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Im Einzelfall mag die Unterscheidung zwischen unmittelbarer und mittelbarer Benachteiligung schwierig sein. Grundsätzlich gilt jedoch, wer den möglichen Interessenten/Bewerberkreis z.B. auf eine bestimmte geschlechtliche Zugehörigkeit oder einen bestimmten geschlechtlichen Arbeitskorridor beschränkt, verstößt gegen die Diskriminierungsmerkmale.
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Die nachfolgenden Bespiele sollen jedoch einen Überblick geben, in welchen Fällen eine unzulässige Benachteiligung vorgelegen hat.
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Geschlechterdiskriminierung:
gesucht wird der starke, belastbare Handwerker,
gesucht wird eine Krankenschwester.
Eine Benachteiligung soll nicht vorliegen, wenn etwa hinter einer Berufsbezeichnung der Zusatz (m/w) steht. Dies mag in Zukunft problematisch werden, da auch ein drittes Geschlecht (divers) vor Benachteiligungen zu beachten sein wird. Insoweit hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes[38] zu den Regelungen des Personenstandsrechts eine große Bedeutung. Diese Regelungen sind mit den grundgesetzlichen Anforderungen insoweit nicht vereinbar, als § 22 Abs. 3 Personenstandsgesetz (PStG) neben dem Eintrag „weiblich“ oder „männlich“ keine dritte Möglichkeit bietet, ein Geschlecht positiv eintragen zu lassen. Für Stellenausschreibungen mag daher noch der Zusatz (d für divers) oder Vergleichbares notwendig werden.
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Altersdiskriminierung:
gesucht wird ein junger/eine junge…,
für unser junges dynamisches Team suchen wir …,
gesucht wird ein Berufsanfänger/Berufsanfängerin.
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Herkunft:
gesucht wird „deutscher Muttersprachler“ (hier gleichzeitig auch Geschlechterdiskriminierung)
cc)Besonderheiten des Schwerbehindertenrechts
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Eine Benachteiligung wegen einer Behinderung ist ausdrücklich durch das AGG verboten. Dieses Diskriminierungsverbot wird jedoch durch weitere Vorschriften flankiert. Diesbezüglich sind die Bestimmungen des SGB IX zu berücksichtigen.
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Zunächst bestimmt § 154 SGB die Pflicht der Arbeitgeber zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen, wenn eine bestimmte Betriebsgröße erreicht wurde. Für den Fall, dass die Arbeitgeber ihrer Verpflichtung nicht nachkommen, sind sie zur Zahlung einer Ausgleichsabgabe nach § 160 SGB IX verpflichtet.
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Darüber hinausgehend sind schwerbehinderte Bewerber auch individuell geschützt. Hier trifft § 165 SGB IX besondere Regelungen für öffentliche Arbeitgeber. Haben schwerbehinderte Menschen sich um einen Arbeitsplatz beworben oder sind sie von der Bundesagentur für Arbeit oder einem von dieser beauftragten Integrationsfachdienst vorgeschlagen worden, werden sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Es besteht also eine Verpflichtung des öffentlichen Arbeitgebers, schwerbehinderte Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Vor diesem Hintergrund wird es für einen schwerbehinderten Bewerber sinnvoll sein, im Bewerbungsschreiben auf die Schwerbehinderung hinzuweisen.
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Eine Einladung ist nach § 165 S. 4 SGB IV entbehrlich, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt. Die Offensichtlichkeit bedeutet, dass die Nichteignung – etwa wegen einer fehlenden notwendigen Ausbildung – ohne weiteres erkennbar ist.
Beispiel
Fehlen der im Anforderungsprofil geforderten Qualifikationsvoraussetzungen: Stelle für Assistenzärzte, auf die sich ein Kaufmann bewirbt.
Achtung
Die zu Unrecht unterbliebene Einladung eines Schwerbehinderten löst die Sanktionierungsmöglichkeiten des AGG aus, dabei geht es insbesondere um die Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche aus § 15 AGG.
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Nichtsdestotrotz darf der Arbeitgeber seine Auswahl unter mehreren Bewerbern um eine ausgeschriebene Stelle auch dann nach der Leistung und Eignung (Bestenauslese) treffen, wenn sich unter den Mitbewerbern ein Schwerbehinderter befindet. Sind zwei Bewerber gleichwertig, kann es geboten sein, den Schwerbehinderten vorzuziehen.[39]
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Darüber hinaus ist nach § 178 SGB IX die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören.
dd)Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung
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Das AGG lässt Verstöße gegen das Benachteiligungsverbot nicht folgenlos bleiben und sieht Sanktionsmöglichkeiten vor.
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Eine an sich diskriminierende Ausschreibung kann aber ausnahmsweise gerechtfertigt bzw. ausnahmsweise zulässig sein:
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positive Maßnahmen (§ 5 AGG):Zum einen kann es dabei um positive Diskriminierungen i.S.d. § 5 AGG gehen. Danach ist eine unterschiedliche Behandlung auch zulässig, wenn durch geeignete und angemessene Maßnahmen bestehende Nachteile wegen eines in § 1 genannten Grundes verhindert oder ausgeglichen werden sollen.Beispiel hierfür können Bestimmungen sein, wonach bei gleicher Qualifikation jugendliche Bewerber, Schwerbehinderte oder Frauen (so ausdrücklich § 8 Abs. 1 BGleiG) bevorzugt eingestellt oder befördert werden.
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bei bestimmten beruflichen Anforderungen (§ 8 AGG):Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genannten Grundes ist dann zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt. Ein Beispiel hierfür ist die Suche nach einer Erzieherin in einem Mädcheninternat. Die Diskriminierung der männlichen Bewerber ist hier wegen der Besonderheiten eines Mädcheninternats zulässig, da auch eine nächtliche Betreuung der Mädchen zu den Aufgaben gehört.
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im Hinblick auf Religion und Weltanschauung (§ 9 AGG):Eine unterschiedliche Behandlung ist zulässig, wenn Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften oder ihnen zugeordnete Einrichtungen bei der Stellenbesetzung eine bestimmte Religion oder Weltanschauung verlangen. Beispiele hierfür können Beschäftigungsverhältnisse bei den Kirchen, bei denen die Religionszugehörigkeit von prägender Bedeutung ist, sein, etwa Referenten für grundsätzliche Glaubensfragen in den Kirchen. Bejaht kann eine solche Ausnahme auch bei Religionserziehern in kirchlichen Einrichtungen werden.
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wegen des Alters (§ 10 AGG):Schließlich sind unter den in § 10 AGG genannten Voraussetzungen Benachteiligungen des Alters wegen zulässig. Dies ist dann der Fall, wenn eine entsprechende Diskriminierung objektiv und angemessen durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist (§ 10 S. 1 AGG) und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.