretungskörper zu wählen.

      Art. 10 BV

      (1) Für das Gebiet jedes Kreises und jedes Bezirks besteht ein Gemeindeverband als Selbstverwaltungskörper.

      (2) Der eigene Wirkungskreis der Gemeindeverbände wird durch die Gesetzgebung bestimmt.

      (3) Den Gemeindeverbänden können durch Gesetz weitere Aufgaben übertragen werden, die sie namens des Staates zu erfüllen haben. Sie besorgen diese Aufgaben entweder nach den Weisungen der Staatsbehörden oder kraft besonderer Bestimmung selbständig.

      (4) Das wirtschaftliche und kulturelle Eigenleben im Bereich der Gemeindeverbände ist vor Verödung zu schützen.

      Art. 83 BV

      (1) In den eigenen Wirkungskreis der Gemeinden (Art. 11 Abs. 2) fallen insbesondere die Verwaltung des Gemeindevermögens und der Gemeindebetriebe; der örtliche Verkehr nebst Straßen- und Wegebau; die Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Licht, Gas und elektrischer Kraft; Einrichtungen zur Sicherung der Ernährung; Ortsplanung, Wohnungsbau und Wohnungsaufsicht; örtliche Polizei, Feuerschutz; örtliche Kulturpflege; Volks- und Berufsschulwesen und Erwachsenenbildung; Vormundschaftswesen und Wohlfahrtspflege; örtliches Gesundheitswesen; Ehe- und Mütterberatung sowie Säuglingspflege; Schulhygiene und körperliche Ertüchtigung der Jugend; öffentliche Bäder; Totenbestattung; Erhaltung ortsgeschichtlicher Denkmäler und Bauten.

      (2) Die Gemeinden sind verpflichtet, einen Haushaltsplan aufzustellen. Sie haben das Recht, ihren Bedarf durch öffentliche Abgaben zu decken.

      (3) Überträgt der Staat den Gemeinden Aufgaben, verpflichtet er sie zur Erfüllung von Aufgaben im eigenen Wirkungskreis oder stellt er besondere Anforderungen an die Erfüllung bestehender oder neuer Aufgaben, hat er gleichzeitig Bestimmungen über die Deckung der Kosten zu treffen. Führt die Wahrnehmung dieser Aufgaben zu einer Mehrbelastung der Gemeinden, ist ein entsprechender finanzieller Ausgleich zu schaffen.

      (4) Die Gemeinden unterstehen der Aufsicht der Staatsbehörden. In den Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises der Gemeinden wacht der Staat nur über die Erfüllung der gesetzlichen Pflichten und die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften durch die Gemeinden. In den Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises sind die Gemeinden überdies an die Weisung der übergeordneten Staatsbehörden gebunden. Der Staat schützt die Gemeinden bei Durchführung ihrer Aufgaben.

      (5) Verwaltungsstreitigkeiten zwischen den Gemeinden und dem Staate werden von den Verwaltungsgerichten entschieden.

      (6) Die Bestimmungen der Abs. 2 mit 5 gelten auch für die Gemeindeverbände.

      (7) Die kommunalen Spitzenverbände sollen rechtzeitig gehört werden, bevor durch Gesetz oder Rechtsverordnung Angelegenheiten geregelt werden, welche die Gemeinden oder die Gemeindeverbände berühren. Die Staatsregierung vereinbart zur Umsetzung des Konnexitätsprinzips (Abs. 3) ein Konsultationsverfahren mit den kommunalen Spitzenverbänden.

      In der Gemeindeordnung, Landkreisordnung und Bezirksordnung:

      Art. 1 GO

      Die Gemeinden sind ursprüngliche Gebietskörperschaften mit dem Recht, die örtlichen Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze zu ordnen und zu verwalten. Sie bilden die Grundlagen des Staates und des demokratischen Lebens.

      Art. 1 LKrO

      Die Landkreise sind Gebietskörperschaften mit dem Recht, überörtliche Angelegenheiten deren Bedeutung über das Kreisgebiet nicht hinausgeht, im Rahmen der Gesetze zu ordnen und zu verwalten. Ihr Gebiet bildet zugleich den Bereich der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde.

      Art. 1 BezO

      Die Bezirke sind Gebietskörperschaften mit dem Recht, überörtliche Angelegenheiten, die über die Zuständigkeit oder das Leistungsvermögen der Landkreise und kreisfreien Gemeinden hinausgehen und deren Bedeutung über das Gebiet des Bezirks nicht hinausreicht, im Rahmen der Gesetze selbst zu ordnen und zu verwalten.

      Zu beachten sind unter anderen auch Art. 3 Abs. 1 der Europäischen Charta der Kommunalen Selbstverwaltung aus dem Jahr 1985/87, die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu Fragen des Selbstverwaltungsrechts, sowie die einschlägigen Regelungen des Vertrages von Lissabon vom 1.12.2009. Hier wird erstmals die kommunale Selbstverwaltung anerkannt. Zum Thema kommunale Selbstverwaltung und Europa sei verwiesen auf die gelungene und übersichtliche Dartellung von Dr. Andreas Gaß in BayGT 4/19 S. 112 ff.