Aufgrund der Äußerung des Schöffen A muss der Angeklagte davon ausgehen, dass dieser bei seiner Entscheidung nicht unvoreingenommen urteilen wird. Darüber hinaus kann der Angeklagte nicht ausschließen, dass der Schöffe ihm gegenüber Straffolgen für angemessen halten könnte, die nach den allgemeinen Vorstellungen von Rechtsstaatlichkeit nicht mehr vertretbar sind.
Zur Glaubhaftmachung bezieht sich der Angeklagte auf die dienstliche Äußerung des abgelehnten Schöffen und des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft. Es wird gebeten, diese Äußerungen noch vor einer Entscheidung über das Ablehnungsgesuch bekannt zu geben, damit Gelegenheit besteht, hierzu im Rahmen des rechtlichen Gehörs Stellung zu nehmen.
Des Weiteren bitte ich darum, mir die zur Mitwirkung bei der Entscheidung berufenen Gerichtspersonen namhaft zu machen.
Anmerkungen
KK-Scheuten § 31 Rn. 2.
LG Bremen StV 2002, 357.
BGH U. v. 28.4.2010, 2 StR 595/09.
LG Koblenz NJW 2013, 801.
Teil 3 Beginn der Hauptverhandlung › X. Ablehnungsanträge › 3. Ablehnung von Sachverständigen und Dolmetschern
3. Ablehnung von Sachverständigen und Dolmetschern
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Gemäß § 74 kann ein Sachverständiger aus den gleichen Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Aus Gründen des Sachzusammenhangs sind die Einzelheiten bei der Sachverständigenvernehmung abgehandelt. Auf die Ausführungen zu Rn. 604 ff. wird verwiesen.
158
Dasselbe gilt gemäß § 191 GVG für Dolmetscher, über deren Ablehnung das Gericht entscheidet, das den Dolmetscher zugezogen hat. Befangenheit des Dolmetschers kann insbesondere dann vorliegen, wenn dieser seine Übersetzungen mit eigenen Wertungen versieht.[1] Im Einzelnen vgl. Rn. 325 f.
Anmerkungen
LG Darmstadt StV 1995, 239; vgl. auch LG Berlin StV 1994, 180.
Teil 3 Beginn der Hauptverhandlung › X. Ablehnungsanträge › 4. Ablehnung des Staatsanwalts
4. Ablehnung des Staatsanwalts
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Die Ausschließung oder Ablehnung von Staatsanwälten ist in der StPO nicht geregelt. Die §§ 22 ff. gelten nach h.M. auch nicht entsprechend,[1] so dass die Prozessbeteiligten kein Recht auf Ablehnung eines ausgeschlossenen oder befangenen Staatsanwalts haben.[2]
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Unter welchen Umständen der Sitzungsstaatsanwalt in rechtlich erheblicher Weise befangen ist und wie die Mitwirkung des disqualifizierten Staatsanwalts verfahrensrechtlich geltend gemacht werden kann, ist im Einzelnen noch in der Diskussion.[3] In der Hauptverhandlung hat der Verteidiger die Möglichkeit, beim Vorsitzenden des Gerichts auf die Auswechslung des Staatsanwalts hinzuwirken. Allerdings kann auch das Gericht diese Maßnahme nicht gegen den Willen des Leitenden Oberstaatsanwalts durchsetzen.[4] Dessen Entscheidung und Aufgabe ist es, den Sitzungsvertreter zu ersetzen, wenn von diesem die notwendige Objektivität bei der Ausführung seiner Aufgaben nicht zu erwarten ist. Die Entscheidung des dienstvorgesetzten Staatsanwalts, den Sitzungsvertreter nicht auszutauschen, kann vom Angeklagten nicht im Wege der §§ 23 ff. EGGVG angefochten werden, da es sich hierbei nicht um einen Verwaltungsakt handelt, sondern um eine Prozesshandlung, die wegen ihrer funktionalen Bedeutung für das Strafverfahren sachlich dem Bereich der Rechtsprechung zuzuordnen ist.[5] In Betracht kommt allenfalls die Geltendmachung in der Revision, wobei der zwingende Aufhebungsgrund des § 338 Nr. 5 nicht gegeben ist, so dass das Rechtsmittel überhaupt nur begründet sein könnte, wenn nicht auszuschließen wäre, dass das Urteil auf der Mitwirkung des von der Verteidigung abgelehnten Staatsanwalts beruht. Der Verteidiger tut ohne Zweifel gut daran, die Erfolgsaussichten einer solchen Revision nicht in sein Verteidigungskalkül einzubeziehen.[6]
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Muster 12 Antrag auf Auswechslung des Staatsanwalts
An das
Landgericht
…
In der Strafsache
gegen …
b e a n t r a g e
ich, beim Leiter der Staatsanwaltschaft darauf hinzuwirken, dass der Sitzungsvertreter im vorliegenden Verfahren, Herr Staatsanwalt X, von seiner Tätigkeit abgelöst und durch einen anderen Staatsanwalt ersetzt wird.
B e g r ü n d u n g
Der Angeklagte wird beschuldigt, in einem Koffer ein Kilogramm Heroin von Indien nach Deutschland eingeführt zu haben. Er hat sich dahin eingelassen, dass ihm die Droge während seines Ferienaufenthalts in Indien unbemerkt in den Koffer gesteckt worden sei. Die Verteidigung hat daraufhin angeregt, Nachforschungen nach dem vom Angeklagten benannten indischen Bekannten über Interpol anzustellen. Dies ist nicht geschehen. In der heutigen Hauptverhandlung vom Verteidiger darauf angesprochen, erklärte der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, er werde sich um die vom Angeklagten benannte Person nicht kümmern. „Der Spatz in der Hand“ (offensichtlich der Angeklagte) sei ihm lieber als „die Taube auf dem Dach“ (womit wohl der vom Angeklagten benannte Inder gemeint sein soll).
Es bedarf keiner weiteren Begründung, dass mein Mandant von Herrn Staatsanwalt X, dem die Verurteilung des Angeklagten offensichtlich wichtiger ist als die Wahrheitsfindung, nicht die von einer Strafverfolgungsbehörde zu fordernde Objektivität bei der Erforschung und Beurteilung des Sachverhalts zu erwarten hat. Die weitere Sitzungsvertretung durch Herrn Staatsanwalt X würde daher das Gebot eines fairen Verfahrens verletzen.
Anmerkungen
BGH NStZ 1991, 595; BGH HRRS 2006 Nr. 14; KK-Scheuten Vorb. § 22 Rn. 1; Meyer-Goßner/Schmitt vor § 22 Rn. 3.
Vgl. OLG Hamm NJW 1969, 808; OLG Karlsruhe MDR 1974, 423; KK-Scheuten Vorb. § 22 Rn. 1; KMR-Bockemühl § 22 Rn. 23; LR-Siolek § 22 Rn. 11.
Vgl. hierzu KK-Scheuten Vorb. § 22 Rn. 5; Schneider NStZ 1994, 457; Pawlik NStZ 1995, 309; Hilgendorf