B. Historische Entwicklung des Haftungsregimes
Die Haftungsprivilegierungen der vorgenannten Diensteanbieter haben sich seit Ende der 1990er Jahre über verschiedene Gesetzesänderungen und unter Beachtung europäischer Vorgaben entwickelt.
I. Das Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz (IuKDG)
Mit dem Ziel, „im Rahmen der Bundeskompetenzen eine verlässliche Grundlage für die Gestaltung der sich dynamisch entwickelnden Angebote im Bereich der Informations- und Kommunikationsdienste zu bieten und einen Ausgleich zwischen freiem Wettbewerb, berechtigten Nutzerinteressen und öffentlichen Ordnungsinteressen herbeizuführen“342, hat der Gesetzgeber im Jahr 1997 das Gesetz zur Regelung der Rahmenbedingungen für Informations- und Kommunikationsdienste (Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz – IuKDG) beschlossen.
Das mit diesem sog. Artikelgesetz neu geschaffene Gesetz über die Nutzung von Telediensten (Teledienstegesetz – TDG; nachfolgend: TDG 1997) regelte in § 5 TDG 1997 die Verantwortlichkeit der Diensteanbieter. Eine identische Regelung fand sich in § 5 des Staatsvertrags über die Mediendienste (Mediendienste Staatsvertrag; MDStV). Letzterer wurde von den Bundesländern in Übereinstimmung mit dem Bund erlassen,343 nachdem es zuvor eine Auseinandersetzung zwischen den Bundesländern und dem Bund bezüglich der Gesetzgebungskompetenz gab.344
Die Haftungsprivilegierungen des TDG 1997 und MDStV sahen unter anderem in ihren § 5 Abs. 2 eine Privilegierung von Hostprovidern vor. Sie regelten, dass Diensteanbieter für fremde Inhalte, die sie zur Nutzung bereithalten, nur dann verantwortlich sind, wenn sie von diesen Inhalten Kenntnis haben und es ihnen technisch möglich und zumutbar ist, deren Nutzung zu verhindern.
Während sich das TDG auf „Teledienste“ bezog, regelte der MDStV „Mediendienste“. Mediendienste waren in § 2 Abs. 2 MDStV legal definiert. Es handelte sich in erster Linie um Dienste mit „besonderer Meinungsrelevanz“.345 Teledienste waren in § 2 Abs. 2 TDG 1997 legal definiert und zeichneten sich durch eine geringe Meinungsrelevanz aus. Insbesondere handelte es sich um Angebote, bei denen nicht die redaktionelle Gestaltung zur Meinungsbildung für die Allgemeinheit im Vordergrund stand (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 TDG 1997).346
II. Die E-Commerce-Richtlinie (ECRL)
Auf europäischer Ebene fand mit der ECRL eine „Harmonisierung der geltenden innerstaatlichen Regeln für Dienste der Informationsgesellschaft und die Sicherstellung des freien Dienstleistungsverkehrs in diesem Bereich“ statt.347 Die im deutschen Recht in der Folge umgesetzten Regelungen der Richtlinie sind daher richtlinienkonform unter Rückgriff auf die Regelungen und die diesen zugrundeliegenden Erwägungsgründe auszulegen.348 Die „Verantwortlichkeit der Vermittler“, also Diensteanbieter, ist in den Art. 12ff. ECRL geregelt, wobei Art. 14 ECRL das Hosting betrifft. Art. 12 ECRL betrifft das Network- und Access-Providing und Art. 13 ECRL das sog. Caching. Art. 15 Abs. 1 ECRL sieht vor, dass die Mitgliedstaaten den Anbietern von Diensten i.S.d. Art. 12, 13 und 14 ECRL keine allgemeine Verpflichtung auferlegen, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder aktiv nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen.
Die Normen sind neben den US-amerikanischen Regelungen des Digital Millennium Copyright Act auch von der deutschen Regelung des § 5 TDG 1997 sowie § 5 MDStV inspiriert349 und regeln ebenso wie diese eine abgestufte Verantwortlichkeit der Diensteanbieter.350 Sie verfolgen „einen horizontalen Ansatz mit dem Ziel, einen Mindestrechtsrahmen auf EU-Ebene für ‚Dienste der Informationsgesellschaft‘ zu schaffen“,351 also eine Vollharmonisierung zu bewirken.352
Bezogen auf das Hosting stellen die Mitgliedstaaten gem. Art. 14 Abs. 1 ECRL sicher, dass bei Vorliegen eines Dienstes der Informationsgesellschaft, der in der Speicherung von durch einen Nutzer eingegebenen Informationen besteht, der Diensteanbieter nicht für die im Auftrag eines Nutzers gespeicherten Informationen verantwortlich ist, sofern
• der Anbieter keine tatsächliche Kenntnis von der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information hat, und, in Bezug auf Schadenersatzansprüche, sich auch keiner Tatsachen oder Umstände bewusst ist, aus denen die rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird (Art. 14 Abs. 1 lit. a ECRL), oder
• der Anbieter, sobald er diese Kenntnis oder dieses Bewusstsein erlangt, unverzüglich tätig wird, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren (Art. 14 Abs. 1 lit. b ECRL).
III. Das Elektronischer Geschäftsverkehr-Gesetz (EGG)
Zur Umsetzung der ECRL fand im Jahr 2001 mit dem Gesetz über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr (Elektronischer Geschäftsverkehr-Gesetz – EGG) unter anderem eine Anpassung des TDG 1997 (nachfolgend: TDG a.F.) statt.353 Die Regelungen zur Verantwortlichkeit wurden in den §§ 8ff. TDG a.F. entsprechend der ECRL ausdifferenziert. Die Haftungsprivilegierung der Hostprovider war in § 11 TDG a.F. geregelt und entsprach der aktuell geltenden Privilegierung des § 10 TMG. Eine entsprechende Anpassung des MDStV fand mit dem Sechsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 20./21.12.2001 statt. Die den §§ 8ff. TDG a.F. entsprechenden Verantwortlichkeitsregelungen fanden sich in der Folge in §§ 6ff. MDStV.
Die Differenzierung zwischen „Telediensten“ (TDG) und „Mediendiensten“ (MDStV) genügte jedoch der Konvergenz der Medien nicht (mehr) und führte zu teilweise schwierigen Abgrenzungsfragen. Überlegungen zu einem