3. Prozessfähigkeit
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Die Prozessfähigkeit ist Prozessvoraussetzung. Fehlt sie, ist die Klage als unzulässig abzuweisen.[78] Die Prozessfähigkeit ist zugleich Prozesshandlungsvoraussetzung. Prozesshandlungen der prozessunfähigen Partei (Klage, Klagerücknahme, Anerkenntnis etc.) sind ohne Wirkung. Erlangt eine Partei im Lauf des Prozesses Prozessfähigkeit (z.B. der Minderjährige wird volljährig), kann der Prozess „pauschal“ genehmigt werden.[79]
a) Natürliche Personen
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Unter Prozessfähigkeit versteht man die Fähigkeit, einen Rechtsstreit selbst oder durch einen selbst bestellten Vertreter führen zu können (§ 51 Abs. 1 ZPO). Prozessfähig ist, wer „sich selbst durch Verträge verpflichten kann“ (§ 52 ZPO). Gemeint sind die voll Geschäftsfähigen (§§ 104 ff. BGB). Nur Volljährige können daher selbstständig Prozesse führen. Kinder unter 7 Jahren (= geschäftsunfähige Personen nach § 104 BGB) und Minderjährige zwischen 7 und 18 Jahren (= beschränkt Geschäftsfähige nach §§ 106, 114 BGB) sind nicht prozessfähig. Ausgenommen sind Rechtstreitigkeiten im Rahmen der Erwerbstätigkeit von Minderjährigen gem. §§ 112, 113 BGB (volle Geschäftsfähigkeit).[80]
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Fraglich ist, wer anstelle der Prozessunfähigen den Prozess führt. Dies ist in § 51 Abs. 1 ZPO geregelt. Eine prozessunfähige Partei muss sich durch ihren gesetzlichen Vertreter im Prozess vertreten lassen. Minderjährige werden durch ihre Eltern vertreten (§ 1629 Abs. 1 BGB). In den Fällen der §§ 112, 113 BGB dürfen sie ausnahmsweise selbst tätig werden. Unter Betreuung stehende Personen werden durch ihren Betreuer vertreten (§ 1902 BGB). Zustellen muss man immer an den gesetzlichen Vertreter (§ 170 Abs. 1 ZPO). Erhält er das an den Prozessunfähigen gerichtete Schreiben zufällig, ist eine Heilung nach § 189 ZPO möglich.[81] Die Zustellung eines Urteils an den Prozessunfähigen selbst lässt allerdings die Rechtsmittelfrist laufen.[82]
b) Juristische Personen und Personengesellschaften
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Auch juristische Personen und Personengesellschaften können nur durch ihre gesetzlichen Vertreter handeln. Sie selbst sind nach h.M. nicht prozessfähig. Juristische Personen des Privatrechts werden durch ihre vertretungsberechtigten Organe vertreten. Eine AG wird durch ihren Vorstand vertreten (§ 78 Abs. 1 AktG), ein Verein wird ebenfalls durch den Vorstand vertreten (§ 26 Abs. 1 S. 2 BGB) eine GmbH oder eine UG (haftungsbeschränkt) durch ihren Geschäftsführer (§ 35 Abs. 1 GmbHG). Die Personengesellschaften werden durch ihre vertretungsberechtigten Gesellschafter vertreten. Bei der OHG besteht Einzelvertretungsbefugnis (§ 125 HGB), bei der GbR Gesamtvertretungsbefugnis (§§ 709, 714 BGB), soweit keine anderweitige Regelung im Gesellschaftsvertrag getroffen wurde. Bei der KG sind nur die Komplementäre vertretungsbefugt, nicht die Kommanditisten (§ 170 HGB). Partnerschaftsgesellschaften und PartmbB werden durch die vertretungsberechtigten Gesellschafter vertreten (§ 7 Abs. 3 PartGG i.V.m. § 125 HGB).
Ausgangsfall
Mona ist volljährig und damit prozessfähig (§§ 51, 52 ZPO mit §§ 104 ff. BGB). Die Firma V-GmbH ist als juristische Person nicht prozessfähig, sie muss sich durch ihren Geschäftsführer (G) gem. § 35 GmbHG vertreten lassen.
c) Zulassungsstreit
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Wird die Prozessfähigkeit einer Partei bestritten (dem 90-jährigen Kläger wird seitens des Beklagten völlige Demenz vorgeworfen), gilt die Partei für diesen Zwischenstreit (Zulassungsstreit) als prozessfähig.[83] Bei Zweifeln an der Prozessfähigkeit muss das Gericht von Amts wegen mit Hilfe des Freibeweises ermitteln. Bleiben danach Unklarheiten (Demenz ja oder nein), geht dies zu Lasten der betroffenen Partei. Das Gericht muss dem Prozessunfähigen aber Gelegenheit geben, einen (vorläufigen) Betreuer zu bestellen, statt die Klage sofort als unzulässig abzuweisen.[84] Notfalls ist nach § 57 ZPO ein Prozesspfleger zu bestellen.
4. Postulationsfähigkeit
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Neben der Partei- und Prozessfähigkeit ist die Postulationsfähigkeit zu prüfen (näher Rn. 75). In Verfahren mit Anwaltszwang (§ 78 ZPO) ist die Partei nicht postulationsfähig. Sie benötigt einen Rechtsanwalt, der sie vor Gericht vertritt.[85] Anders ist es im Parteiprozess (§ 79 ZPO), also bei Prozessen vor den Amtsgerichten (Ausnahme Familiensachen). Hier ist die Partei postulationsfähig und kann den Rechtsstreit ganz alleine führen.
5. Prozessführungsbefugnis
a) Eigenes und fremdes Recht
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Die Prozessführungsbefugnis ist nicht explizit in der ZPO geregelt. Sie ist ohne weiteres gegeben, wenn der Kläger ein (behauptetes) eigenes Recht im eigenen Namen vor Gericht einklagen will. Das Gericht muss sich bei der Zulässigkeitsprüfung keine weiteren Gedanken machen. Ob dem Kläger der geltend gemachte Anspruch dann tatsächlich gegen den Beklagten zusteht, wird im Rahmen der Begründetheit der Klage untersucht (sog. Aktivlegitimation des Klägers und Passivlegitimation des Beklagten).[86]
Ausgangsfall
Vorliegend verklagt Mona die Firma V-GmbH auf Ersatzlieferung und Zahlung der Austauschkosten nach § 437 BGB wegen eines Mangels der von ihr gekauften Fliesen. Damit macht Mona vor Gericht ein eigenes Recht (sie schildert eigene Gewährleistungsansprüche) im eigenen Namen (Klägerin ist „Mona“) geltend. Das ist der Normalfall bei Gericht. In derartigen Fällen muss die Prozessführungsbefugnis in der Prüfung nicht extra angesprochen werden.
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Problematisch sind für die Gerichte allerdings Situationen, in denen der Kläger offensichtlich ein fremdes Recht im eigenen Namen einklagen will, ohne Inhaber des Rechts zu sein.
Beispiel
Mona klagt im eigenen Namen beim AG Köln den Unterhaltsanspruch ihres Freundes Thomas ein, weil Thomas sich nicht traut, einen Prozess gegen seinen Vater zu führen.
Die Rechtsprechung lehnt derartige „Popularklagen“ grundsätzlich ab. Grund ist der Schutz des Beklagten. Dieser darf grundsätzlich darauf vertrauen, nur von dem Rechtsinhaber in einen Prozess verstrickt zu werden, nicht aber von einer ihm völlig fremden Person. Nur ausnahmsweise wird diese Vorgehensweise gestattet. Ein solches Prozessführungsrecht wird als Prozessstandschaft bezeichnet.
b) Prozessstandschaft
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Werden fremde Rechte im eigenen Namen geltend gemacht, ist auf die Prozessführungsbefugnis näher einzugehen. Die Berechtigung, (als Partei des Prozesses) ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend zu machen, kann sich nur aus Gesetz oder aus der Ermächtigung des wahren Rechtsträgers ergeben. Dementsprechend wird zwischen gesetzlicher und gewillkürter Prozessstandschaft unterschieden.
aa) Gesetzliche Prozessstandschaft
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Hauptfallgruppen der gesetzlichen Prozessstandschaft sind die Prozessführung kraft Amtes und kraft gesetzlicher Ermächtigung.
Die Partei kraft Amtes stellt nach überwiegender Auffassung einen Unterfall der gesetzlichen Prozessstandschaft dar. Hauptbeispiel