3. Erforderlichkeit von Kenntnissen zu § 1a KSchG
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Sodann muss die Teilnahme an einer Schulung zu § 1a KSchG gem. § 37 VI 1 BetrVG Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind.
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Das ist der Fall, wenn die Arbeitnehmervertreter die zu vermittelnden Kenntnisse unter Berücksichtigung der konkreten betrieblichen Situation benötigen, um ihre derzeitigen oder demnächst anfallenden Aufgaben sachgerecht wahrnehmen zu können.[50] Für die Beurteilung der Schulungsbedürftigkeit der einzelnen Betriebsratsmitglieder ist ihr konkreter Wissenstand und ihre Aufgabenverteilung zu berücksichtigen.[51] Enthält eine Veranstaltung auch Themen, die für die Betriebsratsarbeit nicht erforderlich sind, ist sie insgesamt nur dann als erforderlich anzusehen, wenn die erforderlichen Themen überwiegen.[52]
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Einerseits ist § 1a KSchG eine recht spezielle Norm; andererseits ist sie für die Erfüllung der Funktionen des Betriebsrats in der aktuellen betrieblichen Situation von Bedeutung. Zwar gilt § 1a KSchG grds. auf individualrechtlicher Ebene, was dagegen spricht, den Betriebsrat in diesem Bereich zu schulen. Andererseits gehört die Beratung einzelner Arbeitnehmer auch zum Aufgabenkreis des Betriebsrats; darüber hinaus kann sich § 1a KSchG als gesetzliche Wertung (wie gesehen) auch auf die Gestaltungsmöglichkeiten der Betriebsparteien auswirken. Schließlich wurde die Regelung erst vor vergleichsweise kurzer Zeit (zum 1.1.2004) eingeführt, so dass gefestigte Kenntnisse der Betriebsratsmitglieder über die Rechtslage nicht zwingend vorausgesetzt werden können. Damit ist die Schulung zu § 1a KSchG grundsätzlich erforderlich und damit kostenerstattungsfähig.
II. Verhältnismäßigkeit des Kostenaufwands
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Aus der Zusammenschau mit § 37 II BetrVG („soweit erforderlich“) und mit Blick auf den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit aus § 2 I BetrVG ist anerkannt, dass der Betriebsrat bei Aufwendungen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten hat.[53] Er muss folglich sowohl hinsichtlich der Zahl der zu entsendenden Mitglieder als auch der Dauer sowie der durch die Schulung entstehenden Kosten auf die Interessen von Arbeitgeber und Betrieb, insbesondere dessen Größe und Leistungsfähigkeit, Rücksicht nehmen.
1. Teilnahme von sieben der neun Mitglieder des Betriebsrats
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Zunächst ist problematisch, dass sieben von insgesamt neun Mitgliedern des Betriebsrats an der Schulung teilgenommen haben. Arbeitsrechtliche, wirtschaftliche und technische Grundkenntnisse sind für alle Mitglieder des Betriebsrats zur Erfüllung ihrer Aufgaben von Bedeutung.[54] Darüber hinaus können sich einzelne Mitglieder durch Schulungen im Rahmen der Aufgabenteilung innerhalb des Betriebsrats auch Spezialkenntnisse aneignen.[55]
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Die Thematik um § 1a KSchG ist im Rahmen der aktuellen betrieblichen Situation zwar von größerer Bedeutung, so dass es evtl. nicht ausreicht, wenn nur ein Mitglied an der Schulung teilnimmt. Andererseits hat der Betriebsrat im Rahmen seiner Aufgabenteilung sicherzustellen, dass keine unnötigen Kosten verursacht werden. So könnte es etwa auch ausreichen, max. drei Mitglieder zur Schulung zu entsenden, die das dort erworbene Wissen an die übrigen Mitglieder des Betriebsrats nach ihrer Rückkehr weitergeben können. Dagegen lässt sich zwar einwenden, dass die Vermittlung von Wissen aus „zweiter Hand“ problematisch ist. Allerdings zählen Kenntnisse über § 1a KSchG nicht zum arbeitsrechtlichen Basiswissen im engeren Sinne – jedenfalls nicht im Umfang einer mehrtätigen Schulung, so dass die unmittelbare Wissensvermittlung für nahezu alle Mitglieder des Betriebsrats nicht erforderlich ist. Die Teilnahme von sieben der neun Mitglieder ist somit unverhältnismäßig. Ausreichend ist vielmehr die Teilnahme von drei Mitgliedern.
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Hinweis zur Bewertung:
An dieser Stelle ist es erforderlich, dass sich die Bearbeiter (vertretbar) auf eine genaue Anzahl festlegen, um die Höhe des Erstattungsanspruchs berechnen zu können.
2. Mehrtägige Schulung
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Dass eine Schulung über mehrere Tage andauert, ist hingegen nicht per se unverhältnismäßig. Dies gilt umso mehr, wenn wie hier komplizierte rechtliche Fragestellungen angesprochen werden, die Nicht-Juristen vermittelt werden sollen.
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Wiederholung und Vertiefung:
Das BAG hat auch für Betriebsratsmitglieder ohne besondere Funktion im Einzelfall bereits fünf- bis sechstägige Schulungen anerkannt.[56]
3. Auswahl eines zu teuren Angebots?
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Möglicherweise ist der Kostenerstattungsanspruch aber zu beschränken, weil der Betriebsrat einen zu teuren Anbieter ausgewählt hat. In Bremen bestand ein Angebot, das ca. 5% günstiger war. Kann der Betriebsrat zwischen völlig gleichwertigen Schulungen wählen, so hat er zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit diejenige Schulung auszusuchen, welche die geringsten Kosten verursacht.[57]
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Eine Abweichung i.H.v. 5% ist allerdings vergleichsweise gering und liegt noch im Rahmen von Marktschwankungen. Ferner sind die Schulungen lediglich „vergleichbar“ – ob nicht vielleicht doch eine (ggf. auch nur 5% bessere) Wissensvermittlung durch die gewerkschaftliche Schulung erfolgt, wird man nicht aufklären können. Außerdem musste wegen der Dringlichkeit eine schnelle Entscheidung des Betriebsrats über den Anbieter herbeigeführt werden, so dass eine vollständige Sondierung des Marktes von Anbietern schon aus zeitlichen Gründen nicht möglich war. Schließlich wären bei Teilnahme an einer Schulung in Bremen zusätzliche Reisekosten entstanden, die mit nicht geringer Wahrscheinlichkeit – bei einer Teilnahmegebühr von 400,– EUR sind 5% gerade einmal 20,– EUR – größer gewesen wären als die Kostenersparnis. Da der Arbeitgeber nach § 40 I BetrVG auch Reisekosten tragen muss, spricht dies dagegen, dass der Betriebsrat die Schulungen in Bremen hätte buchen müssen. Die Auswahl des (etwas teureren) Angebots ist somit nicht zu beanstanden.
III. Teleologische Reduktion für gewerkschaftliche Schulungen?
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Schließlich ist zu erwägen, ob dem Anspruch auf Kostenerstattung entgegensteht, dass die Schulung von der IG Metall, also einer Gewerkschaft durchgeführt wurde. In Betracht kommt insofern, dass § 40 I BetrVG mit Blick auf die Koalitionsfreiheit des Arbeitgebers aus Art. 9 III GG teleologisch zu reduzieren ist. Das erfordert eine verdeckte Lücke (= Fehlen einer Ausnahmevorschrift) im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit.[58]
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Eine Ausnahme von der Kostentragungspflicht für gewerkschaftlich organisierte Schulungen existiert nicht, so dass eine Unvollständigkeit des positiven Rechts vorliegt.
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Weiterhin muss diese auch planwidrig sein. Das ist u.a. dann der