II. Planrechtfertigung
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Planfeststellungen greifen in der Regel in Rechte Dritter ein. Dabei kann es sich um unmittelbare Zugriffe etwa auf das Eigentum im Wege der Enteignung, aber auch um sonstige unmittelbare und mittelbare Beeinträchtigungen handeln[131]. Im Hinblick auf die von ihr ausgehenden Wirkungen auf Rechte Dritter trägt die Planfeststellung – wie hoheitliche Planungen insgesamt – ihre Rechtfertigung nicht schon in sich selbst[132]. Sie bedarf vielmehr der Rechtfertigung durch die der Planung zugrunde liegenden Zwecke. Dies kommt in dem Erfordernis der Planrechtfertigung[133] zum Ausdruck. Es handelt sich damit um die Konkretisierung des aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abzuleitenden Prinzips der Erforderlichkeit[134]. Die Schranke der Planrechtfertigung wurde vom Bundesverwaltungsgericht zunächst für die Bauleitplanung formuliert[135] und später auf das Fachplanungsrecht übertragen[136]. Während die Planrechtfertigung im Bauplanungsrecht in § 1 Abs. 3 BauGB jedoch gesetzlich verankert ist, fehlen im Fachplanungsrecht in der Regel entsprechende Vorschriften. Das Vorliegen der Planrechtfertigung ist gerichtlich voll überprüfbar[137]. Lediglich hinsichtlich Bedarfsprognosen wird den Behörden ein Beurteilungsspielraum zuerkannt[138].
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Das Erfordernis der Planrechtfertigung verlangt – auch bei privatnützigen Vorhaben[139] –, dass das Vorhaben gemessen an den Zielen des jeweiligen Fachplanungsgesetzes vernünftigerweise geboten ist. Es muss nicht unausweichlich sein[140]. Da ausdrückliche Zielfestlegungen in Fachplanungsgesetzen selten sind, müssen die Ziele in der Regel durch Auslegung ermittelt werden. Dabei erschöpfen sich die möglichen Zielsetzungen nicht nur in den primären Zwecken der Fachplanungsgesetze wie etwa der Schaffung einer ausreichenden Verkehrsinfrastruktur[141]. Insgesamt ist festzuhalten, dass es bei der Planrechtfertigung um eine Plausibilitätskontrolle geht, weshalb auch kaum ein Vorhaben an diesem Prüfungspunkt scheitert[142].
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Die Planrechtfertigung kann aus einer gesetzlichen Bedarfsplanung abgeleitet werden. Bedarfsgesetze stellen etwa das Bundesschienenwegeausbaugesetz, das Fernstraßenausbaugesetz oder das Energieleitungsausbaugesetz dar. Ist ein Vorhaben in den jeweiligen Bedarfsplan aufgenommen, ist der Bedarf für das Vorhaben verbindlich festgestellt, woraus sich zugleich die Planrechtfertigung ergibt[143]. Mit der gesetzlichen Bedarfsplanung wird eine politische Entscheidung getroffen[144], die gerichtlich im Wesentlichen nur auf ihre Plausibilität überprüft werden kann. Zu beachten ist allerdings, dass die gesetzliche Bedarfsfeststellung die Prüfung der weiteren Voraussetzungen, vor allem die Einhaltung des Abwägungsgebots nicht entbehrlich macht[145]. Die gleiche Wirkung wie der gesetzlichen Bedarfsplanung wird auch den auf Art. 170 ff. AEUV beruhenden gemeinschaftlichen Leitlinien für den Aufbau transeuropäischer Netze zuerkannt[146].
III. Vorausgegangene Entscheidungen
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Bindungen können sich für die Planfeststellungsbehörde auch aus vorausgegangenen Entscheidungen ergeben, wobei die rechtliche Einordnung sehr unterschiedlich sein kann.
1. Höherstufige Planungen
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Zunächst sind auch Planfeststellungen in der Regel eingebunden in ein Geflecht verschiedener Raum- und Fachplanungen. Hier sehen sich Planfeststellungsbehörden bindenden Entscheidungen gegenüber, die ihren planerischen Gestaltungsspielraum beschränken. Im Bereich der Gesamtplanungen sind vor allem die Bindungswirkungen zu beachten, die sich in Form von Zielen der Raumordnung aus den Raumordnungsplänen ergeben können. Raumordnungspläne enthalten insbesondere gemäß § 13 Abs. 5 Nr. 3 ROG häufig Festlegungen, die spätere Planfeststellungen unmittelbar betreffen. Als Beispiel können hier zielförmige Standortentscheidungen der Landesplanung im Bereich der Flughafenplanung dienen[147]. Mit diesen wird der Zweck verfolgt, die Standortentscheidung abzuschichten und das Planfeststellungsverfahren von dieser Entscheidung zu entlasten. Gemäß § 4 Abs. 1 ROG sind die Ziele der Raumordnung bei Planfeststellungen und Plangenehmigungen strikt zu beachten[148]. Zwar folgt hieraus keine positive Rechtspflicht zur Zulassung eines Vorhabens an dem von der Landesplanung zielförmig festgelegten Standort[149]. Die raumordnerische Abwägung entfaltet jedoch Bindungswirkung dergestalt, dass das Vorhaben auch an keinem anderen Standort verwirklicht werden kann. Grundsätze und sonstige Erfordernisse der Raumordnung entfalten gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 ROG zwar keine strikte Bindungswirkung, sind aber in der Abwägung zu berücksichtigen.
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Die Wirkung der Bauleitpläne ist gegenüber den Fachplanungen beschränkt. Planfeststellungen müssen zwar gemäß § 7 S. 1 BauGB unter den dort genannten Voraussetzungen an vorhandene Flächennutzungspläne angepasst werden. Das Bundesverwaltungsgericht vergleicht die Bindungswirkung des Flächennutzungsplans gegenüber der Planfeststellung mit der Wirkung des Entwicklungsgebots des § 8 Abs. 2 BauGB gegenüber dem Bebauungsplan[150]. Die Möglichkeit des nachträglichen Widerspruchs nach § 7 S. 4 BauGB schränkt die Bindungswirkung des Flächennutzungsplans jedoch wiederum ein. Ansonsten haben Bebauungspläne gegenüber Planfeststellungen für Vorhaben von überörtlicher Bedeutung gemäß § 38 BauGB keine Bindungswirkung. Die Festsetzungen eines Bebauungsplans müssen allerdings in der Abwägung berücksichtigt werden[151].
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Im Bereich der höherstufigen Fachplanungen sind neben den Bedarfsplänen vor allem die Linienbestimmungen als Vorgaben zu nennen. Diese finden sich gemäß § 16 FStrG und § 13 WaStrG im Bereich der straßen- und wasserstraßenrechtlichen Planfeststellung[152]. Die Linienbestimmung bestimmt den Trassenverlauf allgemein durch Ausweisung von Anfangs- und Endpunkten. Innerhalb dieses Rahmens bleibt der Planfeststellungsbehörde ein Spielraum bezüglich des konkreten Streckenverlaufs[153]. Sogar das Absehen von dem Vorhaben ist noch möglich und widerspricht nicht der Bindungswirkung der Linienbestimmung[154]. Im Abfallrecht ergeben sich Bindungswirkungen aus den Feststellungen der Abfallwirtschaftspläne. Insbesondere dürfen gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 5 KrWG für verbindlich erklärte Feststellungen der Planfeststellung nicht entgegenstehen.
2. Weisungen
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Anders als in der Bauleitplanung können in der Planfeststellung Weisungen übergeordneter Behörden die Entscheidungsfreiheit der Planfeststellungsbehörde beschränken, insbesondere im Bereich der Bundesauftragsverwaltung. So kann der Bund etwa im Bereich der Bundesfernstraßenplanung gemäß § 17b Abs. 1 Nr. 2 S. 2 FStrG durch Weisungen direkt Einfluss auf die Planfeststellung nehmen. Eine derartige Weisung entzieht die jeweilige Entscheidung zwar der Planfeststellungsbehörde. Der planerische Gestaltungsspielraum bleibt jedoch erhalten und wird lediglich durch eine andere Behörde ausgeübt[155]. Die anweisende Behörde muss die materiell-rechtlichen Bindungen beachten und ist demgemäß auch an die Anforderungen des Abwägungsgebotes gebunden[156]. Ein Abwägungsfehler in der Weisung setzt sich in der abschließenden Planungsentscheidung fort. Rechtsschutz gegen den Planfeststellungsbeschluss kann daher auch mit der Begründung erstrebt werden, dass bindende Vorentscheidungen anderer Behörden rechtswidrig sind[157].
3. Abschnittsweise Planfeststellung
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Ein