2. Alternativ-Entwurf „Straftaten gegen die Wirtschaft“
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Auch der Alternativ-Entwurf von 1977 sprach sich für eine Kodifizierung der Insolvenzdelikte innerhalb des Strafgesetzbuches aus, erweiterte jedoch im Vergleich zum geltenden Recht den Kreis der krisenunabhängigen gefährlichen Bankrotthandlungen.[13] Auf den Sondertatbestand der Gläubigerbegünstigung wurde ebenso wie auf eine § 283a StGB entsprechende Regelung verzichtet,[14] die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit wurde eingeschränkt.
3. Gesetz über die Sicherung der Bauforderungen (Bauforderungssicherungsgesetz – BauFordSiG)
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Das BauFordSiG dient dem Ziel, dass Baugeld nur zu Zwecken verwendet wird, für die es bestimmt ist, um die an der Herstellung oder dem Umbau eines Baus beteiligten Bauunternehmer vor Forderungsausfällen zu schützen.[15] Um diesen Zweck zu erreichen, statuiert § 1 BauFordSiG eine zivilrechtliche Baugeldverwendungspflicht und § 2 BauFordSiG sieht einen Straftatbestand für vorsätzliche Zuwiderhandlungen vor. Praktische Bedeutung hat insbesondere die zivilrechtliche Verwendungspflicht, die die Baugläubiger schützt, die an der Herstellung oder den Umbau eines Baus aufgrund eines Werk-, Dienst- oder Kaufvertrags beteiligt sind. Auch zwischengeschaltete Personen einer Vertragskette kommen als Baugläubiger in Betracht, sofern ein wirksamer Vertrag besteht.[16] Der Straftatbestand führt jedenfalls bislang nur ein Schattendasein.[17]
Baugeldempfänger[18] ist zunächst der Darlehensnehmer, der Baugeld von der finanzierenden Bank erhält und darüber verfügen kann, auch wenn er nicht Bauherr ist, sodann der Bauherr, der für das gesamte Baugeschehen wirtschaftlich und rechtlich verantwortlich ist, und schließlich ein Treuhänder, wenn er die Dispositionsbefugnis über Baugeld erhält und die Treuhandauflage vorsieht, dass er Baugläubiger zu befriedigen hat. Baugeldempfänger sind ferner der Bauträger, der Verkäufer schlüsselfertiger Häuser, der Generalunternehmer, der Generalübernehmer sowie selbstständig verfügungsbefugte Baubetreuer. Keine Baugeldempfänger sind Rechtsanwälte und Notare sowie Banken.
4. Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung vom 5.10.1994[19] und Gesetz zur Änderung des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung und anderer Gesetze vom 19.12.1998[20]
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Nachdem durch das 1. WiKG[21] die Konkursstraftaten wieder in das Strafgesetzbuch eingestellt worden waren, wurden sie durch das „Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung“ in Verbindung mit dem „Gesetz zur Änderung des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung und anderer Gesetze“ an die Insolvenzordnung angepasst.[22] Diesem Gesetzgebungsakt gingen langwierige Reformbestrebungen voraus, die mit der Einsetzung der Insolvenzrechtskommission 1978 begannen und mit der Verkündung der Insolvenzordnung am 18.10.1994[23] und dem Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung (EG InsO)[24] ihr Ende fanden. Das Bedürfnis für diese Reform ergab sich in erster Linie aus dem auf Dauer unhaltbaren Zustand, dass die Konkursanträge über Jahre hinweg in drei Viertel aller Insolvenzfälle mangels Masse abgewiesen werden mussten und die Zahl der eröffneten Vergleichsverfahren bedeutungslos geworden war.[25] In diesem Zusammenhang erfolgten durch Art. 60 Nr. 1 EGInsO zum 1.1.1999 eine Umbenennung der Überschrift des 24. Abschnitts des Strafgesetzbuches in „Insolvenzstraftaten“ sowie einige sprachliche Änderungen innerhalb des § 283 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 6 StGB und des § 283d Abs. 1 bzw. 4 StGB. Letztere wurden erforderlich, als das Konkursverfahren und das Vergleichsverfahren zur Abwendung des Konkurses nach der Vergleichsordnung zu einem einheitlichen Insolvenzverfahren zusammengefasst wurden und die Gesamtvollstreckungsordnung in den neuen Bundesländern ausgelaufen war.
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Eine Reform des damaligen Konkursstrafrechts war nach den Gesetzgebungsmaterialien mit dieser redaktionellen Anpassung zwar nicht beabsichtigt. Dennoch zeigte sich in Literatur und Praxis, dass durch diese Änderungen weder das Insolvenzstrafrecht im engeren noch das im weiteren Sinne[26] unberührt blieben. Durch die vereinfachte Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann etwa die objektive Strafbarkeitsbedingung des § 283 Abs. 6 StGB schneller erfüllt sein, was die Gefahr einer Vorverlagerung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit in diesem Zusammenhang birgt.[27] Dies lässt zudem die erweiterte Legaldefinition der Insolvenzgründe innerhalb der §§ 17 ff. InsO[28] befürchten. Allgemein kann konstatiert werden, dass das heutige Insolvenzverfahren schneller und leichter zu eröffnen ist als das frühere Konkursverfahren.[29] Hieraus ergibt sich eine Verschärfung des bisherigen Strafrechts.[30] Verantwortlich dafür ist unter anderem der Wegfall der Möglichkeit für den Schuldner, den Konkurs durch Beantragung eines gerichtlichen Vergleichsverfahrens im Sinne von § 1 VerglO abzuwenden. Auch der erweiterte Begriff der Zahlungsunfähigkeit in § 17 Abs. 2 InsO[31] und die Aufnahme des Insolvenzgrundes der drohenden Zahlungsunfähigkeit im Sinne von § 18 InsO[32] tragen dazu bei.[33] Als Reaktion darauf wird in der Literatur vorgeschlagen, den Inhalt der objektiven Bedingung der Strafbarkeit gem. § 283 Abs. 6 StGB neu zu bestimmen.[34]
5. Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze vom 26.10.2001[35] und Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 13.4.2007[36]
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Beide Gesetze brachten erhebliche Veränderungen im Bereich der Insolvenzordnung mit sich, um die zwischenzeitlich deutlich gewordenen Schwachstellen der Insolvenzordnung zu beseitigen. Das Kernstrafrecht wurde davon zwar nicht – zumindest nicht unmittelbar – tangiert. Jedoch sind die mittelbaren Auswirkungen der genannten Novellierungen auf das nationale Insolvenzstrafrecht nicht zu unterschätzen, da der zivilrechtlichen Insolvenzordnung Bedeutung für die Dogmatik und das Verständnis der Insolvenzstraftaten – insbesondere bezüglich der Rechtsgutsbestimmung – beigemessen werden muss.[37]
6. Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen[38]
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Um die Attraktivität der GmbH gegenüber ausländischen Gesellschaftsformen wie derjenigen der Limited[39] zu erhöhen und Missbräuche mit einer GmbH zu bekämpfen, hat der Gesetzgeber das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) auf den Weg gebracht, das zum 1.11.2008 in Kraft getreten ist. Durch erleichterte Zustellungen, die rechtsformunabhängige Insolvenzantragspflicht, eine Erweiterung des Zahlungsverbots gem. § 64 Abs. 2 GmbHG und eine Ausdehnung der Bestellungsverbote zum Geschäftsführer soll dem Missbrauch insbesondere in der Krise aktiv vorgebeugt und eine Einbeziehung der Limited in den Anwendungsbereich der Insolvenzdelikte erreicht werden.
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So erklärt das MoMiG die insolvenzrechtlichen Regelungen – wie etwa diejenige der Insolvenzantragspflicht in § 15a InsO – nicht nur reformspezifisch für die GmbH für einschlägig, sondern erweitert den Anwendungsbereich[40] auf alle Gesellschaftsformen, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist. Darunter fallen auch ausländische Gesellschaften wie die Limited, sofern sie dem Anwendungsbereich des deutschen Insolvenzrechts unterliegen.[41]
Verfügt eine GmbH über keinen eigenen Geschäftsführer, so muss jeder Gesellschafter gem. § 15a Abs. 3 InsO selbst einen Insolvenzantrag stellen,[42] außer wenn er von dem Insolvenzgrund