122
Die Barabfindung, die die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt des Verschmelzungsbeschlusses berücksichtigen muss, ist gem. § 7 Abs. 2 SEAG nach Ablauf des Tages, an dem die Verschmelzung im Sitzstaat der SE eingetragen und bekannt gemacht worden ist, mit jährlich 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen. Die Angemessenheit der anzubietenden Barabfindung ist nach § 7 Abs. 3 SEAG durch Verschmelzungsprüfer entsprechend §§ 10–12 UmwG zu prüfen, sofern die Berechtigten nicht auf die Prüfung oder den Prüfungsbericht in notariell beurkundeter Form verzichten.
123
Die widersprechenden Aktionäre können nach § 7 Abs. 4 SEAG das Barabfindungsangebot nur binnen zwei Monaten nach Eintragung und Bekanntmachung der SE annehmen. Im Falle eines Spruchverfahrens läuft die Annahmefrist zwei Monate nach der Bekanntmachung der Entscheidung im Bundesanzeiger ab. Die Frist ist eine Ausschlussfrist. Das Barabfindungsangebot kann formlos angenommen werden. Die Übertragung der Aktien erfolgt Zug um Zug gegen Erhalt der Abfindung zwischen dem widersprechenden Aktionär und der SE. Möchte der Aktionär seine Aktien zwischen Fassung des Verschmelzungsbeschlusses und Ablauf der Annahmefrist anderweitig veräußern, setzt § 7 Abs. 6 SEAG etwaige Verfügungsbeschränkungen bei dem beteiligten Rechtsträger außer Kraft.
124
§ 7 Abs. 7 SEAG stellt – wie § 6 Abs. 4 SEAG für die Verbesserung des Umtauschverhältnisses – die Verbindung zwischen dem Anspruch auf Barabfindung und einem Spruchverfahren zur Bestimmung einer angemessenen Barabfindung her. Dies gilt auch für den Fall, dass eine Barabfindung nicht oder nicht ordnungsgemäß angeboten worden ist. Das Spruchverfahren richtet sich nach dem SpruchG. Zuständig für das Spruchverfahren ist nach § 2 Abs. 1 SpruchG das Landgericht, in dessen Bezirk der Rechtsträger seinen Sitz hat, dessen Aktionäre antragsberechtigt sind, im Falle mehrerer zuständiger Landgerichte dasjenige, das zuerst in der Sache tätig geworden ist.[185]
125
Dieses Spruchverfahren zur Überprüfung der Abfindung von Minderheitsaktionären findet nach Art. 25 Abs. 3 S. 1 SE-VO – wie das Verfahren zur Verbesserung des Umtauschverhältnisses – nur dann Anwendung, wenn die übrigen sich verschmelzenden Gesellschaften entweder in ihrem jeweiligen Sitzstaat ein entsprechendes Verfahren haben oder anderenfalls bei der Zustimmung zum Verschmelzungsplan gem. Art. 23 Abs. 1 SE-VO durch ausdrücklichen Beschluss akzeptieren, dass die Aktionäre der beteiligten deutschen Gesellschaften auf dieses Verfahren zurückgreifen können; die Einleitung eines solchen Verfahrens hindert nicht die Ausstellung der Rechtmäßigkeitsbescheinigung gem. Art. 25 Abs. 2 SE-VO, die allerdings einen Hinweis auf das anhängige Verfahren enthalten muss. In diesem Falle kann nach § 7 Abs. 5 SEAG eine Klage gegen die Wirksamkeit des Verschmelzungsbeschlusses einer übertragenden Gesellschaft nicht darauf gestützt werden, dass das Barabfindungsangebot zu niedrig bemessen oder dass die Barabfindung im Verschmelzungsplan nicht oder nicht ordnungsgemäß angeboten worden ist.[186] Anderenfalls bleibt es bei der Anfechtungsmöglichkeit.[187]
126
Nach § 7 Abs. 7 S. 3 SEAG können auch Aktionäre einer ausländischen Gründungsgesellschaft unter den Voraussetzungen des Art. 25 Abs. 3 S. 1 SE-VO ein Spruchverfahren vor einem deutschen Gericht einleiten, wenn ihr nationales Recht ebenfalls ein derartiges Verfahren vorsieht und zudem die internationale Zuständigkeit des deutschen Gerichts gegeben ist. Aktionäre einer übertragenden Gesellschaft in einem Mitgliedstaat, der ein Spruchverfahren nicht kennt, können sich an dem deutschen Spruchverfahren nicht direkt beteiligen. Ihre wirtschaftlichen Interessen, die durch eine aus dem Vermögen der SE aufzubringende erhöhte Barabfindung betroffen sind, werden dadurch geschützt, dass sie nach § 6a SpruchG durch einen gemeinsamen Vertreter am Spruchverfahren beteiligt werden, der durch das Gericht auf Antrag bestellt wird.
1.5 Gläubigerschutz
127
Hat die SE ihren Sitz in Deutschland, werden die Gläubiger über Art. 24 Abs. 1 a SE-VO i. V. m. § 22 UmwG geschützt. Soweit sie nicht Befriedigung verlangen können, ist ihnen Sicherheit zu leisten, wenn sie ihren Anspruch binnen sechs Monaten nach Bekanntmachung der Durchführung der Verschmelzung i. S. d. Art. 28 SE-VO[188] nach Grund und Höhe schriftlich anmelden und glaubhaft machen, dass durch die Verschmelzung die Erfüllung ihrer Forderung gefährdet wird.
128
Hat die SE ihren Sitz im Ausland, könnten die Gläubiger eines übertragenden deutschen Rechtsträgers nach § 22 UmwG ihren Anspruch auf Sicherheitsleistung nur im Ausland geltend machen; der nachgeordnete Gläubigerschutz des § 22 UmwG wird ihrem Schutzinteresse also nicht ausreichend gerecht.[189] § 8 S. 1 SEAG verweist für diese Fälle daher auf die Gläubigerschutzvorschriften bei der Sitzverlegung gem. § 13 Abs. 1, 2 SEAG.[190] Danach hat jeder übertragende deutsche Rechtsträger seinen Gläubigern Sicherheit zu leisten, wenn diese binnen zwei Monaten nach Offenlegung des Verschmelzungsplans ihren Anspruch nach Grund und Höhe schriftlich angemeldet haben, Befriedigung nicht verlangen können und glaubhaft machen, dass durch die Verschmelzung ins Ausland die Erfüllung ihrer Forderungen gefährdet wird. Das zuständige Registergericht stellt nach § 8 S. 2 SEAG in diesen Fällen die Rechtmäßigkeitsbescheinigung gem. Art. 25 Abs. 2 SE-VO nur aus, wenn die Vorstandsmitglieder der betreffenden übertragenden Gesellschaft die Versicherung abgeben, dass allen berechtigten Gläubigern eine angemessene Sicherheit geleistet wurde.[191] Damit wird der Zeitpunkt der Sicherheitsleistung vor das Wirksamwerden der Verschmelzung vorgezogen und ist die Sicherheitsleistung noch von dem jeweiligen übertragenden Rechtsträger zu erbringen. Problematisch ist insoweit, dass der erfolgreiche Vollzug der Verschmelzung möglicherweise durch Rechtsstreitigkeiten über die Angemessenheit der Sicherheitsleistung verzögert oder behindert wird. Jedenfalls muss mit der Anmeldung die Zweimonatsfrist abgewartet werden, selbst wenn im Einzelfall alle anderen Voraussetzungen schon erfüllt sind.
2. Holding-SE
129
Das Verfahren zur Gründung einer Holding-SE[192] ist in Art. 32 ff. SE-VO geregelt. Es handelt sich um ein Gründungsverfahren, das im deutschen Recht bisher nicht kodifiziert ist: Die die Gründung einer Holding-SE anstrebenden Gesellschaften (Gründungsgesellschaften) wollen sich einer gemeinsamen Holding unterstellen und veranlassen ihre jeweiligen Gesellschafter, sich an der Gründung der Holding-SE durch Anteilstausch zu beteiligen. Die SE wird dadurch zur Muttergesellschaft ihrer Gründungsgesellschaften, die unter ihrem Konzerndach als abhängige Gesellschaften fortbestehen.[193]
130
Diskutiert wird die Frage, wer i. S. d. aktienrechtlichen Gründungsvorschriften Gründer der Holding-SE ist: die Gründungsgesellschaften oder deren Gesellschafter, die ihre Gesellschaftsanteile in SE-Aktien