Schuldrecht nach Anspruchsgrundlagen. Kurt Schellhammer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kurt Schellhammer
Издательство: Bookwire
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Год издания: 0
isbn: 9783811456495
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      Betriebsmittel kann man auf Abzahlung kaufen oder mit Krediten finanzieren. Man kann sie auch „leasen“. Die ersten beiden Möglichkeiten zielen auf Eigentumserwerb, das Leasing nicht. Leasingsachen erwirbt man nicht zu Eigentum, sondern nur zum Gebrauch auf Zeit, muss deshalb keinen Kaufpreis, sondern neben einer Anzahlung nur monatliche Leasingraten aufbringen. Der Vorteil liegt im Steuerrecht. Der Unternehmer muss das Leasinggut, da es ihm nicht gehört, in der Bilanz nicht aktivieren, darf aber die monatlichen Leasingraten voll als Betriebsausgaben verbuchen[566].

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      Man praktiziert zwei Leasingarten: das Finanzierungs- und das Operationsleasing. Die Rechtsprechung hat es fast nur mit dem Finanzierungsleasing zu tun, das etwa so abläuft: Der Leasingnehmer (LN), ein Unternehmer oder Freiberufler, sucht sich bei einem Fachhändler das passende Leasinggut aus: einen Computer samt Software, ein Auto[567] oder ein Flugzeug, bisweilen sogar ein Grundstück[568]. Er kauft es aber nicht, sondern least es nur, nicht vom Lieferanten, sondern von einem gewerbsmäßigen Leasinggeber (LG). Dieser kauft und erwirbt es im eigenen Namen und für eigene Rechnung vom Händler[569], der es auf Weisung des LG direkt an den LN liefert. Damit beginnt die Leasingzeit. Sie richtet sich oft nach der steuerrechtlichen Abschreibungsdauer. Der LG will mit dem Leasing seine Anschaffungskosten voll amortisieren. Die monatlichen Leasingraten sind deshalb so kalkuliert, dass sie den Kaufpreis samt Finanzierungskosten decken und noch einen Gewinn abwerfen.

      Der Leasingvertrag ist ein Formularvertrag, den der LG dem LN stellt. Der LG wälzt darin die Sach- und Preisgefahr auf den LN ab, schließt die mietrechtliche Gewährleistung für Sachmängel aus und tritt dem LN stattdessen seine kaufrechtlichen Mängelrechte gegen den Lieferanten ab. Dennoch ist der Leasingvertrag kein verkappter Verbrauchsgüterkauf nach § 475 I 2, sondern ein eigenständiger Vertragstyp, genauer: eine Abart der Miete[570].

      Das Operationsleasing ist kurzfristiger. Hier soll nicht schon der erste LN den Aufwand des LG decken, sondern erst eine Reihe von LN, die das Leasinggut nacheinander nutzen[571].

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      Prüfstein für den vorformulierten Leasingvertrag sind die §§ 305 ff. Die Frage, an welchem gesetzlichen Leitbild das Leasing nach § 307 zu messen sei, ist leicht zu beantworten: Das Leasing ist Miete, denn auch der Leasingvertrag verpflichtet nach § 535 zur entgeltlichen Gebrauchsüberlassung auf Zeit[572]. Die Rechtsprechung formuliert oft vorsichtiger und meint, Leasing sei „in erster Linie Miete“ oder „der Miete zumindest vergleichbar“[573]. Aber sie wendet wie selbstverständlich Mietrecht an, wenn eine Formularklausel nichtig ist oder der Vertrag Lücken hat[574]. Den Vertragstyp bestimmen allein die vereinbarten Hauptpflichten, und rechtlich verpflichtet auch der Leasingvertrag zur entgeltlichen Gebrauchsüberlassung auf Zeit[575].

      Von der Normalmiete unterscheidet sich das Leasing freilich ganz wesentlich: in der Mängelhaftung, in der Gefahrtragung und in der Kalkulation der Vergütung. Erstaunlich am vorformulierten Leasing ist nur, dass die sonst so penible Rechtsprechung dies alles hinnimmt, obwohl es das gesetzliche Leitbild der Miete deutlich verfehlt.

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      In seinen AGB befreit sich der LG von der mietrechtlichen Instandhaltung und Gewährleistung nach §§ 535 ff.[576] und bürdet dem LN auch noch das Zufallsrisiko auf[577]. Stattdessen tritt er ihm seine kaufrechtlichen Gewährleistungsrechte gegen den Lieferanten ab. Die Rechtsprechung rechtfertigt dies schlicht und entwaffnend damit, dass eine derartige Vertragsgestaltung für das Leasing typisch sei. Der LN wisse selbst am besten, was er brauche, und suche sich die Leasingsache beim Lieferanten aus[578]. Allerdings muss der LG dem LN alle kaufrechtlichen Mängelrechte abtreten oder ihn zumindest bedingungslos ermächtigen, diese Rechte im eigenen Namen geltend zu machen[579].

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      Unabdingbar ist nur die Hauptpflicht des LG aus § 535 I, dem LN die Leasingsache zu überlassen und während der Leasingzeit ungestört zu belassen[580]. Wer eine EDV-Anlage bestehend aus Hard- und Software least, aber nur das eine oder das andere bekommt, behält seinen Anspruch auf Überlassung des fehlenden Restes[581]. Nimmt der LG dem LN die Leasingsache weg, und sei es nur sicherungshalber, verliert er den Anspruch auf die Leasingraten[582].

      Unwirksam sind Verfallklauseln, die den LG, aus welchen Gründen auch immer, berechtigen, alle ausstehenden Leasingraten ungekürzt sofort fällig zu stellen und die Leasingsache zurückzufordern[583]. Und hat der Lieferant seine Mängelhaftung im Kaufvertrag mit dem LG ausgeschlossen, was nicht an § 476 I scheitert, wenn der LG ein Unternehmer ist, bleiben dem LN die mietrechtlichen Gewährleistungsrechte aus §§ 535 ff. gegen den LG[584].

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      Ab Erhalt der Leasingsache trägt der LN in der Regel auch die Gefahr, dass die Leasingsache durch Zufall untergehe oder verschlechtert werde, weil auch das typisch sei für das Leasing[585]. Er verliert dann nicht nur den Sachgebrauch, sondern muss auch weiterhin die Leasingraten zahlen[586]. Der LG ist weder zur Ersatzbeschaffung noch zur Reparatur, sondern nur dazu verpflichtet, den LN nicht im Gebrauch zu stören und Störungen Dritter abzuwehren[587]. Ist die Leasingsache jedoch auf Kosten des LN versichert, steht die Versicherungssumme zwecks Reparatur oder Ersatzbeschaffung dem LN zu[588].

      Unwirksam ist die formularmäßige Abwälzung der Sach- und Preisgefahr nach § 307 dann, wenn der LN nicht kurzfristig kündigen oder sich sonstwie vom Vertrag lösen darf, nachdem die fabrikneue Leasingsache durch Zufall schwer beschädigt oder gar zerstört worden ist[589].

      Weder überraschend noch unangemessen ist die Klausel im Leasingvertrag über ein fabrikneues Auto: „Die Überführungs- und Zulassungskosten rechnet der ausliefernde Betrieb separat ab“, denn das ist ein gesetzlicher Provisionsanspruch nach § 354 I HGB[590].

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      Anders als die Miete soll das Finanzierungsleasing die Kosten des LG für Erwerb und Finanzierung der Leasingsache während der Leasingzeit voll amortisieren. Die Leasingraten sind so kalkuliert, dass sie nicht nur den Sachgebrauch des LN vergüten, sondern den vollen Aufwand des LG decken und noch einen Gewinn abwerfen. Der Anspruch des LG auf Vollamortisation ist für das Leasing typisch und entsteht insgesamt schon mit Vertragsschluss[591]. Auch nach seiner vorzeitigen Kündigung oder nach einverständlicher Vertragsaufhebung schuldet der LN dem LG den vollen Anschaffungs- und Finanzierungsaufwand nebst kalkuliertem Gewinn[592]. Da die restlichen Leasingraten hier aber vorzeitig fällig werden, sind sie abzuzinsen[593]. Der LG wiederum ist verpflichtet, die Leasingsache für Rechnung des LN bestmöglich zu verwerten[594]. Da die Vollamortisation dem Mietrecht fremd ist, verjährt der Anspruch auf den Restwertausgleich nicht nach § 548, sondern nach § 195[595].

      Anspruch auf Vollamortisation hat der LG auch aus einem Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung. Der LN erfüllt diesen Anspruch, indem er die abgerechneten km bezahlt und das Leasingfahrzeug unbeschädigt zurückgibt. Dessen Verwertung obliegt dann dem LG. Gibt der LN es hingegen beschädigt zurück, hat er dem LG den Minderwert in Geld auszugleichen[596].

      Die Restwertgarantie des LN für den Fall, dass der vereinbarte Restwert der Leasingsache durch ihre Verwertung nicht