1. Handlungs- und Unterlassungsort des Teilnehmers
Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 StGB ist die Teilnahme unter anderem sowohl an jedem Ort begangen, an dem der Teilnehmer gehandelt hat (Var. 2) oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen (Var. 3).
Soweit es sich bei dem Diensteanbieter des sozialen Netzwerks um einen solchen aus dem Ausland handelt, handelt er grundsätzlich nicht im Inland, sondern am ausländischen Sitz des Unternehmens.178 Eine Teilnahme gilt daher nicht gem. § 9 Abs. 2 Satz 1 Var. 2 StGB als im Inland begangen. Etwas anderes gilt jedoch, wenn es sich um einen inländischen Diensteanbieter handelt und die für ihn handelnde natürliche Person ihre Handlung im Inland vornimmt oder die für einen ausländischen Diensteanbieter handelnde Person ausnahmsweise im Inland handelt. Dann gilt die Teilnahme gem. § 9 Abs. 2 Satz 1 Var. 2 StGB als im Inland begangen.179
Das Gleiche gilt grundsätzlich auch für den Fall des Unterlassens (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Var. 3 StGB). Denn der Ort, an dem der Teilnehmer, also der Diensteanbieter, hätte handeln müssen, bestimmt sich in erster Linie durch den Aufenthaltsort des Teilnehmers.180 Zudem wird vertreten, dass abweichend vom Aufenthaltsort auch der Ort als Anknüpfungsort in Betracht kommt, „an dem der Täter zur Abwendung des tatbestandsmäßigen Erfolges hätte handeln können“.181 Dies ist regelmäßig der Niederlassungsort des Diensteanbieters, an dem die handelnde bzw. unterlassende Person tätig ist.182 Bei einem ausländischen Diensteanbieter liegt der Niederlassungsort jedoch regelmäßig nicht im Inland. Ebenso halten sich die für den Diensteanbieter handelnden Personen regelmäßig nicht im Inland auf. Hält sich der Teilnehmer im Ausland auf und besteht ausnahmsweise eine Niederlassung im Inland, von welcher aus er hätte handeln können, ist von einer Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auszugehen. Hiervon ist auch auszugehen, wenn er eine Tochtergesellschaft im Inland hätte anweisen können, da er dann mit dieser im Inland hätte handeln können. Dies ist auch insofern konsequent, als dass er nach deutschem Strafrecht strafbar wäre, würde er zu einer Tat durch Mitarbeiter der inländischen Tochtergesellschaft anstiften oder diese fördern, da er dann an einer inländischen Haupttat teilnehmen würde. Die Anwendung deutschen Strafrechts auf den ausländischen Diensteanbieter wird sich aber in der Regel mangels solcher Handlungsmöglichkeiten nicht über den Unterlassungsort gem. § 9 Abs. 2 Satz 1 Var. 3 StGB begründen lassen. Anders jedoch wiederum für inländische Diensteanbieter, die ihre Niederlassung im Inland haben und deren verantwortlich handelnde Personen sich regelmäßig im Inland aufhalten.
2. Ort der Haupttat
Für ausländische Diensteanbieter kommt ein inländischer Ort der Teilnahme daher grundsätzlich nur über den Ort der Haupttat in Betracht. Denn gem. § 9 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 StGB ist die Teilnahme – unabhängig vom Handlungsort des Teilnehmers – auch an dem Ort begangen, an dem die Tat begangen ist. Der Ort, an dem die Tat begangen ist, richtet sich dabei wiederum nach § 9 Abs. 1 StGB.
a. Handlungsort des Täters, § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB
In der weit überwiegenden Zahl der Fälle, gegen die sich die von § 1 Abs. 3 NetzDG in Bezug genommenen Normen richten, wird sich der inländische Begehungsort der Haupttat bereits aus dem Handlungsort des Täters ergeben (§ 9 Abs. 1 Var. 1 StGB). Hierbei handelt es sich um jeden Ort, an dem der Täter gehandelt hat, also „eine auf die Tatbestandsverwirklichung gerichtete Tätigkeit entfaltet hat“.183 Ort der (Haupt-)Tat ist demnach dann das Inland, wenn der Täter den strafbaren Inhalt von Deutschland aus in das Internet bzw. soziale Netzwerk eingestellt hat.184 Das deutsche Strafrecht findet in diesem Fall auch auf den ausländischen Teilnehmer gem. § 9 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 StGB Anwendung.185
Aber nicht nur ein Handeln mit Aufenthalt im Inland soll nach einer Auffassung zu einem inländischen Handlungsort führen, sondern auch ein Handeln bei Aufenthalt im Ausland, wenn der Täter die strafbare Information vom Ausland aus zielgerichtet auf einem im Inland befindlichen Server speichert, da er dann auf dem inländischen Server und damit im Inland handelt.186
Soweit es sich bei dem sozialen Netzwerk um ein solches eines ausländischen Diensteanbieters handelt, werden sich die Server in aller Regel nicht im Inland befinden, sodass ein Handeln im Inland schon deshalb ausscheidet.187 Aber selbst dann, wenn der Diensteanbieter ausnahmsweise auch Server im Inland betreibt, kann der Nutzer den Speicherort nicht selbst bestimmen, sodass von einem zielgerichteten Speichern auf einem inländischen Server keine Rede sein kann.188
Darüber hinaus steht dieser Auffassung der Wortsinn des Handelns im Sinne eines positiven Tuns entgegen und geht über diesen hinaus.189 Soweit das Kammergericht Berlin im Hinblick auf eine Fernsehübertragung ausgeführt hat, dass „eine teilweise Verwirklichung der Handlung im Inland“ auch vorliegt, „wenn Wirkungen des Verhaltens, die nach der tatbestandlichen Handlungsbeschreibung als deren Bestandteil zu betrachten sind, dort eintreten“,190 ist dem entgegenzuhalten, dass derjenige, der „in Polen die Hand hebt, [...] nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ebenso wenig in Deutschland [‚handelt‘] wie derjenige, der auf polnischem Boden stehend einen Menschen in Deutschland erschießt“.191 Das Gleiche muss für denjenigen gelten, der vom Ausland aus – z.B. durch Tastatureingabe und/oder Mausbewegungen – eine rechtswidrige Information in ein soziales Netzwerk einstellt.192 Er handelt allein an seinem Aufenthaltsort im Ausland, wo sich seine Handlung durch körperliche Energie entfaltet. Kommt es dabei zu einer Speicherung der Information auf einem Server im Inland, handelt es sich allein um die bloße Folge der tatbestandlichen Handlung im Ausland.193
Auch scheidet eine Anknüpfung an ein Unterlassen des Täters und damit den Ort, an dem der Täter hätte handeln müssen (§ 9 Abs. 1 Var. 2 StGB), in aller Regel aus, da der Täter die rechtswidrige Information grundsätzlich aktiv, also durch positives Tun, in das soziale Netzwerk einstellt.
b. Erfolgsort
Bei einem Handeln des Täters im Ausland kommt es deshalb für die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts grundsätzlich darauf an, ob der zum Tatbestand gehörende Erfolg im Inland eingetreten ist oder nach der Vorstellung des Täters eintreten sollte (§ 9 Abs. 1 Var. 3 und 4 StGB). Ein solcher besteht „in einer von der tatbestandsmäßigen Handlung räumlich und/oder zeitlich abtrennbaren Außenweltsveränderung“.194 Ob eine solche zu bejahen ist und damit ein zum Tatbestand gehörender Erfolg vorliegt, bestimmt sich nach dem jeweiligen Deliktstyp des einschlägigen Straftat- bzw. Bußgeldtatbestands.
aa. Erfolgsdelikte in Form von Verletzungsdelikten
Bei sog. Erfolgsdelikten in Form der Verletzungsdelikte ist das Vorliegen eines zum Tatbestand gehörenden Erfolgs unproblematisch zu bejahen. Diese setzen nämlich einen tatbestandlichen Erfolg voraus, der nicht von der Handlung selbst umfasst ist und gerade über die bloße Handlung hinausgeht (z.B. der Tod des Tatopfers in § 212 Abs. 1 StGB).195
bb. Gefährdungsdelikte
Bei den Gefährdungsdelikten ist zwischen dem sog. konkreten Gefährdungsdelikt, dem sog. abstrakten Gefährdungsdelikt und dem sog. abstrakt-konkreten Gefährdungsdelikt zu unterscheiden.
(1) Konkrete Gefährdungsdelikte
Wie das Erfolgsdelikt in Form des Verletzungsdelikts beinhaltet auch das konkrete Gefährdungsdelikt einen tatbestandlichen Erfolg, der losgelöst von der Handlung selbst ist. Denn Voraussetzung der Strafbarkeit ist der Eintritt einer konkreten, im Tatbestand vorausgesetzten Gefahr, die von der tatbestandlichen Handlung trennbar ist (z.B. die Gefahr für Leib oder Leben in § 315c Abs. 1 StGB).196 Konkrete Gefährdungsdelikte sind daher im Ergebnis als Erfolgsdelikte zu qualifizieren.197 Sie besitzen einen zum Tatbestand gehörenden Erfolg i.S.d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB.