aa. Sendungen und nutzergenerierte Videos
Ein Videosharingplattform-Dienst betrifft zunächst die Bereitstellung von Sendungen und nutzergenerierten Videos.
Sendung ist nach der Legaldefinition des § 2 Satz 1 Nr. 13 TMG und § 3d Abs. 1 Nr. 3 NetzDG-E eine Abfolge von bewegten Bildern mit oder ohne Ton, die unabhängig von ihrer Länge Einzelbestandteil eines von einem Diensteanbieter erstellten Sendeplans oder Katalogs ist. Der Begriff der Sendung geht auf Art. 1 Abs. 1 lit. b AVMD-RL zurück und umfasst „insbesondere Spielfilme, Videoclips, Sportberichte, Sitcoms, Dokumentationen, Kindersendungen und Originalproduktionen.“87
Ein nutzergeneriertes Video ist in § 2 Satz 1 Nr. 14 TMG und § 3d Abs. 1 Nr. 2 NetzDG-E als eine von einem Nutzer erstellte Abfolge von bewegten Bildern mit oder ohne Ton, die unabhängig von ihrer Länge einen Einzelbestandteil darstellt und die von diesem oder einem anderen Nutzer auf einen Videosharingplattform-Dienst hochgeladen wird, definiert. Die Definition setzt Art. 1 Abs. 1 lit. ba AVMD-RL in deutsches Recht um.88
Auch wenn animierte GIF-Bilder ebenfalls eine Abfolge von bewegten Bildern darstellen können, sollen sie nach Erwägungsgrund 6 Satz 2 der RL (EU) 2018/1808 nicht von der Richtlinie erfasst werden. Sie unterfallen damit auch nicht den Begriffen Sendung und nutzergeneriertes Video i.S.d. TMG, da diese gerade auf die Richtlinie zurückgehen.
bb. Keine redaktionelle Verantwortung des Diensteanbieters
Im Gegensatz zum Anbieter eines audiovisuellen Mediendienstes auf Abruf (§ 2 Satz 1 Nr. 8 TMG) trägt der Videosharingplattform-Anbieter keine redaktionelle Verantwortung für die Sendungen und nutzergenerierten Videos, die er der Allgemeinheit bereitstellt.89 Bei dieser handelt es sich um die Ausübung einer wirksamen Kontrolle hinsichtlich der Zusammenstellung der Sendungen und ihrer Bereitstellung mittels eines Katalogs (§ 2 Satz 1 Nr. 12 TMG).
cc. Organisation der Sendungen und der nutzergenerierten Videos, auch mit automatischen Mitteln
Die Organisation mit automatischen Mitteln betrifft „insbesondere Anzeigen, Tagging und die Festlegung der Abfolge.“90 Der Gesetzesbegründung zufolge sollen „nichtwirtschaftliche Tätigkeiten, wie die Bereitstellung audiovisueller Inhalte auf privaten Webseiten und durch nichtwirtschaftliche Interessengemeinschaften“, keine Videosharingplattform-Dienste sein; dabei nimmt die Gesetzesbegründung Bezug auf Erwägungsgrund 6 der RL (EU) 2018/1808.91
dd. Bereitstellung von Sendungen und nutzergenerierten Videos für die Allgemeinheit als Hauptzweck oder wesentliche Funktion
Der Hauptzweck oder eine wesentliche Funktion des Telemediums muss zudem in der Bereitstellung von Sendungen und nutzergenerierten Videos für die Allgemeinheit bestehen.
Von einer solchen Bereitstellung ist auszugehen, wenn die Sendungen und nutzergenerieren Videos zum Abruf durch die Nutzer des Dienstes bereitgehalten werden.92 Diese erfolgt für die Allgemeinheit, wenn sie sich – entsprechend einer öffentlichen Zugänglichmachung – an eine unbestimmte Vielzahl von Personen richtet.93
Bei der Bereitstellung von Sendungen und nutzergenerierten Videos handelt es sich um den Hauptzweck des Telemediums, wenn sie dessen eigentlicher bzw. wichtigster Zweck ist.94 Nach Erwägungsgrund 5 Satz 2 der RL (EU) 2018/1808 ist sie eine wesentliche Funktion, „wenn der audiovisuelle Inhalt im Rahmen der Tätigkeit des sozialen Netzwerks [bzw. Telemediums] nicht bloß von untergeordneter Bedeutung ist oder nur einen geringfügigen Teil der Tätigkeiten des sozialen Netzwerks [bzw. Telemediums] darstellt.“ Erwägungsgrund 5 Satz 3 der RL (EU) 2018/1808 enthält den Auftrag an die Kommission zur Schaffung von „Leitlinien für die praktische Anwendung des [...] Kriteriums der wesentlichen Funktion“.
ee. Trennbare Teile von Telemedien
Gemäß § 2 Satz 1 Nr. 10 lit. b TMG und § 3d Abs. 1 Nr. 1 lit. b NetzDG-E sind auch trennbare Teile von Telemedien Videosharingplattform-Dienste, wenn für den trennbaren Teil der vorgenannte Hauptzweck vorliegt. Liegt ein solcher trennbarer Teil vor, stellt jedoch nur dieser Teil des Telemediums einen Videosharingplattform-Dienst dar, sodass auch nur auf diesen Teil die speziellen Regelungen für Videosharingplattform-Dienste Anwendung finden.95 Im Übrigen kann es sich jedoch weiterhin um ein soziales Netzwerk handeln, für welches das TMG,96 aber auch NetzDG gilt.
Videos, die in redaktionelle Inhalte der Online-Presse eingebettet sind, sind grundsätzlich keine trennbaren Teile von Telemedien und sollen vom Begriff des Videosharingplattform-Dienstes nach Erwägungsgrund 6 Satz 2 der RL (EU) 2018/1808 nicht erfasst sein.
ff. Ergebnis zu Videosharingplattform-Anbietern
Videosharingplattform-Anbieter sind Telemediendiensteanbieter, die eine besondere Art von Telemedien, nämlich Videosharingplattform-Dienste, betreiben. Ein solcher Videosharingplattform-Dienst liegt vor, wenn der Hauptzweck oder eine wesentliche Funktion des Telemediums oder der Hauptzweck eines trennbaren Teils des Telemediums darin besteht, Sendungen oder nutzergenerierte Videos, für die der Diensteanbieter keine redaktionelle Verantwortung trägt, der Allgemeinheit bereitzustellen. Demnach handelt es sich etwa bei YouTube um einen Videosharingplattform-Dienst, da die Plattform gerade darauf gerichtet ist, dass ihre Nutzer Videos in sie einstellen und verbreiten.
f. Ergebnis zur Qualifizierung der Anbieter sozialer Netzwerke als Telemediendiensteanbieter
Anbieter von Plattformen mit den typischen Funktionen eines sozialen Netzwerks97 sind grundsätzlich als Diensteanbieter i.S.d. § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG zu qualifizieren. Sie sind folglich Telemediendiensteanbieter i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 NetzDG. Sofern der Hauptzweck oder eine wesentliche Funktion des Telemediums oder der Hauptzweck eines trennbaren Teils des Telemediums darin besteht, Sendungen oder nutzergenerierte Videos, für die der Diensteanbieter keine redaktionelle Verantwortung trägt, der Allgemeinheit bereitzustellen, wobei der Diensteanbieter die Organisation der Sendungen und der nutzergenerierten Videos, auch mit automatischen Mitteln, bestimmt, kann es sich bei dem Telemediendiensteanbieter eines sozialen Netzwerks auch um einen Videosharingplattform-Anbieter i.S.d. § 2 Satz 1 Nr. 11 TMG handeln.
3. Nutzer
Die Legaldefinition des Begriffs des sozialen Netzwerks nach § 1 Abs. 1 Satz 1 NetzDG verlangt als weiteres Merkmal die Bestimmung der Plattform dazu, dass ihre „Nutzer“ über sie beliebige Inhalte mit anderen Nutzern teilen oder der Öffentlichkeit zugänglich machen. Nach den Gesetzesmaterialien ist Nutzer „eine natürliche oder juristische Person, die die Infrastruktur der Plattform zugangsfrei nutzt, insb. um auf Inhalte zuzugreifen und um Informationen zu erlangen (vgl. § 2 Nummer 3 TMG)“.98 Die Definition der Gesetzesbegründung entspricht weitestgehend der Legaldefinition des Begriffs des Nutzers im TMG, auf die auch durch den Klammerzusatz verwiesen wird.
Nutzer ist gem. § 2 Satz 1 Nr. 3 TMG jede natürliche oder juristische Person, die Telemedien nutzt, insb. um Informationen zu erlangen oder zugänglich zu machen. Der Begriff ist weit zu verstehen und umfasst die Nutzung z.B. des Internets und damit auch sozialer Netzwerke in jeder Art und Weise.99 Es ist unerheblich, ob die Nutzung privat oder beruflich erfolgt.100 Auch handelt es sich wegen der Formulierung „insbesondere“ bei den genannten Zwecken der Erlangung und Zugänglichmachung von Informationen nur um Beispiele. Demgegenüber stellt § 1 Abs. 1 Satz 1 NetzDG maßgeblich auf das Teilen und öffentliche