Das Biest in Dir. Felix Hänisch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Felix Hänisch
Издательство: Автор
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Жанр произведения:
Год издания: 0
isbn: 9783967525748
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Therry zu erklären, »sucht sich seinen Schüler stets selbst aus und das dauert für gewöhnlich sehr lange. Auf keinen Fall aber wird er sich einen zuweisen lassen. Das ist jedenfalls sehr merkwürdig, du solltest Skal mal danach fragen.«

      »Wie war das eigentlich bei dir?«, wollte Darius wissen, um das Thema zu wechseln. »Wie hast du zu deiner Meisterin gefunden?«

      »Eigentlich fand sie mich. Darum geht es ja. Ich bin in Baknakaï aufgewachsen, meine Eltern habe ich nie kennengelernt, und auch dort konnte mir keiner etwas über sie sagen. Schon von klein auf war mein ganzes Leben von schweißtreibenden Übungen erfüllt gewesen. Solange ich mich zurückerinnern kann, wurde ich – wenn zu Beginn auch spielerisch – immer gedrillt und dazu getrieben, mich zu steigern. Bis eines Tages, ich muss wohl elf oder zwölf Jahre alt gewesen sein, Irys nach Baknakaï kam. Sie hat mich lange beobachtet und vielen Prüfungen unterzogen. Als ich vierzehn war, nahm sie mich dann als Schülerin auf.«

      In diesem Moment gingen die beiden um eine sanfte Biegung, hinter der ihr abgebrochenes Lager zum Vorschein kam. Sie erwarten beinahe schon, eine wütende Meute Orks zu sehen oder wenigstens ihre Meister, die sorgenvoll auf sie warteten. Aber da war nichts. Nichts, außer den erschlagenen Exemplaren der letzten Nacht, die in ihrem grünen, geronnenem Blut um das mittlerweile vollends erloschene Lagerfeuer herum lagen.

      »Und jetzt?«, fragte Darius ratlos. Er hatte zwar mit allem gerechnet, aber nicht damit, dass rein gar nichts passierte.

      »Warten wir?«, meinte Therry selbst nicht recht überzeugt. »Oder gehen wir Irys und Skal schon entgegen?«

      »Nein«, erwiderte Darius entschieden. »Skal hat gesagt, dass wir auf jeden Fall hier warten sollen. Sie werden sicherlich bald zurück sein.«

      »Hier können wir aber nicht bleiben«, sagte Therry, während sie sich unwohl nach allen Seiten umsah. »Wenn ich ein rachsüchtiger Ork wäre, würde ich zuerst dorthin zurückkehren, wo ich meine Feinde das letzte Mal gesehen hätte.«

      »Das ist doch vollkommen unlogisch«, blaffte Darius sie an. »Hier sind wir doch schon einmal auf sie getroffen, deshalb ist das der sicherste Ort von allen. Keiner rechnet damit, dass wir noch einmal hierher zurückkommen.«

      »Orks denken aber nicht logisch!«, fauchte Therry. »Selbst wenn sie nur zurückkommen, um ihre Toten zu bestatten ... oder sie zu fressen, was weiß ich, was die mit denen machen. Aber sicher kommen sie genau hierher zurück. Deshalb bin ich dafür, in den Wald zu gehen und nach Irys und Skal zu suchen. Du kannst ja von mir aus hier auf die Orks warten. Vielleicht entwickelst du ja wieder übermenschliche Kräfte und kannst sie in die Flucht schlagen, aber darauf will ich mich nicht verlassen.«

      »Na gut«, versuchte Darius sie zu beruhigen, als er merkte, wie sehr sie sich in Rage geredet hatte. In einer beschwichtigenden Geste hob der angehende Iatas beide Handflächen, während er sich darum bemühte, keine Reaktion auf den forschen Ton seiner Weggefährtin zu zeigen, sondern ihn auf die Sorge um ihre Meisterin schob. Auch er hatte Angst um Skal, weshalb ihm ihr Vorschlag gar nicht so abwegig erschien.

      »Machen wir einen Kompromiss. Wir klettern auf einen der Bäume.« Mit einem beiläufigen Kopfnicken deutete Darius in Richtung des Waldrandes. »Hinter dem dichten Blätterdach können uns die Orks nicht sehen, und wenn Irys und Skal bis heute Nachmittag nicht zurück sind, machen wir uns auf die Suche nach ihnen.«

      Damit schien Therry leben zu können, obwohl sie nicht gerade glücklich dabei wirkte. Sie hätte es zwar nie zugegeben, aber alleine in den Albewald zu gehen, behagte ihr ganz und gar nicht. So war sie einverstanden, zumal Darius zustimmte, sie anschließend zu begleiten. Das Versprechen, welches er Skal gegeben hatte, nämlich sofort nach Baknakaï zurückzukehren, falls ihre Wiederkehr ausbleiben sollte, verdrängte er geflissentlich. Gehorsam hatte noch nie zu seinen Tugenden gezählt. Wohl aber Kameradschaftlichkeit und Hilfsbereitschaft.

      Schon malte Darius sich aus, wie er seinem Meister in der Stunde finsterster Not zu Hilfe eilen würde, um ihn im Kampf gegen schwarzäugige oder grüngeschuppte Bestien beizustehen. Therry dabei an seiner Seite zu wissen, beruhigte ihn ungemein. Auch wenn er das niemals zugeben würde. Sie hatte sich im gestrigen Kampf mit den Orks wacker geschlagen und wenn man sie erst einmal näher kennengelernt hatte, war sie gar nicht so unausstehlich wie auf den ersten Blick.

      So kletterten die beiden auf eine nahe gelegene Gelbborke am Rande des Waldes. Die knorrigen Äste des Baumes wiesen schon wenige Schritte über dem Boden einen vertrauenerweckenden Umfang auf. In gut fünf Mannslängen Höhe – Therry brauchte aufgrund ihrer Körpergröße ein wenig Hilfe beim Klettern – hatten sie einen guten Blick auf das Lager. Ohne Schwierigkeiten würden sie jeden, der sich näherte, egal ob Freund oder Feind, sofort sehen, ohne selbst dabei entdeckt zu werden.

      Ihr einziges Problem war jetzt die Langeweile, denn weder Darius noch Therry waren besonders geduldig. Gegen die Mittagszeit hielt der Jüngling das Herumsitzen auf dem Ast, der bereits nach kurzer Zeit das Sitzfleisch quälte, nicht mehr aus. Da er seit gestern noch immer nichts in den Magen bekommen hatte, entschloss er sich kurzerhand etwas zu Essen zu suchen.

      Doch obwohl Darius eigentlich ein ganz passabler Jäger und Spurenleser war, war es ihm nicht vergönnt, eine fleischige Beilage zu den Schmarotzerbeeren und Dolchwurzeln zu fangen, die er an der Baumgrenze des Waldes erntete. Möglicherweise lag es auch daran – und er schämte sich fast, es sich einzugestehen –, dass er sich nicht weit genug in den Forst hinein traute. Ja, er blieb nur am Rand des Dickichts, weil er Angst hatte.

      Angst vor der Dunkelheit, vor den hoch aufragenden Bäumen, in denen sich der Blick verlor und durch die man keinen Steinwurf weit sehen konnte. Angst vor den Geräuschen des Waldes, der sich so von dem unterschied, welcher direkt vor seinem Dorf lag und in dem er unbesorgt viele Stunden seines jungen Lebens mit Spielen und Herumtollen verbracht hatte. Darius war froh als er endlich wieder beim Baum ankam, auf dem Therry bereits ungeduldig wartete. Zu seiner Erleichterung sprach sie genau diese Ängste an und zeigte ihm damit, dass er nicht allein war.

      »Da bist du ja endlich, ich hab mir schon Sorgen gemacht.«

      »Sind Irys und Skal aufgetaucht?«, fragte Darius überflüssigerweise.

      »Nein und ich mache mir langsam wirklich Sorgen, dass ihnen etwas zugestoßen sein könnte. Darius, ich hab ein ganz komisches Gefühl, wir müssen jetzt aufbrechen, bevor es zu spät ist. Ich kann es nicht erklären, aber dieser Wald hat irgendetwas Bedrohliches. Wir müssen unseren Meistern helfen, ehe es zu spät für sie ist.« Therry sagte das mit einer solchen Gewissheit, dass Darius ihr nicht widersprach. Und spätestens jetzt verwarf er den Gedanken, nach Baknakaï zurückzukehren, um dort Meldung zu machen, endgültig.

      »Einverstanden, lass uns gehen«, erwiderte er deshalb grimmig nickend. Ihr karges Mahl verspeisten die beiden noch im Gehen, denn auf einmal waren sie von einer tiefen Unruhe erfüllt. Weder wussten sie, wohin sie sich zu wenden hatten, noch was sie im Inneren des Albewaldes erwarteten würde.

      Obwohl die Sonne hoch am Himmel stand, drang fast kein Licht durch das dichte Blätterdach auf den Waldboden. Nach einiger Zeit – es ließ sich unmöglich sagen, wie weit sie gegangen waren – lichtete sich das Geäst ein wenig. Das dichte Gestrüpp, durch das sie sich bisher gekämpft hatten, machte einem schmalen Trampelpfad Platz, welcher dem Flusslauf eines kleinen Baches folgte. Auf dem schmalen Streifen kahler, platt getretener Erde kamen die beiden ungleich besser voran und legten so ein gutes Stück des Weges zurück, von dem sie immer noch nicht wussten, wohin er sie führen würde.

      Ohne es genau erklären zu können, waren sowohl Darius als auch Therry sich sicher, dass sie ihr Ziel erreicht hatten, als sie zwischen den Bäumen ein großes steinernes Gebäude erblickten. Es war das Einzige seiner Art, in der ansonsten unberührten Natur des Waldes. Sie brauchten sich nicht abzusprechen, um zu wissen, was der andere dachte. Darius sah Therry nur kurz an, sie nickte und beide gingen entschlossen auf das große Haus, welches mehr einem Tempel glich, zu. Es war unmöglich die Größe des Bauwerks abzuschätzen, da sich der hintere Teil im Dickicht der Bäume verlor, geradeso als wäre es im Laufe der Zeit erweitert und immer tiefer in den Wald hineingebaut worden. Der vordere Teil jedoch lag auf einer gut überschaubaren Lichtung, die etwa fünfzig