149
Wird ein Richter beim Amtsgericht abgelehnt, so entscheidet ein anderer Richter dieses Gerichts, außer der Abgelehnte selbst hält das Gesuch für begründet (§ 27 Abs. 3).
150
Die Entscheidung, mit der die Ablehnung für begründet erklärt wird, ergeht durch Beschluss. Eine förmliche Beweisaufnahme über die Befangenheitsgründe findet nicht statt,[120] allerdings kann das Gericht im Freibeweisverfahren Zeugen vernehmen und andere Beweise erheben.[121] Der Beschluss ist nicht selbständig anfechtbar (§ 28 Abs. 1). Dasselbe gilt für die Verwerfung oder Zurückweisung der Ablehnung, wenn die Entscheidung einen erkennenden Richter betrifft und dieser im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung noch erkennender Richter ist.[122] Die Entscheidung betrifft auch dann einen erkennenden Richter, wenn das Ablehnungsgesuch vor Eintritt der Rechtshängigkeit gestellt wurde, die Entscheidung hierüber aber erst später ergeht.[123] War der abgelehnte Richter dagegen kein erkennender Richter, so ist gegen den Verwerfungs- oder Zurückweisungsbeschluss die sofortige Beschwerde zulässig (§ 28 Abs. 2). Das Beschwerdegericht prüft den Ablehnungsbeschluss umfassend.[124]
f) Unaufschiebbare Amtshandlungen
151
§ 29 enthält detaillierte Regelungen über Amtshandlungen, die auch ein abgelehnter Richter vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs vornehmen kann. Zulässig sind grundsätzlich nur Handlungen, die keinen Aufschub gestatten (§ 29 Abs. 1). Dies sind solche, die wegen ihrer Dringlichkeit nicht anstehen können, bis der Ersatzrichter an die Stelle des abgelehnten Richters treten kann,[125] z.B. die Erhebung von Beweisen, deren Verlust droht, unaufschiebbare Haftentscheidungen[126] und die Bestimmung eines Fortsetzungstermins.[127] Die Vernehmung von Zeugen ist in der Regel aufschiebbar,[128] es sei denn, der Zeuge wäre bei Zuwarten nicht mehr erreichbar.
152
Erfolgt die Richterablehnung in der Hauptverhandlung und wäre für eine Entscheidung die Unterbrechung der Hauptverhandlung notwendig, so kann diese so lange fortgesetzt werden, bis ein Beschluss über die Ablehnung ohne Verzögerung möglich ist. Eine Entscheidung hat dann spätestens bis zum Beginn des übernächsten Verhandlungstages und in jedem Fall vor Beginn der Schlussvorträge zu ergehen (§ 29 Abs. 2). Den Zeitpunkt der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch trifft der Vorsitzende nach pflichtgemäßem Ermessen,[129] gegen dessen Entscheidung der Verteidiger einen Gerichtsbeschluss nach § 238 Abs. 2 herbeiführen kann.[130]
g) Weiteres Verfahren bei begründetem Antrag
153
Wenn das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt wurde, ist eine Wiederholung der Hauptverhandlung erforderlich (§ 29 Abs. 2 S. 2). Sie muss ausgesetzt und neu begonnen werden, wenn kein Ergänzungsrichter (§ 192 GVG) an ihr teilgenommen hat.
Anmerkungen
Vgl. hierzu Sommer Rn. 998 ff., der nach einem Befangenheitsantrag dramatische Veränderungen in der Kommunikationsstruktur ausmacht und hinter der systemimmanenten Gegnerschaft zwischen Gericht und Verteidigung plötzlich „persönliche Feindschaft“ schimmern sieht.
Vgl. Krekeler AnwBl. 1981, 327.
Vgl. auch Sommer Rn. 1003.
Vgl. LG Mainz StV 2004, 531.
Vgl. OLG Koblenz zfs 2004, 186.
So geschehen im Verfahren zur Entscheidung BGH NStZ-RR 2001, 258.
BGHSt 14, 219.
BGH NStZ 2006, 646.
BGH NStZ 2009, 342; dazu Volkmer NStZ 2009, 371.
BGH StV 1998, 57.
BGH wistra 2006, 310.
Wegen der Einzelheiten der gesetzlichen Voraussetzungen ist auf die einschlägigen Kommentierungen zur StPO zu verweisen.
Vgl. auch BGH StraFo 2011, 152.
Vgl. KK-Pfeiffer § 24 Rn. 2.
Meyer-Goßner/Schmitt § 22 Rn. 21.
BGHSt 29, 351; BGH NStZ 1985, 464.
KK-Scheuten § 22 Rn. 17.
BVerfGE 20, 9, 14; BGHSt 24, 336, 338.
Z. B. BGH StraFo 2012, 222; BGH NJW 2006, 708; vgl. auch EGMR NJW 2009, 2870.
BGHSt 21, 334, 341; KK-Scheuten § 24 Rn. 3; a.A. Strate FS Koch, S. 263 ff.
BVerfGE 32, 288, 290; BayObLG DRiZ 1977, 244.
BGH NStZ 2004, 632; BGH NStZ 2006, 49; Burhoff Hauptverhandlung, Rn. 32a.
Peters Strafprozess