Der frische Saft ist eine glasklare Flüssigkeit, die schwach süßlich schmeckt. Zu einer Trinkkur genehmigt man sich täglich zwei Schnapsgläschen voll. Der Saft beginnt schnell zu gären, so dass er im Kühlschrank aufbewahrt werden muss. Birkensaft kann auch äußerlich verwendet werden. Er ist ein gutes Waschmittel für schlecht heilende Wunden und Hautausschlag. Will man ihn das ganze Jahr über zur Verfügung haben, so gibt man ein Drittel der Menge hochprozentigen Alkohol hinzu. Auch als haarwuchsförderndes Mittel ist der Birkensaft noch populär.
Für einen Birkenblättertee sammelt man die jungen, noch klebrigen Blätter. Durch ihren hohen Gehalt an ätherischen Ölen strömen sie einen balsamischen Duft aus. Von den getrockneten Blättern reichen zwei Teelöffel auf eine Tasse Wasser. Man übergieße die Blätter mit dem kochenden Wasser und lässt zehn Minuten ziehen. Man trinkt drei Tassen täglich. Eine Frühjahrskur sollte drei Wochen dauern.
WO SCHLÜSSEL AN DEN ZWEIGEN HÄNGEN
Wenn wir uns an den Kalender der Natur halten, dann beginnt der Vorfrühling mit dem Stäuben der Haselkätzchen. Die langen, gelben und hängenden Pollenkätzchen, im Volksmund auch Baumel- oder Troddelkätzchen genannt, sind die männlichen Blüten des Haselstrauches. Die weiblichen Blüten dagegen sind unscheinbare kleine, rote, knospenartige Gebilde. Ist es zur Blütezeit der Hasel trocken und zudem oftmals etwas windig, liegen im Herbst viele Haselnüsse unter den Haselsträuchern.
Einmal hatte der Haselstrauch fast ganz Deutschland bedeckt. Licht, hell und haselgrün war der Wald vor rund 8000 Jahren. Dann kam die Klimaänderung und der Haselwald verschwand. Haselsträucher befinden sich hierzulande am Waldrand, an Wegrändern und in der Nähe menschlicher Behausungen. Zusammen mit dem Holunderstrauch durfte der Haselstrauch früher in keinem Bauerngarten fehlen. Die elastischen und leicht biegsamen Äste des Haselstrauches werden seit Jahrtausenden als Wünschelruten verwendet. Mit ihnen suchten die Rutengänger Asiens und Europas nach Wasseradern, positiven und negativen Energiefeldern in der Erde. Die Volkssage, nach der am blühenden Haselstrauch im zeitigen Frühjahr silberne Schlüssel hängen, mit denen man Schatztruhen öffnen kann, ist eine schöne Umschreibung dieses alten Brauches. Dem Volksglauben nach wurde dem Haselstrauch auch eine blitzabwehrende Kraft zugesprochen. Bei Ausbruch eines Gewitters steckte man deshalb Haselzweige ans Fenster. Wurde man draußen auf dem Feld von einem Gewitter überrascht, steckte man sich einfach einen Haselzweig an den Hut.
Bei den keltischen Druiden war der Haselstrauch der weißen Göttin geweiht, deren Dienst neun Priesterinnen ausführten. So ist der Haselstrauch selbst mit der Zahl neun verbunden, denn er trägt, so sagt man, erst im neunten Jahr erste Früchte. Die Haselnüsse, erst in Verbindung mit der fruchtbar machenden Göttin und später losgelöst von diesem Kult, galten als Symbol der Fruchtbarkeit und der sexuellen Kraft. In Volksliedern und Reimen wird noch heute das Nüsseknacken mit der sexuellen Kraft in Verbindung gebracht.
Mancher Bauer kennt heute noch den Spruch: „Wenn es im Herbst viel Haselnüsse gibt, gibt es im kommenden Jahr viel Kinder.“ Oder es heißt bei uns: „Mit dem Hannes in die Nüsse gehen!“ Hildegard von Bingen empfahl Haselkätzchen sogar zur Therapie der Unfruchtbarkeit des Mannes. Der Gebrauch der Hasel für medizinische Zwecke ist jedoch in Vergessenheit geraten. Bekannt ist lediglich die schweißtreibende Wirkung der Blütenkätzchen.
In heimischen Vorgärten wird heute gerne die Korkzieherhasel angepflanzt. Dieser dekorative Strauch wird dann im zeitigen Frühling gerne mit bunten Eiern behangen, um die Osterzeit einzuläuten.
NATUR KANN HEILEN
Es eilt ihm ein schlechter Ruf voraus, jedoch zu Unrecht. Der sprichwörtlich wetterwendische April, der Launing unserer Vorfahren, bringt uns vielmehr um die Monatsmitte meist anhaltend sonnige Tage und damit den Vorgeschmack des kommenden Sommers. Wie der Wonnemonat Mai ist der April ein Monat der Blumen und Blüten.
„Das Blühen will nicht enden. Es blüht das fernste, tiefste Tal: Nun, armes Herz, vergiss der Qual! Nun muss sich alles, alles wenden.“ – So wie Ludwig Uhland in seinem Gedicht „Frühlingsglaube“ haben Dichter aller Zeiten das Erwachen der Natur enthusiastisch begrüßt.
Volkslieder und Sprichwörter erzählen uns vom wundersamen Trost der Bäume: „Wo das Glück zu Hause ist, da dürfen Blumen lachen, Bäume tanzen, Bäche klatschen, Wiesen weinen, Berge hüpfen und Sterne winken.“ Das sind Erfahrungen, die gerade jetzt – angesichts der gefährdeten Schöpfung – in uns immer lebendig werden: „Die Natur ist die größte Zauberin, die Malerin der schönsten Bilder. Sie ist auch unsere Ernährerin. Gib auf sie acht! So lange noch Zeit ist.“
So wird es langsam Zeit, das wir die vielen Wunden, die wir unserer Natur immer noch jeden Tag zufügen, sei es aus Dummheit oder Bequemlichkeit, auch endlich anfangen, selber zu heilen.
Natur kann heilen, gerade jetzt im Frühling. Psychiater wissen zu berichten, dass durch den Anblick von Blumen und blühender Bäume Depressionen wirksam gelindert werden. Hier wirken Farben und Aroma der Blüten therapeutisch zusammen. Der Frühling ist immer eine Zeit des „Auftauens“ des menschlichen Herzens und der Gesundung der Seele. Die Natur gibt uns jeden Tag die Kraft, an das Gute und Schöne – auch in den Menschen – zu glauben.
„Es gibt Augenblicke im Leben, wo wir aufgelegt sind, jede Blume und jedes entlegene Gestirn, jeden höheren Geist an den Busen zu drücken – ein Umarmen der ganzen Natur, gleich unserer Geliebten. Der Mensch, der es so weit gebracht hat, alle Schönheit, alle Größe, Vortrefflichkeit im Kleinen und Großen der Natur aufzulesen und in dieser Mannigfaltigkeit die große Einheit zu finden, ist der Gottheit schon viel näher gerückt. Die ganze Schöpfung zerfließt in seiner Persönlichkeit.“
In diesem Monat der noch feucht angehauchten Erde sind die Wiesen- und Gartenblumen von ganz besonderer Pracht. Es sieht beinahe aus, als gäbe es ganz neue Modelle unter ihnen – neue Formen, neue Farben. Die Kollektion des Himmels ist von unerschöpflicher Phantasie. Wieder fällt es einem auf, wie fein und vollendet die allerkleinsten Blüten sind. Die Liebe des Schöpfers scheint sich mit dem Grad der Kleinheit zu vergrößern.
Der April fügt die Blütenträume unserer Kindheit und Jugendzeit zu einem bunten Blütenstrauß zusammen. Dieser Strauß soll jedem Freude bringen, der sich den Sinn für die unverbrauchte Schönheit der Natur bewahrt hat. Der Frühlingsmonat April ruft wieder neu in unser Gedächtnis zurück, dass es wirklich Zeit ist, behutsamer mit der Natur umzugehen. Denn nicht die Natur braucht uns, sondern wir brauchen die Natur. „Die Blumen und die Natur, genauso wie die vor Glück strahlenden Kinderaugen, geben uns jeden Tag die Gewissheit, dass Gott sein Vertrauen in die Menschen noch nicht verloren hat.“ Blumen sind die schönen Worte und Hieroglyphen der Natur, mit denen sie uns andeutet, wie lieb sie uns hat.
Halten wir es im Monat April mit den Worten von Hermann Löns! „Lass Deine Augen offen sein, geschlossen Deinen Mund und wandle still, so werden Dir geheime Dinge kund.“ Es ist eine Aufforderung zu einem Frühlingsspaziergang.
„Denn die Frühlingstage
kommen wieder zu ihrer Zeit;
der Vollmond nimmt Abschied
und kommt wieder zu neuem Besuch;
die Blüten kommen wieder
und erröten auf ihren Zweigen
Jahr für Jahr; und vielleicht
nahm auch ich nur Abschied von Euch,
um wiederzukommen.“ (Tagore)
EINE KUR FÜR DIE SEELE
Wir riechen die würzige Frühlingsluft, und nichts kann uns mehr an die dumpfe Stube fesseln. Da draußen grünt, sprießt und blüht es. Aus tausend Zweigen