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Die Sitzbestimmung ist danach in die Satzung nach wie vor zwingend aufzunehmen. Früher diskutierte Ausnahmen bei besonderer Interessenlage etc spielen keine Rolle mehr (vgl insofern zum bisherigen Scholz/Emmerich § 4a Rn 15; auch Lutter/Hommelhoff § 4a Rn 10; Baumbach/Hueck § 4a Rn 6 – sämtlich auf die geringe praktische Bedeutung hinweisend).
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In Betracht kommt nach wie vor nur ein (Satzungs-)Sitz, selbst wenn die GmbH mehrere Betriebsstätten oder Verwaltungsstellen aufweist; mehrere (Satzungs-)Sitze sowie auch ein Doppelsitz sind nach wie vor nur in besonders gestalteten Fällen für AG zulässig, aber wird für die GmbH nicht für gerechtfertigt gehalten (hierzu Baumbach/Hueck/Fastrich § 4a Rn 6; für AG zB nach Fusionen: LG Hamburg DB 1973, 2237 (AG); aA BayObLG DB 1985, 1280 (AG). Hinsichtlich des Doppelsitzes ist zwischen AG und GmbH unterschieden worden. Bei der GmbH kommt nur ein (Satzungs-)Sitz in Betracht. Zweigniederlassungen sind nach §§ 13 ff HGB zu behandeln und haben für den (Satzungs-)Sitz der GmbH keine Bedeutung. Vgl den Sonderfall BayObLG NZG 2000, 1142 – Zulässigkeit eines Mehrfachsitzes bei Sparkassen (öffentlich-rechtliche Anstalt, anders bei AG (BayObLGZ 1985, 111, 115). Infolge der Zulässigkeit von Verwaltungssitz(en) neben dem „Satzungssitz“ dürften die bisherigen str Fragen wohl keine Bedeutung mehr haben. Inwiefern Satzungssitz, Verwaltungssitz und inländische Geschäftsanschrift differieren können, ist in der Begründung des RegE nicht angesprochen. Solange erkenntlich kein Missbrauch ersichtlich ist, wird wohl auch bei Verschiedenheit der Angaben kein Bedenken bestehen. Insofern ist auch zu fragen, ob eine solche Gestaltung für die Gesellschaft einen Vorteil bringt, eher verwaltungstechnische erhebliche Nachteile in der Praxis.
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Bei der Feststellung darüber, ob der (Satzungs-)Sitz berechtigterweise angemeldet wird, bedient sich das Registergericht der Hilfe der IHK sowie der HWK. Es muss im Zweifelsfall bei Vorliegen einschlägiger Anhaltspunkte nach § 26 FamFG früher § 12 FGG – die erforderlichen Ermittlungen durchführen und eine Anmeldung eines fingierten, willkürlich gewählten Sitzes zurückweisen. Der satzungsmäßige Sitz muss mit dem tatsächlichen Sitz nicht mehr übereinstimmen (Betriebsstätte, Geschäftsleitung oder Verwaltung oder insofern nachzuweisender Ausnahmefall sind mE nicht mehr erheblich). Für den Rechtsverkehr ist die inländische Geschäftsanschrift entscheidend.
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Unbedenklich sind damit nach wie vor für die Festlegung des (Satzungs-)Sitzes grds Betriebstätten, Geschäftsführung bzw Verwaltung (vgl Lutter/Hommelhoff § 3 Rn 3). Die Anmietung von Geschäftsräumen und Schildern wird regelmäßig ein ausreichendes Indiz für das Vorliegen des (Satzungs-)Sitzes sein (OLG Köln BB 1987, 711 = NJW-RR 1987, 1059 = ZIP 1987, 712 – in diesen Fällen kein Missbrauch). Die früher insofern behandelten Missbrauchsfälle bei fehlendem tatsächlichem Sitz entspr der Satzung sind daher regelmäßig obsolet. Das bedeutet in Konsequenz, dass der Satzungssitz insb für die Zuständigkeit des Registergerichts entscheidend ist. Das Registergericht ist auf den Geschäftsbriefen anzugeben. IÜ sind die erforderlichen Daten durch das Unternehmensregister jederzeit greifbar (vgl §§ 8 ff HGB).
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Früheres Recht: Missbrauch war und wird wohl regelmäßig nur in extremen Ausnahmefällen anzunehmen sein. Das ist nach allg Ansicht dann der Fall, wenn die Wahl des Sitzes willkürlich ist und jede tatsächliche Beziehung der Gesellschaft zu der betr Gemeinde fehlt (OLG Zweibrücken NJW-RR 1991, 1509; OLG Stuttgart NJW-RR 1991, 1510; auch OLG Schleswig BB 1994, 810) sowie nach § 4a nF in den Fällen, in denen keine schutzwürdigen Interessen für eine von dem „Regelfall“ des § 4a abw Gestaltung angetroffen wird. Danach soll es ausreichen, wenn am betr Sitz die Möglichkeit einer wirksamen förmlichen Zustellung von Schriftstücken gegeben ist (OLG Schleswig aaO; auch Scholz/Emmerich § 3 Rn 5). Eine erreichbare Verwaltung wird folglich regelmäßig ausreichen, auch wenn sich andere Betriebsstätten oder Verwaltungsteile in anderen Gemeinden befinden. Was für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs bleibt, sind folglich ua Fälle der Wahl eines „fiktiven Sitzes“, an dem eine rechtliche Erreichbarkeit nicht gegeben ist (so zutr OLG Stuttgart NJW-RR 1991, 1510) und für dessen Wahl die Gesellschaft keinerlei nachvollziehbare Gründe darlegen kann (vgl hierzu KG Berlin 25.7.2011 – 25 W 33/11 – ZIP 2011, 1566: Sitzverlegung nur mit dem Zweck einer missbräuchlichen Zuständigkeitsbegründung für ein mögliches Insolvenzverfahren im Rahmen einer gewerbsmäßigen Firmenbestattung; vgl auch BayObLG 8.9.2003 – IZ AR 86/03). Enthält die Satzung keinen konkreten oder einen unzulässigen Sitz, so ist die maßgebliche Bestimmung nichtig. Die Eintragung ist zurückzuweisen. Wird die GmbH gleichwohl eingetragen, so greift nicht § 75 (Nichtigkeitsklage) ein, da der hier betroffene Fall dort nicht angeführt ist. Ebensowenig kommt eine Amtslöschung nach § 395 FamFG – früher § 144 FGG – in Betracht. Nach erfolgter Eintragung kann nach § 399 Abs 4 FamFG –früher § 144a Abs 4 FGG – Sitz bis dahin maßgeblich – verfahren werden, wenn der geforderte Bezug entfällt und ein fiktiver Sitz, an dem die Gesellschaft rechtlich nicht erreichbar ist, festgelegt wird (Wessel BB 1984, 1059; OLG Zweibrücken NJW-RR 1991, 1509 – im Entscheidungsfall abgelehnt) – vgl hierzu Scholz/Emmerich § 4a Rn 18; Baumbach/Hueck/Fastrich § 4a Rn 8; Lutter/Hommelhoff § 4a Rn 15). KG Berlin 24.4.2018 – 22 W 63/17 – Anmeldung der Sitzverlegung einer aufgelösten GmbH.
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Das nachträgliche Auseinanderfallen von satzungsmäßigem und tatsächlichem Sitz bewirkte bereits nach früherem Recht grds keine Nichtigkeit der entspr Satzungsbestimmung (BayObLG DB 1981, 1128; BB 1987, 1970). Es bleibt aber der Weg nach § 399 Abs 4 FamFG – früher § 144a Abs 4 FGG, wozu freilich nach früherem Recht nicht die bloße Verlegung der Büroräume ausreichen sollte (Scholz/Emmerich § 4a Rn 18 unter Hinw auf ältere Rechtsprechung BayObLGZ 1982, 140; BayObLG BB 1981, 870 = WM 1981, 1396; OLG Frankfurt OLGZ 1979, 309; OLG Köln BB 1984, 1065). Gegen den erwähnten Rechtsmissbrauch zB bei einem fingierten Sitz ohne entspr Nachweis der rechtlichen Erreichbarkeit (postalisch, Zustellmöglichkeiten, Räume etc), kann das Registergericht nach § 399 Abs 4 FamFG – früher § 144a Abs 4 FGG – vorgehen. Theoretisch ist dies auch bei einer unzulässigen Sitzverlegung der Fall (vgl OLG Schleswig BB 1994, 810). Bedauerlicherweise ließ sich die unzulässige Festlegung des Sitzes in der Praxis nur dann annehmen, wenn die Gesellschaft zu der gewählten Gemeinde keinerlei Beziehungen hat, mithin dort weder Räume noch sonstige Erreichbarkeit (postalisch, telefonisch etc) anzutreffen waren. Das ist aber durch erforderliche Angabe einer inländischen Geschäftsanschrift jedenfalls theoretisch nicht mehr erheblich. Regelmäßig waren früher Indizien für die unzulässige Sitzwahl dann anzunehmen, wenn Briefsendungen zurückkommen oder nicht zustellbar waren. Dann konnte der Registerrichter entspr Ermittlungen einleiten. Wenn eine Gesellschaft allerdings die Betriebsstätte einstellte, die Geschäftsleitung oder die Verwaltung verlegte, fielen Satzung und Wirklichkeit auseinander – dies sollte früher anders als heute zur Nichtigkeit der Satzungsbestimmung führen (vgl Baumbach/Hueck Voraufl § 4a Rn 9; Lutter/Hommelhoff Voraufl § 4a Rn 16 Nichtigkeit, für Vorgehen nach § 397 FamFG – früher § 144 FGG plädierend; ähnlich auch Scholz/Emmerich Voraufl § 4a Rn 20 – vgl hierzu BayObLG ZIP 1999, 1744 – Zuständigkeit der Insolvenzgerichte).
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