Aus dem gleichen Grund wie das Vorsatzerfordernis ausscheidet, scheidet auch eine Anwendung des Tatbestandsirrtums (§ 16 StGB, § 11 Abs. 1 OWiG) aus, da ein Irrtum über das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen der Haftungsprivilegierungen nicht einen Umstand betrifft, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört. Dieser wird bei einer Qualifikation der Haftungsprivilegierungen als eigenständige Vorfilter – wie ausgeführt – gerade nicht berührt oder modifiziert, da die Prüfung der Haftungsprivilegierung vorgelagert und außerhalb der allgemeinen Gesetze und damit unabhängig vom Tatbestand erfolgt. Gleiches gilt für eine Anwendung des Verbotsirrtums (§ 17 Satz 1 StGB, § 11 Abs. 2 OWiG), der das Unrechtsbewusstsein betrifft.390 Dieses setzt zwar keine Kenntnis der Strafbarkeit voraus, umfasst aber neben dem Bewusstsein der Rechtswidrigkeit auch den materiellen Grund der Rechtswidrigkeit.391 Letzterer liegt in der Verwirklichung des Straftatbestandes. Sowohl dieser als auch die Rechtswidrigkeit bleiben bei einer Qualifikation der §§ 8 bis 10 TMG als eigenständige Vorfilter, die vorgelagert und außerhalb des allgemeinen Haftungstatbestands zu prüfen sind, unberührt.
Die Qualifizierung der Haftungsprivilegierungen als eigenständige Vorfilter führt zudem dazu, dass eine Teilnahme an der Tat eines Diensteanbieters möglich ist, auch wenn dieser in seiner Haftung privilegiert ist. Eine Teilnahme setzt nämlich eine vorsätzlich begangene rechtswidrige Tat als Anknüpfungstat voraus (§§ 26, 27 Abs. 1 StGB). Eine solche Tat des Diensteanbieters wird durch das Vorliegen einer Haftungsprivilegierung nach §§ 8 bis 10 TMG nicht beseitigt, wenn diese eigenständig und damit außerhalb der allgemeinen Gesetze zu prüfen sind. Die Voraussetzungen der Haftungsprivilegierungen lassen dann den objektiven und subjektiven Tatbestand sowie die Rechtswidrigkeit gänzlich unberührt und führen nicht zu deren Entfallen. Demnach kann trotz einer Privilegierung des Diensteanbieters eine durch diesen vorsätzlich begangene rechtswidrige Tat vorliegen, an welcher Dritte teilnehmen können. Diese Akzessorietät wird in diesem Fall auch nicht durch die §§ 28, 29 StGB und § 14 Abs. 3 OWiG durchbrochen. § 28 Abs. 1 StGB führt zu einer Strafmilderung nach § 49 Abs. 1 StGB und damit zu einer Lockerung der Akzessorietät,392 wenn beim Teilnehmer besondere persönliche Merkmale fehlen, welche die Strafbarkeit des Täters begründen. Ein solches Merkmal liegt vor, „wenn ohne dieses Merkmal kein tatbestandsmäßiges Verhalten vorliegt.“393 Wie dargestellt, lassen die Haftungsprivilegierungen als eigenständige Vorfilter den Tatbestand des Strafgesetzes und damit auch das tatbestandsmäßige Verhalten unberührt. Sie begründen auch nicht die Strafbarkeit des Täters, da sie allein eine privilegierende Wirkung entfalten,394 sodass die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 StGB nicht vorliegen. Ebenfalls keine Anwendung finden § 29 StGB und § 14 Abs. 3 Satz 1 OWiG, da die Haftungsprivilegierungen als eigenständige Vorfilter nicht die Schuld betreffen. Demgegenüber entspricht die Qualifizierung als eigenständige Vorfilter mit der Folge einer möglichen Teilnahme Dritter dem Grundgedanken des § 28 Abs. 2 Var. 3 StGB und § 14 Abs. 3 Satz 2 OWiG. Danach gelten besondere persönliche Merkmale, welche die Strafe oder Ahndung ausschließen nur für den Beteiligten (Täter oder Teilnehmer), bei dem sie vorliegen. Die damit einhergehende Durchbrechung der Akzessorietät liegt der Gedanke zugrunde, dass „der Teilnehmer [...] in jedem Fall bestraft werden [soll], wenn eine teilnahmefähige Haupttat vorliegt und er die in den §§ 26, 27 StGB normierten Voraussetzungen erfüllt.“395 Täterbezogene Merkmale, die zu einem Ausschluss der Strafe führen, dürfen deshalb allein demjenigen Tatbeteiligten zugerechnet werden, für den sie vorliegen.396 Anderenfalls würde ein direkt vorsätzlich handelnder, umfassend helfender und damit gefährlicher Gehilfe nicht bestraft werden, wenn ein besonderes persönliches Merkmal die Strafe für den Täter ausschließt, obwohl im Übrigen eine Straftat verwirklicht wurde.397 Dabei können die eine Strafbarkeit ausschließenden Merkmale „auf jeder Deliktsstufe in Erscheinung treten und weisen deshalb keinen spezifischen Bezug auf ein bestimmtes Systemelement auf.“398 Eine Anwendung des § 28 Abs. 2 StGB und § 14 Abs. 3 OWiG würde vorliegend zu keinem anderen Ergebnis führen, da bereits die Qualifikation der Haftungsprivilegierungen als eigenständige Vorfilter dazu führt, dass deren verantwortlichkeits- und damit strafbarkeitsausschließende Wirkung allein für den Diensteanbieter gilt. Ausweislich des Wortlauts der §§ 8 bis 10 TMG ist allein der Diensteanbieter für die Tat bzw. die ihr zugrundeliegende Information nicht verantwortlich. Die Tat selbst wird bei einer eigenständigen Vorfilterprüfung aber nicht beseitigt. Bei dem Teilnehmer sind die Voraussetzungen der vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Tat deshalb inzident zu prüfen, ohne dass es auf das Vorliegen einer Haftungsprivilegierung des Diensteanbieters als Haupttäter ankommt. Vielmehr stellt sich auch für den Teilnehmer zunächst die eigenständig zu prüfende Vorfrage, ob dieser selbst nach den §§ 8 bis 10 TMG privilegiert sein könnte.
Die Bejahung einer Haftungsprivilegierung führt zudem nicht automatisch zum Vorliegen eines „Defekts“ als Voraussetzung einer mittelbaren Täterschaft, da der Diensteanbieter trotz der Haftungsprivilegierung weiter volldeliktisch, also vorsätzlich und schuldhaft, handeln kann.399
2. Eigenständiger Nachfilter
Nach anderer Auffassung handelt es sich bei den Haftungsprivilegierungen um Nachfilter.400 Hierfür wird vor allem auf die Gesetzesbegründung des EGG abgestellt:401 „Sind daher im Einzelfall die Voraussetzungen der allgemeinen Vorschriften für eine Haftung erfüllt, so ist der Diensteanbieter für die Rechtsgutsverletzung gleichwohl nicht verantwortlich, wenn er sich auf das Eingreifen der §§ 9, 10 oder 11 [jetzt §§ 8, 9 oder 10 TMG] berufen kann.“402 Diese Formulierung deutet darauf hin, dass zunächst die allgemeine Haftungsnorm zu prüfen ist und eine Prüfung der §§ 8 bis 10 TMG erst dann in Betracht kommt, wenn diese erfüllt ist. Eine Privilegierung des Diensteanbieters komme demnach erst in Betracht, wenn der Diensteanbieter überhaupt nach den allgemeinen Gesetzen haften kann.403 Die einzelnen Voraussetzungen der Haftung nach den allgemeinen Gesetzen und damit der Strafbarkeit nach einem Straftatbestand unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze, insb. des dreistufigen Verbrechensaufbaus, bleiben demnach von dem Filter unberührt.
Deshalb müssen aus den gleichen Gründen wie bei der Einordnung als eigenständiger Vorfilter auch bei einer Einordnung als eigenständiger und außerhalb der Haftungsnorm zu prüfender Nachfilter die Voraussetzungen der Haftungsprivilegierungen nicht vom Vorsatz (§ 15 StGB, § 10 OWiG) des Diensteanbieters umfasst sein und die Irrtumsregelungen nach §§ 16, 17 StGB und § 11 OWiG fänden keine direkte Anwendung. Ebenso würde eine Teilnahme an einer Tat des Diensteanbieters möglich sein und das Vorliegen einer Haftungsprivilegierung nicht zur Annahme eines „Defekts“ für eine mittelbare Täterschaft führen. Insoweit unterscheidet sich die Qualifizierung als außertatbestandlicher Nachfilter in ihren Folgen nicht von derjenigen als außertatbestandlicher Vorfilter. Beide Ansätze unterscheiden sich allein durch die von ihnen vorgegebene Prüfungsreihenfolge. Während eine Prüfung der Verantwortlichkeit des Diensteanbieters nach den allgemeinen Gesetzen im Falle der Bejahung eines eigenständigen Vorfilters von vornherein ausscheidet bzw. entbehrlich ist, entfällt die zuvor nach den allgemeinen Gesetzen festgestellte Verantwortlichkeit bei Bejahung eines eigenständigen Nachfilters.
3. Tatbestandsintegrierter Filter
Zum Teil wird die Einordnung