Strittig ist, ob eine in Gründung befindliche Gesellschaft beteiligter Rechtsträger sein kann. Eine Minderheitsmeinung vertritt unter Hinweis auf die Identität von Vor-Gesellschaft und Kapitalgesellschaft nach Eintragung, dass die Vor-Gesellschaft bereits einen Verband darstellt, der umwandlungsfähig ist.[39] Es ist m.E. der vermittelnden herrschenden Meinung beizutreten, dass die Gesellschaft zumindest eine logische Sekunde vor Wirksamwerden des Umwandlungsvorgangs entstanden sein muss, d.h. dass bei der Kapitalgesellschaft die Eintragung im Handelsregister erfolgt sein muss.[40] Hierfür kann der Zustimmungsbeschluss aufschiebend bedingt auf den Zeitpunkt der Entstehung der Kapitalgesellschaft abgegeben werden.[41] Die Gesellschaft in Gründung kann daher den Umwandlungsvertrag abschließen, die Umwandlungsbeschlüsse herbeiführen und die Handelsregisteranmeldung durchführen, muss aber für das Wirksamwerden der Umwandlung zuvor als Gesellschaft wirksam entstehen.[42]
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Da § 1 UmwG von Rechtsträgern mit dem Sitz in Inland spricht, ging die überwiegende Meinung bis zum Vorliegen der SEVIC-Entscheidung des EuGH[43] davon aus, dass der Anwendungsbereich des UmwG auf inländische Umwandlungsvorgänge beschränkt ist. Bereits in der 1. Auflage dieses Handbuchs wurde jedoch darauf hingewiesen, dass durch das Analogieverbot eine grenzüberschreitende Umwandlung nicht automatisch ausgeschlossen ist. So wurden auch schon vor der SEVIC-Entscheidung Einzelfälle von grenzüberschreitenden Verschmelzungen in deutsche Handelsregister eingetragen.[44] Der Gesetzgeber hat die grenzüberschreitende Umwandlung gemäß amtlicher Begründung bewusst zunächst ausgeklammert. Mit der Verordnung zur europäischen Aktiengesellschaft, Societas Europaea (SE-VO), welche am 8.10.2004 in Kraft getreten ist, wurde ein wichtiger Schritt zur Umsetzung grenzüberschreitender Umwandlungsvorgänge gemacht. Danach wurde teilweise für grenzüberschreitende Verschmelzungen auch der Weg der Kettenverschmelzung unter Zwischenschaltung einer europäischen Aktiengesellschaft (SE) gewählt, um das wirtschaftliche Ergebnis einer grenzüberschreitenden Verschmelzung zu erreichen.
Mit der SEVIC-Entscheidung des EuGH vom 13.12.2005 hat dieser klargestellt, dass grenzüberschreitende Verschmelzungen Maßnahmen zur Ausübung der Niederlassungsfreiheit sind, welche gem. Art. 43, 48 EGV grundsätzlich für Gesellschaften mit Sitz in verschiedenen Mitgliedsstaaten zu schützen sind. Die generelle Verweigerung grenzüberschreitender Verschmelzungen in § 1 UmwG stelle daher eine unzulässige Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar. Der EuGH stellt aber auch klar, dass der nationale Gesetzgeber jedoch wegen zwingender Gründe des Allgemeinwohls die Zulässigkeit grenzüberschreitender Verschmelzungen unter bestimmten Umständen einschränken darf. Im Hinblick auf andere Umwandlungsarten führt der EuGH aus, dass auch diese den Zusammenarbeits- und Umgestaltungsbedürfnissen von Gesellschaften in verschiedenen Mitgliedsstaaten entsprechen und daher wichtige Modalitäten der Ausübung der Niederlassungsfreiheit darstellen. Der EuGH hatte im Rahmen des sog. CARTESIO-Verfahrens[45] zu entscheiden, ob die Niederlassungsfreiheit vom Wegzugstaat beschränkt werden darf. In der Literatur war es sehr strittig, ob die SEVIC-Entscheidung auch auf den Schutz der Niederlassungsfreiheit in Bezug auf die freie Wegzugmöglichkeit aus einem Staat innerhalb der EU hätte erstreckt werden können.[46] Mit der CARTESIO-Entscheidung hat der EuGH – für viele überraschend – jedem Mitgliedstaat zugestanden, es einer Gesellschaft seines nationalen Rechts nicht zu gestatten, diese Eigenschaft (Rechtsform) zu behalten, wenn sie sich durch die Verlegung ihres Sitzes in einen anderen Mitgliedstaat dort neu organisieren möchte. Nach einem obiter dictum des EuGH in der CARTESIO-Entscheidung ist jeder Mitgliedstaat jedoch verpflichtet, die Verlegung des Sitzes bei gleichzeitiger Umwandlung in eine Rechtsform des Zielstaats grundsätzlich zu dulden. Dies eröffnete eine Weiterentwicklung zur Zulässigkeit des grenzüberschreitenden Formwechsels, der jedoch vom EuGH klar davon abhängig gemacht wurde, ob der Zuzug-Staat diesen zulässt.[47] Zu der Entwicklung des grenzüberschreitenden Umwandlungsrechts s. 7. Kap.
Mit der Verschmelzungsrichtlinie vom 15.12.2005 (VRL) über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedsstaaten wurde in Art. 19 VRL den Mitgliedsstaaten aufgegeben bis zum 31.12.2007 im nationalen Recht grenzüberschreitende Verschmelzungen zuzulassen, wenn das nationale Recht auch für innerstaatliche Gesellschaften Verschmelzungen zulässt.
Mit dem Inkrafttreten der §§ 122a ff. UmwG am 25.4.2007 hat der deutsche Gesetzgeber nur einen Teilaspekt der vorstehenden zwingenden europarechtlichen Vorgaben für grenzüberschreitende Umwandlungsvorgänge in nationales Recht umgesetzt. Mayer[48] weist zu Recht darauf hin, dass die Beschränkung des Anwendungsbereichs der §§ 122a ff. UmwG auf Kapitalgesellschaften zwar der VRL entspricht, wichtige Aspekte der SEVIC-Entscheidung des EuGH jedoch unberücksichtigt lässt. So beschränkt der EuGH die Niederlassungsfreiheit nicht auf Kapitalgesellschaften, so dass die Grundsätze der Entscheidung sinngemäß auch für die Verschmelzung von Personenhandelsgesellschaften und anderen Unternehmensträgern anzuwenden sein müssten. Teilweise sollen diese Lücken (jedoch sehr eingeschränkt) durch das „Vierte Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes“, welches am 1.1.2019 in Kraft getreten ist, vgl. 1. Kap. Rn. 8, sowie durch die Richtlinie (EU) 2019/2121 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 27.11.2019 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen, vgl. hierzu ausführlich das 7. Kap., geschlossen werden. In den nicht normierten Fällen geht die primärrechtliche Niederlassungsfreiheit den Lücken der sekundärrechtlichen Regelungen vor.[49] Für die Praxis stellt sich aber in diesen Bereichen die schwierige Aufgabe ein Verfahren zu finden, das umsetzbar und eintragungsfähig ist. Man muss hier auf die Regeln zurückgreifen (s.a. die »Vereinigungstheorie«[50]), die auf der Grundlage der bisherigen Rechtslage entwickelt wurden. Zu den Besonderheiten der Umsetzungsschwierigkeiten in der Zeit bis zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie (EU) 2019/2121 vom 27.11.2019 in nationales Recht durch den Gesetzgeber in Bezug