F. Planerhaltung
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Die Planerhaltung gehört zu den Elementen des Planungsrechts, die als das Planungsrecht insgesamt überspannendes Prinzip gelten können. So finden sich entsprechende Regelungen sowohl für die Bauleitplanung als auch für die Raumordnungspläne[262]. Die Planerhaltung betrifft die Frage, welche Folgen die Fehler eines Planfeststellungsbeschlusses oder einer Plangenehmigung haben. Die Vorschriften über die Planerhaltung dienen dem Ziel der Verfahrensbeschleunigung. Schon in dem Begriff der Planerhaltung kommt zum Ausdruck, dass der Erhaltung des Plans ein Vorrang vor dessen Aufhebung eingeräumt wird. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass Planfeststellungen komplexe Entscheidungen darstellen, die aufgrund des aufwendigen Verfahrens und der Vielzahl der zu beachtenden Belange sehr fehleranfällig sind. Es soll vermieden werden, dass aufgrund von Fehlern, die für das Entscheidungsergebnis nicht von Bedeutung sind oder die relativ einfach behoben werden können, der gesamte Planfeststellungsbeschluss aufgehoben werden muss und ein neues umfangreiches und zeitaufwendiges Planfeststellungsverfahren erforderlich wird[263].
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Wie auch in der Bauleitplanung sind die Folgen formeller und materieller Fehler zu unterscheiden, wobei die jeweiligen Regelungen im Fachplanungsrecht in unterschiedlichen Kontexten angesiedelt sind. Hinsichtlich der formellen Fehler unterliegen Planfeststellungsbeschlüsse den allgemeinen Regelungen der §§ 45 f. VwVfG. Dabei ist zum einen auf die Nachholungsfrist des § 45 Abs. 2 VwVfG kritisch hinzuweisen. Die Bedeutung einer Verfahrenshandlung, wie etwa der Beteiligung eines Betroffenen, wird deutlich abgewertet, wenn sie auch nach dem Erlass der Entscheidung noch nachgeholt werden kann. Betrachtet man das Planfeststellungsverfahren auch als einen Aushandlungsprozess zwischen betroffenen Belangen, ist offensichtlich, dass nach abgeschlossener Entscheidungsbildung die Beteiligung keinen Einfluss mehr ausüben kann. Die „dienende Rolle“ von Verfahrensrechten[264] kommt weiterhin in § 46 VwVfG zum Ausdruck, der seine volle Wirkung in Verbindung mit § 44a VwGO entfaltet. Hiernach führen Verfahrensfehler dann nicht zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, wenn offensichtlich ist, dass sie die Entscheidung nicht beeinflusst haben[265].
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Für materiell-rechtliche Fehler enthält das Fachplanungsrecht in § 75 Abs. 1a VwVfG eine eigene Regelung, die deutliche Parallelen zur Regelung des § 214 BauGB aufweist. Danach sind Mängel bei der Abwägung nur dann erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Hier gelten die gleichen Grundsätze wie bei § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB.
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Der Vorrang der Planerhaltung kommt besonders deutlich in der Regelung des § 75 Abs. 1a S. 2 VwVfG zum Ausdruck[266], der zur Behebung von Abwägungsfehlern[267] und der Heilung von Verletzungen von Verfahrens- uns Formvorschriften einerseits die Planergänzung und andererseits das ergänzende Verfahren vorsieht. Die Planergänzung ist die Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um eine inhaltliche Regelung. Sie hat ihren Hauptanwendungsbereich in den Fällen fehlender Schutzauflagen[268]. Das ergänzende Verfahren ist demgegenüber die Heilung von Fehlern durch Nach- oder Wiederholung unterbliebener oder fehlerhafter Verfahrensschritte[269].
I. Plangenehmigung
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Das Recht der Planfeststellung kennt neben dem Planfeststellungsbeschluss als weitere Form der Zulassung die Plangenehmigung, die in § 74 Abs. 6 VwVfG sowie den meisten Fachgesetzen vorgesehen ist. Der Gesetzgeber schafft dabei zumeist ein Regel-Ausnahme-Verhältnis. Der Regelfall der fachplanerischen Zulassung ist die Planfeststellung. Nur soweit deren Anwendungsbereich überhaupt eröffnet ist, kann unter bestimmten Voraussetzungen die Plangenehmigung an ihre Stelle treten[270]. Mit der Bereitstellung der Plangenehmigung als weitere fachplanerische Zulassung verfolgt der Gesetzgeber in erster Linie den Zweck der Verfahrensbeschleunigung. Dies kommt besonders deutlich in § 74 Abs. 6 S. 2 Hs. 2 VwVfG zum Ausdruck. Danach finden die Vorschriften über das Planfeststellungsverfahren auf die Plangenehmigung keine Anwendung. Dies bedeutet, dass die verfahrensrechtlichen Anforderungen, vor allem die aufwendigen Verfahrensschritte des Anhörungsverfahrens, bei der Plangenehmigung unterbleiben können. Demgegenüber ist die Plangenehmigung gemäß § 74 Abs. 6 S. 2 Hs. 1 VwVfG weitgehend mit den gleichen weitreichenden Rechtswirkungen wie der Planfeststellungsbeschluss ausgestattet. Das gilt zum Teil selbst für die enteignungsrechtliche Vorwirkung, die der Plangenehmigung in einer Reihe von Fachgesetzen beigelegt wird[271].
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Das Entscheidungsprogramm der Planfeststellung dient dazu, Konflikte innerhalb komplexer Interessengefüge zu einem Ausgleich zu bringen. Der Ermittlung der in diesen Gefügen zu berücksichtigenden Belange und Interessen dient insbesondere auch das Anhörungsverfahren mit seinen umfangreichen Partizipationsmöglichkeiten. Der Verzicht auf diese Verfahrenselemente ist nur dann möglich, wenn es sich um ein einfaches Vorhaben handelt, das nur geringe Auswirkungen auf öffentliche Belange und Rechte Dritter mit sich bringt, denn eine Befreiung von den materiell-rechtlichen Anforderungen erfolgt für die Plangenehmigung nicht. Diesbezüglich unterliegt sie den gleichen Anforderungen wie Planfeststellungsbeschlüsse. Dementsprechend kann gemäß § 74 Abs. 6 S. 1 Nr. 1 VwVfG die Plangenehmigung nur dann an die Stelle der Planfeststellung treten, wenn das Vorhaben Rechte Dritter nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt oder diese sich einverstanden erklären, was die Rechtsbeeinträchtigung beseitigt[272]. Für Vorhaben, die weitreichende Auswirkungen auf eine Vielzahl von Betroffenen haben, kommt die Plangenehmigung damit von vornherein nicht in Betracht.
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Gemäß § 74 Abs. 6 S. 1 Nr. 2 VwVfG ist überdies das Benehmen mit den Trägern öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird, herzustellen. Das erfordert der Sache nach eine Beteiligung der genannten Träger öffentlicher Belange. Diese ist bereits deshalb erforderlich, weil auch der Plangenehmigung die Konzentrationswirkung des § 75 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 VwVfG zukommt. Der Unterschied zum Planfeststellungsverfahren liegt hier in der fehlenden Formalisierung des Beteiligungsverfahrens.
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Die Verfahrensvereinfachung als Zweck der Plangenehmigung bedingt auch, dass das Plangenehmigungsverfahren als Trägerverfahren für eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht in Betracht kommt. Hierauf bezieht sich § 74 Abs. 6 S. 1 Nr. 3 VwVfG, wonach eine Plangenehmigung ausscheidet, wenn für das Vorhaben eine den Anforderungen des § 73 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 bis 7 VwVfG entsprechende Öffentlichkeitsbeteiligung vorgeschrieben ist, was gemäß § 18 Abs. 1 S. 4 UVPG vor allem auf die UVP zutrifft. Dementsprechend ist die fehlende UVP-Pflichtigkeit eines Vorhabens die dritte Anwendungsvoraussetzung der Plangenehmigung[273]. Dies kennzeichnet die zentrale Bedeutung, die die Regelungen über die Umweltverträglichkeitsprüfung im Rahmen des Fachplanungsrechts einnehmen: Die Entscheidung über die richtige Verfahrensart hängt maßgeblich von der UVP-Pflichtigkeit des Vorhabens ab[274].
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Das wesentliche Merkmal des Instruments der Plangenehmigung liegt gemäß § 74 Abs. 6 S. 2 Hs. 2 VwVfG in der Nichtanwendbarkeit der Anforderungen des Planfeststellungsverfahrens. Vergleicht man beide Verfahren, zeigt sich, dass der wichtigste Unterschied im Wegfall der Öffentlichkeitsbeteiligung