Das BGB sieht bisher für alle Werkverträge {Werkverträge} ein einheitliches Regelwerk vor. Dieses findet sich in den §§ 631 ff. BGB und gilt auch weiterhin für alle bis einschließlich zum 31.12.2017 abgeschlossenen Werkverträge, Bauverträge etc. Das bisherige Werkvertragsrecht findet weitgehend unterschiedslos für alle Werkverträge von der Kfz-Reparatur bis zum komplexen Großbauvorhaben Anwendung. Viele Besonderheiten von Bauprojekten, z. B. dass deren Durchführung sich regelmäßig über einen langen Zeitraum erstreckt, in dem sich vieles ändern kann, finden in den Vorschriften des bisherigen Werkvertragsrechts keine Beachtung. Deshalb wird in der Baupraxis häufig die VOB/B (und mit ihr die VOB/C) in den Bauvertrag einbezogen, welche auf die besonderen Problemkonstellationen und Interessenlagen bei Bauvorhaben zugeschnitten ist.
Im bisherigen Werkvertragsrecht nach §§ 631 ff. BGB a. F. sind auch die besonderen Schutzbedürfnisse von Verbrauchern allenfalls punktuell berücksichtigt. Verbraucher als Bauherren stehen professionellen Anbietern (Bauunternehmer, Generalunternehmer, Bauträger etc.) gegenüber, welche den Verbrauchern gegenüber einen Vorsprung an Wissen und Erfahrung haben. Dies gilt nicht nur für die technische Seite eines Bauprojekts, sondern gleichermaßen für die rechtliche. Bauherren, die Verbraucher sind, sind deshalb auf besonderen Schutz gegenüber unfairen Vertragspartnern und Vertragskonzepten angewiesen. Zudem müssen Verbraucher, die für ein Bauprojekt häufig nicht nur einen sehr großen Teil ihres Vermögens aufwenden, sondern auch auf eine umfangreiche Finanzierung angewiesen sind, vor Gefahren geschützt werden (z. B. einer Insolvenz des Bauträgers).
Das BGB n. F. enthält deshalb für Werkverträge, die ab dem 01.01.2018 geschlossen wurden, neben dem Werkvertragsrecht der §§ 631 ff. BGB, das weiterhin die Basis aller Werkverträge ist, in den §§ 650a ff. BGB n. F. zahlreiche Sondervorschriften für Bauverträge {Bauverträge}. Bauverträge sind Werkverträge, die sich auf
• | die Herstellung, |
• | die Wiederherstellung, |
• | die Beseitigung oder |
• | den Umbau |
eines Bauwerks, einer Außenanlage oder eines Teils davon beziehen. Für solche Werkverträge, die nach der gesetzlichen Definition in § 650a BGB n. F. als Bauvertrag bezeichnet werden, gelten seit dem 01.01.2018 die Vorschriften der §§ 650a ff. BGB n. F.
Des Weiteren enthält das BGB n. F. in den §§ 650i ff. Sondervorschriften für Verbraucherbauverträge. Das sind Bauverträge, durch die der Unternehmer von einem Verbraucher zum Bau eines neuen Gebäudes oder zu erheblichen Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude verpflichtet wird. Diese gesetzliche Definition des Verbraucherbauvertrags ist (unabhängig von der Verbrauchereigenschaft des Bauherrn) noch wesentlich enger, als die des Bauvertrags in § 650a BGB n. F. Viele Bauverträge, an denen ein Verbraucher als Bauherr beteiligt ist, werden deshalb nicht die Voraussetzungen für einen Verbraucherbauvertrag erfüllen. So werden von einem Verbraucher beauftragte Renovierungen und kleinere Umbauten zwar Bauverträge, aber keine Verbraucherbauverträge sein. Gleiches gilt wohl bei der Errichtung eines Gebäudes durch zahlreiche Einzelunternehmer („Einzelvergabe“); keiner – oder maximal einer – dieser Einzelunternehmer wird, wie in § 650i BGB n. F. verlangt, ein neues Gebäude errichten, sondern allenfalls Teile der Errichtung übernehmen.
Doch gleich, ob es sich um einen Werkvertrag nach altem oder neuem Recht, BGB-Bauvertrag, VOB-Bauvertrag, Verbraucherbauvertrag, Bauträgervertrag oder auch Architekten- oder Ingenieurvertrag handelt, eines gilt stets gleichermaßen: Die Abnahme ist und bleibt die bedeutsamste Zäsur im Verlauf des Vertrags.
Abnahmebegriff und Abnahmewirkung
Der Begriff der Abnahme selbst ist weder im BGB noch in der VOB/B niedergelegt. Der Abnahmebegriff wird zweigliedrig definiert:
• | Übergabe des Werks vom Auftragnehmer an den Auftraggeber und |
• | Billigung der Arbeiten des Auftragnehmers durch den Auftraggeber als im Wesentlichen vertragsgerecht. |
Für den Bauvertrag ist die Billigung der Werkleistungen als im Wesentlichen vertragsgerecht der praktisch wichtigste Vorgang bei der Abnahme. Billigung heißt nichts anderes, als dass der Auftraggeber zu erkennen gibt, dass er die Werkleistungen des Auftragnehmers akzeptiert. Der Auftraggeber muss die Möglichkeit haben, die Arbeiten des Auftragnehmers vor der Abnahme zu untersuchen und zu überprüfen. Es ist nicht erforderlich, dass der Auftraggeber diese Prüfungsmöglichkeit auch tatsächlich wahrnimmt.
Praxistipp | |
Jeder Auftraggeber sollte die Bauleistungen seines Auftragnehmers genau untersuchen und sich dabei ggf. auch fachlicher Hilfe (z. B. durch einen Architekten) bedienen, bevor er die Abnahme erklärt. |
Die zweite rechtliche Voraussetzung der Abnahme – „Übergabe des Werks“ – ist praktisch kaum relevant. Hat der Auftraggeber schon Zugriff auf die Arbeiten des Auftragnehmers (z. B. bei Umbauarbeiten im bewohnten Haus), so genügt eine Fertigstellungsmitteilung des Auftragnehmers, um die „Besitzübergabe“ zu dokumentieren.
Praxistipp | |
Vorsicht bei den Rechtsbegriffen „Eigentum“ und „Besitz“. Auch wenn der Bauherr als Eigentümer des Baugrundstücks per Gesetz automatisch Eigentum an den Arbeiten des Auftragnehmers auf seinem Grundstück durch die feste Verbindung mit dem Grund und Boden erwirbt, so ist er damit noch nicht unbedingt Besitzer der Arbeiten. Besitz ist nämlich die tatsächliche, körperliche Herrschaft über die vom Auftragnehmer erbrachten Bauleistungen. Besitz hieran hat bis zur Abnahme meist nur der Auftragnehmer. |
Mit der Erläuterung der theoretischen Abnahmevoraussetzungen ist die Grundlage für die nun folgenden, in der Baupraxis wichtigen Einzelfälle gelegt.
Wie, durch wen und wann die Abnahme vorgenommen wird, behandeln deshalb die kommenden Kapitel. Zentrale Voraussetzung der Abnahme ist, dass die Bauleistungen (= das Werk) vom Auftragnehmer im Wesentlichen vertragsgerecht fertiggestellt sind. Das heißt, es dürfen nur geringfügige, unwesentliche Mängel vorhanden sein bzw. kleinere Restarbeiten fehlen. Dass es das vollständig fertiggestellte und mangelfreie Bauvorhaben oder Einzelgewerk nicht gibt, ist eine Binsenweisheit der Baupraxis. Nichtsdestoweniger entzünden sich fast alle Streitigkeiten der Baubeteiligten an Mängeln – und das oft vor Ort auf der Baustelle bei der Abnahme. Warum ist das so? Dies hängt mit den Hauptwirkungen der Abnahme zusammen, die in
Kapitel 7 dargestellt sind.2. Wie kann eine Bauabnahme erfolgen?
Autoren: Dr. Christian Voit, Martin Loderer
Der Auftraggeber billigt bei der Abnahme die Werkleistung des Auftragnehmers und erkennt damit dessen Arbeiten als im Wesentlichen vertragsgemäß an. Die Abnahme ist (nach überwiegender Ansicht) von der rechtlichen Einordnung her eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung des Auftraggebers. Die Abnahme kann für den BGB-Bauvertrag durch drei unterschiedliche Abnahmearten erfolgen:
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