{Abnahme, förmliche}
Die VOB/B enthält in § 12 Abs. 4 ein detailliert geregeltes Verfahren für eine förmliche Abnahme. Diese förmliche Abnahme ist für Auftraggeber und Auftragnehmer besonders geeignet, um den wichtigen Zeitpunkt der Abnahme und alle anlässlich der Abnahme gemachten Erklärungen, Mängelrügen und Vorbehalte beweiskräftig zu dokumentieren.
Die förmliche Abnahme findet statt, wenn der Auftraggeber oder der Auftragnehmer sie verlangen. Einer besonderen zusätzlichen vertraglichen Vereinbarung über die VOB/B hinaus bedarf es hierzu nicht.
Der Abnahmetermin wird entweder gemeinsam festgelegt oder einseitig mit genügender Frist anberaumt. Die Einladungsfrist zur Abnahme ist an den 12 Werktagen des § 12 Abs. 1 VOB/B zu orientieren und sollte nicht kürzer sein. Beide Parteien dürfen zur Abnahme – auf eigene Kosten – Sachverständige hinzuziehen.
Praxistipp | |
Der Unternehmer kann die Sachverständigenkosten dem Bauherrn nicht belasten. Anders der Bauherr: Werden bei der förmlichen Abnahme Mängel festgestellt und wird deshalb die Abnahme berechtigt verweigert, können für den Bauherrn Schadensersatzansprüche gegen den Unternehmer für die Sachverständigenkosten entstehen (§ 4 Abs. 7 Satz 2 bzw. § 13 Abs. 5 und 7 VOB/B). |
Abnahmeprotokoll {Abnahmeprotokoll}
Über die förmliche Abnahme ist gemeinsam ein Abnahmeprotokoll anzufertigen. Das Abnahmeprotokoll muss mindestens folgende Angaben enthalten:
• | Abnahmetag und Beteiligte an der Abnahme |
• | abzunehmende Arbeiten |
• | eindeutige Erklärung zur Abnahme oder Abnahmeverweigerung |
• | übereinstimmend festgestellte Mängel sowie strittige Mängel, einschließlich Einwendungen des Auftragnehmers zu den strittigen Mängeln und Stellungnahmen beigezogener Sachverständiger |
• | Vorbehalt von Gewährleistungsansprüchen, insbesondere für dem Auftraggeber bekannte Mängel |
• | Vertragsstrafenvorbehalt |
Zusätzlich sinnvoll ist es für den Auftraggeber, eine Mangelbeseitigungsfrist für bei der Abnahme gerügte (= vorbehaltene) Mängel zu setzen. Auch fehlende Restleistungen sollten im Abnahmeprotokoll erwähnt werden. Danach erhält jede Partei ein Abnahmeprotokoll. Das schriftliche Abnahmeprotokoll ist eine echte Wirksamkeitsvoraussetzung der förmlichen Abnahme.
Lässt sich z. B. bei erheblichen Streitigkeiten zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer auf der Baustelle kein „gemeinsames“ Abnahmeprotokoll erstellen, sollte zumindest jede Partei ein eigenes Abnahmeprotokoll zu Dokumentationszwecken anfertigen. Eine förmliche Abnahme im Sinne des § 12 Abs. 4 VOB/B liegt dann allerdings nicht mehr vor.
Streit entsteht auch immer wieder über die Unterzeichnung des Abnahmeprotokolls. Die VOB/B verlangt in § 12 Abs. 4 Nr. 1 keine Unterschrift. Damit ist die Unterzeichnung auch nicht Wirksamkeitsvoraussetzung der förmlichen Abnahme. Für die Wirksamkeit des Mangelvorbehalts und des Vertragsstrafenvorbehalts genügt es, wenn der Auftraggeber zu Dokumentationszwecken das Abnahmeprotokoll unterzeichnet. Wichtig ist, dass die Unterschrift des Auftragnehmers kein Anerkenntnis der gerügten Mängel oder der Vertragsstrafe bedeutet! Unterzeichnet der Auftraggeber das Abnahmeprotokoll mit dem Zusatz „unter Vorbehalt“ über seiner Unterschrift, so bedeutet dies keine (vorläufige) Abnahmeverweigerung und stellt nur dann einen Mängelvorbehalt dar, wenn im Abnahmeprotokoll Mängel aufgeführt sind – im Übrigen wird die förmliche Abnahme erteilt (OLG Hamm, Urteil vom 14.03.2008).
Praxistipp | |
Formalfehler und vergessene Erklärungen/Vorbehalte bei der förmlichen Abnahme lassen sich im Interesse beider Parteien durch gute Musterabnahmeprotokolle vermeiden. Die Erklärungen von Auftraggeber und Auftragnehmer müssen klar und eindeutig formuliert sein. |
Einseitige förmliche Abnahme
§ 12 Abs. 4 Nr. 2 VOB/B sieht die Möglichkeit vor, das Bauvorhaben durch den Auftraggeber alleine abzunehmen, wenn der Auftragnehmer trotz rechtzeitiger Einladung zum Abnahmetermin nicht erscheint.
Praxistipp | |
Kann der Auftragnehmer aus wichtigem Grund (z. B. Erkrankung) nicht am Abnahmetermin teilnehmen, muss er dies dem Auftraggeber rechtzeitig, am besten mit einem neuen Abnahmeterminvorschlag, mitteilen. Der Abnahmetermin muss dann verlegt werden. |
Führt der Auftraggeber die Abnahme berechtigt in Abwesenheit des Auftragnehmers durch, so muss er kein ausführliches schriftliches Abnahmeprotokoll anfertigen. Es reicht vielmehr aus, dass er dem Auftragnehmer das Ergebnis der Abnahme mitteilt. Diese Mitteilung muss letztlich aber doch alle wesentlichen Informationen, Erklärungen und Vorbehalte wie beim förmlichen Abnahmeprotokoll beinhalten, damit der Auftraggeber alle seine Rechte wahrt. Das Abnahmeergebnis ist dem Auftragnehmer „alsbald“ mitzuteilen, wobei die Frist von 12 Werktagen aus § 12 Abs. 1 VOB/B als Obergrenze anzusehen ist.
Der Auftraggeber hat Anspruch auf eine gemeinsame Abnahme mit dem Auftragnehmer. Er ist somit nicht verpflichtet, die Abnahme in Abwesenheit des Auftragnehmers durchzuführen. Der Auftraggeber hat deshalb das Recht, die Abnahme so lange zu verweigern, bis der Auftragnehmer zur Teilnahme bereit ist.
Die Konstellation, dass der Auftraggeber zur Abnahme nicht erscheint, ist in der VOB/B nicht geregelt. Allerdings gerät der Auftraggeber dann in Verzug mit der Abnahme (zu den Folgen siehe
Kapitel 5).Die förmliche Abnahme kann natürlich nicht mehr verlangt werden, wenn vorher bereits eine anderweitige Abnahme (z. B. fiktive Abnahme nach § 12 Abs. 5 VOB/B) stattgefunden hat. Die jeweils erste Abnahme ist maßgeblich, außer, die Parteien legen gemeinsam, z. B. in einer förmlichen Abnahme, einen neuen Abnahmezeitpunkt fest.
„Vergessene“ förmliche Abnahme {Abnahme, vergessene förmliche}
Oftmals wird in Bauverträgen die förmliche Abnahme vereinbart. Die förmliche Abnahme wird dann fast ebenso häufig nach Abschluss der Arbeiten nicht durchgeführt.