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Der Prüfungsgegenstand im A-Gutachten ist der hinreichende Tatverdacht. Er liegt vor, wenn überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Beschuldigte in der Hauptverhandlung wegen einer Straftat verurteilt wird.[1] Der hinreichende Tatverdacht ist Voraussetzung für die Erhebung der Anklage, § 170 Abs. 1 i.V.m. § 203 StPO und auch für den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls, §§ 407 Abs. 1 S. 1, 408 Abs. 2 S. 1 StPO. Bevor der Beschuldigte aber angeklagt werden darf, muss ihm zuvor rechtliches Gehör gewährt werden, § 163a Abs. 1 S. 1 StPO. Ist das geschehen, wird der hinreichende Tatverdacht nur aus drei Gründen zu verneinen sein:
• | die Straftat ist nicht verfolgbar |
• | die Handlung ist nicht strafbar |
• | die Straftat ist nicht nachweisbar |
Alle genannten Gesichtspunkte müssen sich zwingend in der Prüfungsabfolge des hinreichenden Tatverdachts widerspiegeln.
Zum weiteren Aufbau des Lehrbuchs: Im ersten Abschnitt werden die einzelnen Prüfungspunkte des hinreichenden Tatverdachts im Zusammenhang dargestellt. Im zweiten und dritten Abschnitt vertiefen wir gesondert die Strafverfolgungshindernisse sowie die – besonders klausurrelevante – Beweiswürdigung inklusive der wichtigen Beweisverwertungsverbote.
A. Gewährung des rechtlichen Gehörs, § 163a StPO
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In manchen Klausurakten fällt der Tatverdacht auf eine Person, die im Ermittlungsverfahren bislang allenfalls als Zeuge in Erscheinung getreten ist.
Beispiel:
In der Wohnung des B soll nach Aussage des A der B den C geschlagen haben. In der Beschuldigtenvernehmung lässt sich B ein, dass sich A zuvor gegen dessen Willen Zutritt zur Wohnung verschafft habe. Laut Akte wurde A bislang nur als Zeuge vernommen.
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Der Prüfung des hinreichenden Tatverdachts gegen A wegen § 123 Abs. 1 StGB steht im Beispiel § 163a Abs. 1 S. 1 StPO entgegen. Erst wenn dem Beschuldigten rechtliches Gehör gewährt worden ist, soll Anklage erhoben bzw. ein Strafbefehl beantragt werden.[2] Deshalb müssen Sie (vorbehaltlich anders lautender Anweisungen im Bearbeitervermerk) im B-Gutachten den Anfangsverdacht gem. § 152 Abs. 2 StPO gegen den Zeugen prüfen und die Einleitung des Strafverfahrens, insb. die verantwortliche Vernehmung der betreffenden Person als Beschuldigten, in der Abschlussverfügung verfügen.
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Die Verdachtsstufen der StPO
Die StPO kennt drei unterschiedliche Verdachtsstufen:
• | Anfangsverdacht: Er ist für die Aufnahme von Ermittlungstätigkeiten erforderlich. Er liegt vor, wenn nach kriminalistischer Erfahrung das Vorliegen einer Straftat möglich erscheint.[3] Denselben Verdachtsgrad weist der sog. einfache Tatverdacht auf, der Voraussetzung für bestimmte Zwangsmaßnahmen ist, beispielsweise für die Durchsuchung (§§ 102 ff. StPO).[4] |
• | Hinreichender Tatverdacht wird bejaht, wenn die überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Beschuldigte in einem künftigen Strafprozess verurteilt wird. Wörtlich steht er in § 203 StPO, wonach der Richter nach Anklageerhebung nur bei diesem Verdachtsgrad das Hauptverfahren eröffnen darf. Da das Ziel der Anklageerhebung immer die Eröffnung des Hauptverfahrens sein wird, ist der Maßstab des § 203 StPO schon im Zeitpunkt der Erhebung der öffentlichen Klage gem. § 170 Abs. 1 StPO maßgeblich. |
• | Dringender Tatverdacht: Für besonders eingriffsintensive Ermittlungshandlungen wie die Untersuchungshaft (§§ 112 ff. StPO) oder die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a StPO) ist dringender Tatverdacht notwendig. Er ist gegeben, wenn der Beschuldigte nach dem gegenwärtigen Ermittlungsstand mit großer Wahrscheinlichkeit Täter oder Teilnehmer einer Straftat ist.[5] |
B. Der Obersatz
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Die Formulierung des Obersatzes weist Unterschiede zum 1. Staatsexamen auf. Zum einen ist der Prüfungsgegenstand nie die Strafbarkeit einer Handlung (nicht: „A könnte sich wegen (…) strafbar gemacht haben, indem (…)“), sondern stets nur der hinreichende Tatverdacht. Fehler an dieser Stelle wiegen schwer, weil Ihnen fehlendes Systemverständnis vorgeworfen werden könnte.
Zum anderen wird in manchen Bundesländern wie in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt verlangt, dass Sie das Beweismittel nennen, das Sie zur Prüfung eines hinreichenden Tatverdachts veranlasst.[6]
Formulierungsbeispiel:
„Die Aussage des Zeugen Bähre, der Beschuldigte A habe ihn geschlagen, gibt Anlass zur Prüfung eines hinreichenden Tatverdachts gem. § 223 Abs. 1 StGB.“
In Bundesländern wie NRW und im Bereich des Gemeinsamen Prüfungsamtes der Länder Freie Hansestadt Bremen, Freie und Hansestadt Hamburg und Schleswig- Holstein (GPA) ist es hingegen üblich, dass Sie die zu prüfende tatsächliche Handlung benennen.
Formulierungsbeispiel:
„A könnte sich gem. § 223 Abs. 1 StGB hinreichend verdächtig gemacht haben, indem/wenn[7] er M schlug.“
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Wenn Sie die Tathandlung näher beschreiben, benutzen Sie – wie auch bei der Bezeichnung der Abschnitte im A-Gutachten – nie Rechtsbegriffe; diese gilt es erst noch zu prüfen.
Falsch: „Die Aussage des Zeugen B, der Beschuldigte A habe ihm das Handy weggenommen, gibt Anlass zur Prüfung eines hinreichenden Tatverdachts gem. § 242 Abs. 1 StGB.“
Richtig: „Die Aussage des Zeugen B, der Beschuldigte A habe Bs Handy in die eigene Jackentasche gesteckt, gibt Anlass zur Prüfung eines hinreichenden Tatverdachts gem. § 242 Abs. 1 StGB.“
Nach dem Obersatz sollten Sie den hinreichenden Tatverdacht einmalig in der Klausur definieren.
C. Vorliegen von Strafverfolgungshindernissen
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Bevor Sie in die Deliktsprüfung einsteigen, denken Sie zunächst an das Vorliegen etwaiger Strafverfolgungshindernisse bzw. -voraussetzungen, die Sie nur ansprechen, sofern hierzu Anlass besteht.
Es gibt personenbezogene (z.B. Strafunmündigkeit, § 19 StGB) und sachbezogene (z.B. anderweitige Rechtshängigkeit) Strafverfolgungshindernisse bzw. -voraussetzungen. Typischerweise sind aber lediglich drei von ihnen in der Klausur relevant:
• | der Strafklageverbrauch |
• |
kein (wirksamer) Strafantrag
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