a. Natürliche und juristische Personen sowie Personengesellschaften
Sowohl natürliche (§§ 1ff. BGB) als auch juristische Personen (§§ 21ff. BGB; z.B. e.V., GmbH, AG) können Diensteanbieter i.S.d. § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG und damit Telemediendiensteanbieter i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 NetzDG sein. Diensteanbieter können damit nicht nur Firmen und Unternehmen – wie z.B. die Betreiberunternehmen41 von Facebook, Twitter und YouTube – sein, sondern jede Person. Daher können, wenn die weiteren Voraussetzungen gegeben sind, auch die Nutzer von sozialen Netzwerken selbst Diensteanbieter, z.B. ihrer Nutzerprofile oder den von ihnen betriebenen Unternehmens- und Fan-Seiten, sein.42
Personengesellschaften (z.B. OHG, KG und GbR43), die mit der Fähigkeit ausgestattet sind, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen, sind durch § 2 Satz 2 TMG den juristischen Personen gleichgestellt und können daher ebenfalls Diensteanbieter sein.
Gerade bei den Anbietern der großen kommerziellen sozialen Netzwerke handelt es sich grundsätzlich um juristische Personen. Die persönlichen Voraussetzungen der Diensteanbietereigenschaft sind damit in aller Regel erfüllt.
b. Telemedien
Als weiteres Merkmal des Diensteanbieterbegriffs ist es erforderlich, dass die von dem Diensteanbieter betriebene Plattform ein Telemedium i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 TMG44 ist. Telemedien werden dort legal definiert als elektronische Informations- und Kommunikationsdienste (siehe aa.), soweit sie nicht Telekommunikationsdienste nach § 3 Nr. 24 des Telekommunikationsgesetzes (TKG), die ganz in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen (siehe bb.), telekommunikationsgestützte Dienste nach § 3 Nr. 25 TKG (siehe cc.) oder Rundfunk nach § 2 des Rundfunkstaatsvertrages, seit 7.11.2020 durch § 2 des Medienstaatsvertrages (MStV; siehe dd.) ersetzt, aber nicht zeitgleich in § 1 Abs. 1 Satz 1 TMG geändert, sind.
aa. Elektronische Informations- und Kommunikationsdienste
Nach der Legaldefinition des Begriffs des Telemediums in § 1 Abs. 1 Satz 1 TMG handelt es sich bei einem solchen um einen elektronischen Informations- und Kommunikationsdienst. Der Begriff des „elektronischen Informations- und Kommunikationsdienstes“ als einziges positives Tatbestandsmerkmal der Definition ist wegen der weiteren Negativabgrenzung in § 1 Abs. 1 Satz 1 TMG als Oberbegriff für Telemedien, Rundfunk und Telekommunikationsdienste zu verstehen.45
Bei einem elektronischen Informations- und Kommunikationsdienst handelt es sich mithin um Dienste, „die elektronisch Text, Bild- oder Toninhalte anbieten“.46 Das Gesetz verlangt eine elektronische Erbringung des Dienstes, was Telemedien gegenüber nichtelektronischen Medien, insb. Printmedien, abgrenzt.47 Voraussetzung ist zudem, dass „die Datenübermittlung mittels Telekommunikation erfolgt“, sodass Dienste, die z.B. auf CD-ROM, DVD oder sonstigen Datenträgern vertrieben werden, keine Telemedien sind.48
Der Begriff „Dienst“ bezieht sich auf eine Dienstleistung im Ganzen.49 Für soziale Netzwerke bedeutet dies, dass nicht auf die einzelnen Funktionen abzustellen ist, sondern das Gesamtangebot die Dienstleistung des Diensteanbieters und damit den Dienst darstellt.50
Die Dienstleistung, also der Dienst muss Information oder Kommunikation zum Gegenstand haben, wobei sich der Begriff der Information auf Daten jeglichen Inhalts bezieht.51 Mit ihren typischen Funktionen52 erfüllen soziale Netzwerke die Voraussetzungen eines elektronischen Informations- und Kommunikationsdienstes. Die Nutzer können in das soziale Netzwerk eigene Informationen eingeben und verbreiten sowie Informationen anderer Nutzer über das soziale Netzwerk abrufen. Zudem können sie mittels Chat- bzw. Messenger-Funktionen und Nachrichten- bzw. Mail-Funktionen, ähnlich wie mit einer E-Mail, in einen unmittelbaren Austausch mit anderen Nutzern treten.
bb. Keine Telekommunikationsdienste i.S.d. § 3 Nr. 24 TKG
Als erste Negativabgrenzung des § 1 Abs. 1 Satz 1 TMG sind Telekommunikationsdienste nach § 3 Nr. 24 TKG, die ganz in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen, vom Begriff des Telemediums ausgenommen. Gemäß § 3 Nr. 24 TKG sind Telekommunikationsdienste in der Regel gegen Entgelt erbrachte Dienste, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen. Davon umfasst sind auch Übertragungsdienste in Rundfunknetzen (§ 3 Nr. 24 TKG a.E.). § 1 Abs. 1 Satz 1 TMG versagt jedoch nur solchen Telekommunikationsdiensten die Eigenschaft als Telemedien, die „ganz“ in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen. Hierbei handelt es sich um Dienste, die allein in der Signalübertragung, also dem Transport von Daten, bestehen und darüber hinaus „keine weitere, inhaltliche Komponente“ besitzen.53 Dienste, die lediglich „überwiegend“ in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen, können daher zusätzlich zu ihrer Eigenschaft als Telekommunikationsdienst auch Telemedium sein.54 Regelmäßig sollen E-Mail-Provider derartige Dienste sein, wenn „sie nicht nur einen Signaltransport übernehmen“, sondern zusätzlich die Verwaltung (z.B. Lesen, Schreiben, Archivieren) der E-Mails über ein Webportal ermöglichen.55 Als Folge dessen fänden sowohl das TKG als auch TMG Anwendung auf diese Dienste.56
Im Rahmen sozialer Netzwerke können demnach insbesondere deren Chat- bzw. Messenger-, Nachrichten- bzw. Mail- und (Video-)Telefonie-Funktionen den Telekommunikationsdiensten unterfallen, da sie der Datenübermittlung dienen und mit einem E-Mail-Dienst bzw. herkömmlichen Telefonat57 vergleichbar sein könnten.58 Allerdings erscheint es fraglich, ob die genannten Funktionen überhaupt in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze59 bestehen. Bei den aufgezählten Individualkommunikationsdiensten innerhalb sozialer Netzwerke werden von dem Diensteanbieter des sozialen Netzwerks nämlich keine Signale über ein Telekommunikationsnetz von einem zum anderen Dienst übertragen, sondern der Austausch findet allein auf den Servern bzw. in den Datenbanken des sozialen Netzwerks statt und verbleibt damit grundsätzlich innerhalb der Infrastruktur des sozialen Netzwerks, also desselben Dienstes. Gerade die Nachrichten- bzw. Mail-Funktion eines sozialen Netzwerks ist deshalb in ihrer Übertragungsweise mit der herkömmlichen E-Mail nicht vergleichbar. Anderer Auffassung ist jedoch das KG Berlin, das ausführt, dass ein soziales Netzwerk hinsichtlich der Chat- bzw. Messenger-, Nachrichten- bzw. Mail- und (Video-)Telefonie-Funktionen einen Telekommunikationsdienst erbringt, da es sich „die Signalübertragungsleistungen der Telekommunikationsunternehmen zurechnen lassen“ muss.60 Dabei nimmt das Gericht Bezug auf ein Urteil des VG Köln zu dem von Google betriebenen E-Mail-Dienst Gmail, in welchem eine solche Zurechnung der Signalübertragung festgestellt wird.61 Ausweislich der Urteilsgründe bezieht sich die Zurechnung aber auf „die raumübergreifende Signalübertragung zwischen den beteiligten Servern“.62 Mit den „beteiligten Servern“ meint das VG Köln jedoch die beteiligten Mailserver von Gmail und anderen E-Mail-Providern, zwischen denen die gesendeten E-Mails ausgetauscht werden.63
Der EuGH verneint hingegen die Eigenschaft von Gmail als elektronischer Kommunikationsdienst.64 Bei der Nachrichtenübertragung innerhalb eines sozialen Netzwerks liegt darüber hinaus kein Fall des Austauschs zwischen Servern verschiedener Provider vor. Die zwischen den Nutzern eines sozialen Netzwerks ausgetauschten Nachrichten verbleiben grundsätzlich innerhalb des sozialen Netzwerks. Sie verlassen dieses erst, wenn sie durch den Nutzer unter Nutzung eines Network- und Accessproviders über das soziale Netzwerk abgerufen werden, wobei die Übermittlung allein an das jeweilige Endgerät des Nutzers zum Abruf bzw. zur Anzeige im Browser oder einer App erfolgt.
Vorliegend kann die Frage der Anwendbarkeit des TKG auf die Individualkommunikationsdienste sozialer Netzwerke im Ergebnis jedoch offenbleiben, da bereits die übrigen Bestandteile eines sozialen Netzwerks, insb. die Profile, Gruppen und Fan-Seiten das soziale Netzwerk (auch) als Telemedium qualifizieren. Denn mit diesen Funktionen wird deutlich, dass der Dienst des sozialen Netzwerks gerade nicht „ganz“ der Übertragung von Signalen dient. Zudem folgen die hier zu untersuchenden Strafbarkeitsrisiken