a) Preiselastizität der Nachfrage
Ob ein gewinnmaximierender hypothetischer Monopolist eine nicht-vorübergehende kleine, aber signifikante Preiserhöhung durchführen wird, hängt von der Preiselastizität der Nachfrage bzw. der Residualnachfrage und der Kostenstruktur des Monopolisten ab. Daher müssen für eine direkte Implementation des hypothetischen Monopolistentests Informationen über die Elastizität der Nachfrage- bzw. der Residualnachfragefunktion zur Verfügung stehen. Ist die Preiselastizität der Nachfrage hoch, dann verfügt ein hypothetischer Monopolist häufig nicht über Marktmacht im betrachteten Kandidatenmarkt. Diesem Markt müssen weitere Produkte bzw. Gebiete hinzugefügt werden, bis die Preiselastizität der Nachfrage einen hinreichend niedrigen Wert angenommen hat, sodass eine Preiserhöhung von mindestens 5 % gewinnmaximierend wäre.149 Es sind in der Literatur eine Reihe von Verfahren vorgeschlagen worden, mit denen man Nachfrage- bzw. Residualnachfragefunktionen schätzen kann.150 Die Elastizität einer solchen Funktion kann dann leicht festgestellt werden. Die zur Schätzung von Nachfragefunktionen verwendeten empirischen Methoden beruhen auf einer sogenannten Regressionsanalyse.151 Die Nachfrage nach einem Produkt wird als Funktion mehrerer anderer, unabhängiger Variablen, wie z.B. des Preises des Gutes, der Preise von Substituten und Komplementen etc. aufgefasst und der Verlauf der Nachfragefunktion wird mittels ökonometrischer Verfahren geschätzt. Wichtig ist weiterhin, dass ein für die Untersuchung geeigneter Zeitrahmen gewählt wird, da z.B. bei dauerhaften Konsumgütern die kurzfristigen Nachfragereaktionen geringer ausfallen als bei einer längerfristigen Betrachtung. Bei einer Schätzung der Residualnachfrage müssen darüber hinaus auch die Angebotsreaktionen potentieller Wettbewerber berücksichtigt werden. Mit Hilfe statistischer Tests kann festgestellt werden, wie robust die geschätzte Nachfragefunktion ist. Allerdings sind für eine Regressionsanalyse zumeist lange Datenreihen erforderlich, die unter möglichst stabilen Angebots- und Nachfragebedingungen entstanden sein sollten, um präzise Aussagen über den Verlauf der Nachfragefunktion zu ermöglichen. Die zur Schätzung verwendeten ökonometrischen Methoden sind in der Regel recht komplex, erfordern einen großen Zeitaufwand und können zumeist nur von Ökonometrikern durchgeführt werden.
Informationen über die Elastizität der Nachfragefunktion sind jedoch allein nicht ausreichend, um Aussagen darüber treffen zu können, ob eine Preiserhöhung für einen hypothetischen Monopolisten profitabel ist. Hierzu sind Informationen über die Kosten des Unternehmens bzw. über die Gewinnspanne, d.h. über die Differenz zwischen Preis und Grenzkosten, erforderlich. Diese Informationen können dann kombiniert werden, um festzustellen, ob eine signifikante Preiserhöhung stattfinden wird.
b) Kritische Elastizitäten und kritischer Absatzrückgang
Als komplementär zur Nachfrageanalyse werden in der Wettbewerbspolitik die Konzepte des kritischen Absatzrückgangs (critical sales loss) und der kritischen Elastizität (critical elasticity) verwendet.152 Um festzustellen, ob ein hypothetischer, gewinnmaximierender Monopolist die Preise um 5–10 % erhöhen würde, ist zu berücksichtigen, dass eine solche Preiserhöhung zwei Effekte hat: So ist durch die Preiserhöhung die Gewinnmarge bei den Einheiten, die er nach der Preiserhöhung verkauft, gestiegen, aber die Menge, die er absetzt, ist geringer geworden. Eine Preiserhöhung ist daher nur dann gewinnbringend, wenn der zusätzliche Erlös aufgrund von Verkäufen mit einer höheren Gewinnmarge größer ist als der geringere Erlös aufgrund des Rückgangs der verkauften Menge. Dieses Verhältnis zwischen der Gewinnmarge und der Nachfragesubstitution aufgrund einer Preiserhöhung von s Prozent hat zum Konzept des kritischen Absatzrückgangs (critical sales loss) und der damit verknüpften kritischen Elastizität (critical elasticity) geführt. Der kritische Absatzrückgang ist der maximale Wert, um den sich die abgesetzte Menge eines gewinnmaximierenden hypothetischen Monopolisten verringern darf, damit er eine Preiserhöhung von z.B. 5 % durchführt. Überschreitet der Absatzrückgang diesen kritischen Wert, dann wäre eine Preiserhöhung von 5 % nicht gewinnmaximierend und der Markt müsste weiter abgegrenzt werden; liegt er darunter, dann wäre eine Preiserhöhung um mindestens 5 % gewinnmaximierend und der relevante Markt wäre gefunden.
Die kritische Elastizität der Nachfrage gibt an, welchen Wert die Preiselastizität der Nachfrage maximal annehmen darf, damit ein gewinnmaximierender hypothetischer Monopolist eine Preiserhöhung von z.B. mindestens 5 % durchführen wird. Überschreitet die tatsächliche Elastizität diesen kritischen Wert, dann wird keine solche Preiserhöhung zu erwarten sein und der relevante Markt muss weiter gefasst werden.
Der kritische Absatzrückgang muss also mit dem erwarteten tatsächlichen Absatzrückgang verglichen werden, den ein Unternehmen durch eine Preiserhöhung x erleiden würde. Dieser tatsächliche Rückgang der abgesetzten Menge ergibt sich näherungsweise aus der Preiserhöhung x multipliziert mit der Preiselastizität der Nachfrage ɛ. Ist der kritische Absatzrückgang kleiner als der tatsächliche, so wäre eine Preiserhöhung von 5 % unprofitabel, die nächstbesten Substitute müssten dem Kandidatenmarkt hinzugefügt und die Analyse des kritischen Absatzrückgangs muss mit dem erweiterten Kandidatenmarkt wiederholt werden.
Der kritische Absatzrückgang, d.h. der Absatzrückgang, bei dem der Monopolist gerade indifferent wäre, eine Preiserhöhung durchzuführen oder nicht, kann wie folgt ermittelt werden:153 Angenommen der Preis in der Ausgangssituation beträgt p0 und steigt nach einer Erhöhung auf p1. Die bei diesen nachgefragten Mengen seien mit X(p0) und X(p1) bezeichnet. Dabei ist unterstellt, dass die Nachfrage beim höheren Preis geringer ist als beim niedrigeren Preis. Der Gewinn des Monopolisten, der annahmegemäß mit konstanten Grenzkosten in Höhe von c produziert, hängt vom Preis ab und wird mit π(p0) bzw. π(p1) bezeichnet. Der Preisunterschied p1 – p0 wird durch Δp beschrieben, die Gewinndifferenz durch Δπ und die Nachfrageänderung X(p1) – X(p0) durch ΔX. Der Monopolist wäre indifferent bezüglich einer Preiserhöhung, wenn sein Gewinn dadurch unverändert bliebe, d.h. wenn gilt:
Der Ausdruck (p1 – p0)X(p1) gibt den zusätzlichen Gewinn an, den er durch den Verkauf der Menge X(p1) zum höheren Preis p1 erzielt und der Term (p0 – c) (X(p0) – X(p1)) bezeichnet die Gewinneinbuße aufgrund der geringeren abgesetzten Menge. Wenn beide Effekte gleich groß sind, dann würde eine Preiserhöhung den Gewinn unverändert lassen. Diese Bedingung kann geschrieben werden als
bzw.
Teilt man diesen Ausdruck durch X(p0) und p0 und ordnet die Terme, dann ergibt sich
Der Ausdruck auf der linken Seite der Gleichung ist der durch die Preiserhöhung bedingte prozentuale Rückgang der abgesetzten Menge, d.h. der kritische Absatzrückgang (critical loss (CL)), der Term (p1 – p0)/p0 = s bezeichnet die Preiserhöhung in Prozent und (p0 – c)/p0 = m gibt die Gewinnmarge in Prozent an.
Der kritische Absatzrückgang kann daher geschrieben werden als