4.2 Die Gleichschaltung von Rechts- und Sachmängeln, von Stück- und Gattungskauf, von Sach- und Rechtskauf
Die Haftung des Verkäufers für Rechtsmängel war schon immer eine vertragliche und wird jetzt zusammen mit der Sachmängelhaftung über einen Leisten geschlagen, denn § 433 I 2 verpflichtet den Verkäufer in einem Atemzug unterschiedslos sowohl zur Freiheit von Sachmängeln als auch zur Freiheit von Rechtsmängeln, so dass jetzt Rechts- und Sachmängel gleichermaßen Vertragsverletzungen sind.
Das neue Kaufrecht unterscheidet auch nicht mehr zwischen Stück- und Gattungskauf. Selbst der sehr viel größere Unterschied zwischen Sach- und Rechtskauf entlockt dem modernisierten Kaufrecht in § 453 nur mehr eine schwächliche Verweisungsnorm, welche die Vorschriften über den Sachkauf kurzerhand auf den Rechtskauf und den Kauf sonstiger Gegenstände erstreckt, wenn auch nur in entsprechender Anwendung. Aber die unterschiedlichen Lebensverhältnisse lassen sich nicht so leicht in eine Schablone pressen.
4.3 Die besonderen Gestaltungsformen des Kaufs
Als besondere „Arten des Kaufs“ regelt das BGB den Vorbehaltskauf (§ 449), den Kauf auf Probe (§§ 454-455), den Wiederkauf (§§ 456-462) den Vorkauf (§§ 463-473) und in einem eigenen Untertitel den „Verbrauchsgüterkauf“, eine europäische Errungenschaft des Verbraucherschutzes, der nur deshalb mit den wenigen Vorschriften der §§ 474-479 auskommt, weil er, über den Verbraucherschutz hinaus, bereits die Sachmängelhaftung der §§ 434-445 auf breiter Front mitgestaltet hat.
Außerhalb des Schuldrechts findet man den Pfandverkauf (§§ 1228 ff.), den Erbschaftskauf (§§ 2371 ff.) und den Handelskauf (§§ 373 ff. HGB).
Das UN-Kaufrecht (Wiener UN-Kaufrechts-Übereinkommen, abgekürzt CISG, vom 11.4.1980) gilt seit 1.1.1991 auch in der Bundesrepublik Deutschland und regelt für die Vertragsstaaten den internationalen Kauf beweglicher Sachen[1].
1. Die Anspruchsgrundlage
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Mehrfache Anspruchsgrundlage für die beiderseitigen Ansprüche aus einem Kauf ist § 433, gilt unmittelbar zwar nur für den Sachkauf, gemäß § 453 aber entsprechend auch für den Rechtskauf und den Kauf sonstiger Gegenstände.
Dem Sachkäufer gibt § 433 einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung der gekauften Sache (I 1), frei von Sach- und Rechtsmängeln (I 2), dem Verkäufer je einen Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Kaufpreises und auf Abnahme der Sache (II). Das sind die Rechtsfolgen des Kaufs. Anspruchsvoraussetzung ist ein Kaufvertrag. Die Beweislast trägt der jeweilige Anspruchsteller.
Bild 10: Die Ansprüche auf Erfüllung des Kaufvertrags
2. Die Rechtsfolgen des Kaufvertrags
2.1 Der Anspruch des Käufers einer Sache auf Übergabe und Übereignung
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Wer eine Sache kauft, hat nach § 433 I Anspruch auf Übergabe und Übereignung (S. 1), genauer: auf ungestörten Besitz und mangelfreies Eigentum (S. 2).
Übergabe ist Übertragung des unmittelbaren Besitzes (§ 854 I). Der Käufer klagt auf Herausgabe (vollstreckbar nach §§ 883, 887 III ZPO). Besitzt ein Dritter die Sache, hat der Verkäufer dafür zu sorgen, dass der Dritte dem Käufer die Sache überlasse. Mit mittelbarem Besitz nach §§ 868, 871 muss der Käufer sich ohne besondere Abrede nicht abspeisen lassen. Wer ein Auto kauft, hat auch Anspruch auf den Kfz-Brief, denn er braucht ihn für die Zulassung. Die Übereignung des Autos ersetzt nur die Übereignung des Briefs (§ 952), nicht dessen Übergabe[2].
Wie der Verkäufer übereignen soll, sagt das Sachenrecht: durch abstrakte dingliche Verfügung. Eine bewegliche Sache übereignet er durch Einigung und Übergabe (§ 929 S. 1). Die Einigung ist ein dinglicher Vertrag. Der Käufer klagt auf Annahme seines Angebots (vollstreckbar nach § 894 ZPO). Ein Grundstück wird durch Einigung und Eintragung im Grundbuch übereignet (§ 873). Die Einigung heißt hier Auflassung (§ 925). Der Käufer klagt auf Auflassung, genauer: auf Annahme seines Auflassungsangebots (vollstreckbar nach §§ 894, 895 ZPO). Die Eintragung im Grundbuch kann der Verkäufer nicht selbst vornehmen, aber er kann sie bewilligen und Eintragungshindernisse beseitigen[3]. Da zweifelhaft ist, ob der Käufer für seine Eintragung im Grundbuch neben der Auflassung (§ 20 GBO) auch noch die Eintragungsbewilligung des Verkäufers (§ 19 GBO) brauche, klagt er vorsichtshalber beide ein[4]. Hat der Käufer Anspruch auf eine Grundstücksteilfläche, muss er mit der Auflassungsklage nicht warten, bis die Grundstücksteilung im Grundbuch vollzogen ist, sondern nur den amtlichen Veränderungsnachweis beibringen[5].
Der Käufer hat Anspruch auf eine Rechnung, welche die MwSt besonders ausweist, wenn der Kauf unzweifelhaft der Umsatzsteuer unterliegt; Anspruchsgrundlage ist § 433 I mit § 242[6].
2.2 Der Anspruch des Käufers eines Rechts auf Verschaffung des Rechts
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Den Anspruch aus § 433 I hat nach § 453 I auch der Käufer eines Rechts oder sonstigen Gegenstands, freilich nur in entsprechender Anwendung. Was aber heißt hier „entsprechend“? Ein Recht kann der Verkäufer weder übergeben noch übereignen, sondern nur begründen oder übertragen. Also hat der Käufer Anspruch auf wirksame und mangelfreie Verschaffung des gekauften Rechts oder sonstigen Gegenstandes (RN 125, 126).
2.3 Der Anspruch des Verkäufers auf den Kaufpreis
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Nach § 433 II hat der Verkäufer Anspruch auf den vereinbarten Kaufpreis in Gestalt einer Geldsumme, andernfalls handelt es sich um einen Tausch nach § 480. Der Verkäufer klagt auf bezifferte Zahlung (vollstreckbar nach §§ 803 ff. ZPO).
2.4 Der Anspruch des Verkäufers auf Abnahme der Kaufsache
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Die Abnahme der gekauften Sache, die der Verkäufer nach § 433 II vom Käufer verlangen kann, ist derjenige Teil der Übergabe, der dem Käufer obliegt und den Verkäufer vom lästigen Besitz befreit. Anders als der Besteller eines Werks soll der Käufer die gekaufte Sache nicht billigen, sondern nur entgegennehmen[7]. Meistens ist der Verkäufer aber nur am Kaufpreis interessiert. Auf Abnahme klagt er vielleicht dann, wenn die verkaufte Ware gefährlich oder leicht verderblich ist, der Pflege bedarf oder kostbaren Lagerraum blockiert.
Der Grundstückskäufer ist über den Wortlaut des § 433 II hinaus nicht nur zur Abnahme des Grundstücks, sondern auch noch zur Entgegennahme der Auflassung verpflichtet[8].
Die vertragswidrige Nicht-Abnahme der gekauften Sache verpflichtet den Käufer nach § 280 I 1 zum Schadensersatz[9].