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Mit dem Vorbescheid nicht zu verwechseln ist die sog. Teilbaugenehmigung[320]. Sie ermöglicht um des beschleunigten Bauens willen, auf Antrag des Bauherrn die Genehmigung vorerst auf die Baugrube, gewisse Bauteile oder Bauabschnitte zu beschränken. Die Erteilung steht im Ermessen der Bauaufsichtsbehörde; die Ablehnung kann etwa zweckmäßig sein, wenn es an der Eilbedürftigkeit des Vorhabens fehlt und dem Bauherrn damit zumutbar ist, die Baugenehmigung abzuwarten[321]. Im Gegensatz zum Bauvorbescheid, aber im Gleichklang mit der Baugenehmigung zeichnet sich die Teilbaugenehmigung gerade durch ihre Gestaltungswirkung aus, so dass für den genehmigten Teil grundsätzlich bereits mit dem Bau begonnen werden kann. Es versteht sich von selbst, dass für den beantragten Bauabschnitt alle Genehmigungsvoraussetzungen vorliegen müssen. Weiterhin ist allerdings ein sog. vorläufiges positives Gesamturteil im Hinblick auf das Gesamtvorhaben erforderlich. Wenige Landesbauordnungen verlangen dies explizit[322], im Übrigen gilt dieses Erfordernis als ein ungeschriebenes[323]: Es ergäbe keinen Sinn, eine Teilbaugenehmigung zu erteilen, wenn das Gesamtvorhaben nicht genehmigungsfähig wäre. Zu beachten ist, dass das Institut der Teilbaugenehmigung nur im klassischen Baugenehmigungsverfahren eine Rolle spielt, nicht aber im vereinfachten Genehmigungsverfahren: Hier tritt durch die von vielen Bundesländern vorgesehene Genehmigungsfiktion[324] ohnehin schon eine Beschleunigung ein.
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In den Bauordnungen mancher Bundesländer ist ferner die sog. Typengenehmigung vorgesehen[325]. Sie zielt auf die vorweggenommene Feststellung der Übereinstimmung mit verschiedenen bauordnungsrechtlichen Anforderungen zugunsten des Herstellers baulicher Anlagen, die in großer Zahl in derselben Herstellungsweise produziert und aufgestellt werden sollen. Sie wird dem Hersteller von der obersten Bauaufsichtsbehörde des Landes erteilt, kommt aber als Verwaltungsakt mit Drittwirkung auch dem jeweiligen Bauherrn zugute[326].
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Eine ähnliche Konstellation betrifft die sog. fliegenden Bauten. Darunter sind bauliche Anlagen zu verstehen, die für eine gewisse Zeit an unterschiedlichen Orten aufgestellt und wieder abgebaut werden, wie etwa Achterbahnen oder Bier- und Zirkuszelte. Vor ihrer ersten Aufstellung bedürfen sie statt einer Baugenehmigung einer Ausführungsgenehmigung[327]. Diese braucht bei späterer Aufstellung der jeweils örtlich zuständigen Behörde nurmehr vorgelegt werden. Die Behörde ist auf eine Gebrauchsabnahme beschränkt und prüft nur noch, ob die Nutzung an dem gewählten Standort aufgenommen werden darf[328].
a) Verfahrenseinleitung
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Das Baugenehmigungsverfahren beginnt mit dem schriftlichen Bauantrag, den der Bauherr zusammen mit den zur Durchführung des Baugenehmigungsverfahrens erforderlichen Unterlagen, den Bauvorlagen, bei der Gemeinde einreicht, die auf diese Weise frühzeitig informiert ist. Die Gemeinde leitet den Bauantrag dann an die (staatliche) Bauaufsichtsbehörde weiter, wenn sie nicht selbst Bauaufsichtsbehörde ist[329]. Art und Inhalt der Bauvorlagen werden zumeist durch Verordnungen zu den Landesbauordnungen festgelegt[330]. Danach sind etwa der Lageplan, Bauzeichnungen, die Baubeschreibung sowie bautechnische Nachweise vorzulegen. Die Bauvorlagen müssen vom bauvorlageberechtigten Entwurfsverfasser und vom Bauherrn unterzeichnet sein[331].
b) Prüfung der Bauvorlagen
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Die bauaufsichtliche Überprüfung der von dem Entwurfsverfasser oder einem sonstigen Fachmann eingereichten Bauvorlagen erfolgt für Fragen der Bautechnik, etwa des Brand-, Schall- und Erschütterungsschutzes oder der Standsicherheit, im Ausgangspunkt nach dem sog. „Vier-Augen-Prinzip“[332]. Sofern die bauaufsichtliche Prüfung nicht entfällt[333], schreiben die Bauordnungen für bestimmte Fälle die Heranziehung von Dritten vor. Diese fungieren dann anstelle der Bauaufsichtsbehörde als „zweites Augenpaar“. Dabei kennt die MBO – als „entwicklungsoffener Rahmen“ (siehe Rn. 11) – die Wahl zwischen zwei Modellen[334]:
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Zum einen können die Bauaufsichtsbehörden amtlich anerkannte Prüfingenieure oder Prüfämter mit der Prüfung der bautechnischen Nachweise des Entwurfsverfassers beauftragen[335]. Die Prüfingenieure nehmen, gestützt auf die jeweilige Bauordnung oder Vorschriften auf Grund der Bauordnung, im Auftrag der Bauaufsichtsbehörden in ihrem jeweiligen Fachbereich bauaufsichtliche Prüfaufgaben wahr[336]. Ihnen werden also hoheitliche Aufgaben in eigener Verantwortung und Zuständigkeit übertragen; sie sind dementsprechend als Beliehene tätig[337]. Ergebnis der Arbeit des Prüfingenieurs ist der Prüfbericht, welcher der Bauaufsichtsbehörde als Grundlage für die Entscheidung über die Baubewilligung dient und i.d.R. von der Behörde übernommen wird. Fehler des Prüfingenieurs bei der Durchführung der Prüftätigkeit können eine Amtshaftung des Rechtsträgers der Bauaufsichtsbehörde auslösen[338].
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Zum anderen sehen die meisten Bauordnungen nunmehr mit der Möglichkeit der Heranziehung privater Sachverständiger eine weitergehende Auslagerung der Prüfung der bautechnischen Nachweise vor[339]. Die privaten Sachverständigen werden als Prüfsachverständige bezeichnet. Sie „prüfen und bescheinigen […] im Auftrag des Bauherrn oder des sonstigen nach Bauordnungsrecht Verantwortlichen die Einhaltung bauordnungsrechtlicher Anforderungen, soweit dies [in der jeweiligen Bauordnung] oder in Vorschriften aufgrund [der Bauordnung] vorgesehen ist“[340]. Die Prüfsachverständigen sind ausschließlich im Rahmen eines privatrechtlichen Vertrags mit dem Bauherrn tätig[341]. Das „zweite Augenpaar“ gehört damit nicht der staatlichen Bauaufsicht an, sondern wird einer Privatisierung zugänglich gemacht[342]. Das Modell der Heranziehung privater Sachverständiger hat zur Folge, dass der Bauherr für das Vorhaben die Verantwortung trägt[343]. Damit ist die Einführung des Prüfsachverständigen eine weitere Ausprägung der bereits skizzierten Entwicklung einer verstärkten Eigenverantwortung des Bauherrn[344].
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Bescheinigen (Prüf-)Sachverständige die sog. bautechnischen Nachweise[345], überprüfen die Bauaufsichtsbehörden die bautechnischen Nachweise in den meisten Ländern nicht mehr[346]. Die bautechnischen Nachweise werden dann auch nicht Gegenstand der Baugenehmigung und damit auch nicht ihrer Legalisierungswirkung[347]. Bei fehlerhaften Nachweisen kann die Bauaufsichtsbehörde daher von allen Eingriffsbefugnissen Gebrauch machen[348]. In Bayern besteht die Besonderheit, dass die entsprechenden Anforderungen ausdrücklich als eingehalten gelten, wenn sie von Prüfsachverständigen bescheinigt werden[349]. Ausweislich der Gesetzesbegründung fingiert diese Norm, dass das Bauvorhaben die materiell-rechtlichen Anforderungen erfüllt (sog. materielle Legalitätsfiktion)[350]. Zwar werden die Prüfsachverständigen nicht hoheitlich tätig[351], doch wird deren Bescheinigung hinsichtlich der vertrauensschützenden Wirkung aufgrund der Fiktion derjenigen einer Baugenehmigung gleichgestellt. Daher soll die Behörde bei einer rechtswidrigen Bescheinigung auch nur dann einschreiten können, wenn die hohen Voraussetzungen für ein Eingreifen bei bestandsgeschützten Anlagen vorliegen[352]. Beruft sich der Nachbar darauf, dass der Prüfsachverständige die Anforderungen z.B. an den Brandschutz rechtswidrig bescheinigt hat, muss er auf Verpflichtung der Bauaufsichtsbehörde zum Einschreiten klagen, wobei die erwähnten hohen Voraussetzungen vorliegen müssen.
c) Beteiligung anderer öffentlicher Stellen
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