Das Biest in Dir. Felix Hänisch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Felix Hänisch
Издательство: Автор
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Год издания: 0
isbn: 9783967525748
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wieder so weit zusammennehmen konnte, dass ihm das Laufen auch ohne ihre Hilfe wieder möglich war.

      »Das war nicht ich«, entgegnete er ruhig. »Ich weiß, wie komisch das klingt, aber irgendetwas in mir hat die Kontrolle übernommen. Kannst du dir das erklären?«

      »Nein ... keine Ahnung«, entgegnete Therry verblüfft. »Wir könnten höchstens morgen unsere Meister danach fragen. Oh verdammt, wir sollten doch auf sie warten.«

      »Willst du wieder zurück und warten, bis die Orks noch mal kommen?«, fragte Darius sarkastisch.

      »Nein, natürlich nicht. Aber ich will auch nicht, dass unsere Meister in Gefahr geraten«

      »Die können auf sich selber aufpassen und morgen wird uns schon etwas einfallen. Jetzt möchte ich mich nur noch hinlegen. Ich bin fix und fertig«, stöhnte Darius, womit er auch Therry aus der Seele sprach, die ihre zahlreichen Schrammen und Kratzer im Gehen notdürftig verband.

      Zu allem Überfluss schoben sich nun noch mehr Wolken vor den Mond, der in der Nacht ihre einzige Lichtquelle war und dafür sorgte, dass sie auf dem unebenen Untergrund nicht stolperten und sich die Beine brachen. Schließlich begann es auch noch zu regnen. Kein einfacher Regen, sondern ein wahrer Wolkenbruch, bei dem sich jeder eiskalte Tropfen wie ein Nadelstich auf den geschundenen Körpern der beiden anfühlte.

      Frierend, aufgeweicht bis auf die Haut und am Rande ihrer Kräfte erreichten sie schließlich eine kleine Höhle. Es war wenig mehr als eine schmaler Spalt zwischen zwei Felsen am Rande des Waldes. Aber der erdige Untergrund war eben und trocken. Auf ein Feuer verzichteten sie geflissentlich, aus Angst von den rachsüchtigen Orks entdeckt zu werden. Brennbares Holz hätten sie jedoch ohnehin nicht gefunden.

      Zitternd vor Kälte lehnte Darius sich mit dem Rücken an den moosüberzogenen Stein. Zeitgleich kroch Therry, die nicht weniger vom Regen durchnässt war, müde unter den wärmenden Stoff ihres Schlafsackes. Dabei war ihr egal, dass er voller grünem, nach rostigem Metall stinkenden Orkblut war.

      »Na komm schon«, sagte sie, ohne die Augen zu öffnen, während sie ihr Nachtlager zurückschlug. »Bei dem Geklapper deiner Zähne kann ja kein Mensch schlafen.« Als Darius sich frierend zu ihr legte – das nasse Obergewand hatte er, genau wie sie, abgelegt – empfand er für die kleine Nervensäge, wie er sie noch vor wenigen Stunden genannt hatte, zum ersten Mal etwas anderes als Abneigung. Er begehrte sie nicht, obwohl das in dieser Situation gewiss nicht unnormal gewesen wäre, zumal Therry ein hübsches Mädchen war. Nein, er spürte zum ersten Mal so etwas wie Freundschaft für sie, was er ihr aber nicht unbedingt gleich auf die Nase binden musste.

      »Erzähl das bloß niemandem«, knurrte er deshalb kaltschnäuzig.

      »Und du lass ja deine Hände bei dir«, entgegnete sie ihm, nicht weniger abweisend und dreht sich auf die Seite.

      »Darius ... danke. Wenn du mir vorhin nicht geholfen hättest, wäre ich jetzt tot«, fügte Therry nach einigen Momenten des Schweigens hinzu. Als Antwort erhielt sie jedoch nur ein Grunzen. Darius war bereits eingeschlafen.

       Sorgen

      Als sie am nächsten Morgen erwachten, froh im Schlaf nicht erneut von den nächtlichen Angreifern heimgesucht worden zu sein, stand die Sonne bereits fast im Zenit. Der Kampf mit den Orks und die anschließende Suche nach einem sicheren Schlafplatz hatten Darius und Therry so sehr erschöpft, dass sie nicht nur auf Wachschichten verzichtet, sondern beinahe den gesamten Vormittag verschlafen hatten. Die Regenwolken waren über Nacht zwar verschwunden und ließen die wärmenden Sonnenstrahlen den Boden erreichen, aber Grund zur Freude war das nicht. Denn sie waren, wie Therry Darius mitteilte, als sie ihn mit einem unsanften Rippenstoß weckte, bereits viel zu spät dran.

      »Was, wenn unsere Meister am Treffpunkt warten und wir nicht da sind?«, fragte sie besorgt.

      »Dann werden sie warten, bis wir zurück sind. Oder glaubst du, sie sehen das verlassene Lager und gehen wieder?«, entgegnete ihr Darius noch im Halbschlaf, um sie zu beruhigen. Allerdings erreichte er damit das genaue Gegenteil.

      »Du hast recht. Sie werden die toten Orks sehen und vermuten, dass wir entführt wurden. Dann werden sie gehen, um uns zu suchen und wir verfehlen sie«, meinte Therry leicht hysterisch, während sie die Höhle verließen, welche bei Tag noch um einiges kleiner wirkte als es in der vergangenen Nacht der Fall gewesen war.

      »Das glaube ich nicht«, widersprach Darius und wirkte zuversichtlich. »Sie werden unseren Fußspuren bis zu dieser Höhle folgen. Siehst du, durch den Regen der letzten Nacht sind sie im Schlamm ganz leicht auszumachen.«

      »Das stimmt.« Therry knirschte mit den Zähnen. »Aber wenn Irys und Skal unsere Fußspuren finden, dann gilt dasselbe auch für die Orks.« Das ließ sich nicht von der Hand weisen und versetzte selbst dem unerschütterlichen Optimismus von Darius einen tiefen Riss. Obwohl er Therry spätestens seit ihrem Abenteuer der letzten Nacht deutlich besser leiden konnte, störten ihn ihre neunmalklugen Äußerungen noch immer. Auch wenn sie meist im Recht war.

      Keiner der beiden fühlte sich besonders wohl dabei, als sie ihren Spuren in die entgegengesetzte Richtung folgten. Jeden Moment rechneten sie mit einem erneuten Angriff der Orks, die sicherlich unter zahlreicher Verstärkung auf der Suche nach ihnen waren, um sich für den Blutzoll der letzten Nacht zu rächen. Darius hätte es nicht zugegeben, aber es stimmte, dass ihre Fußabdrücke im weichen Schlamm selbst für einen weniger erfahrenen Spurenleser nur allzu deutlich erkennbar waren. Ihm war letzte Nacht, benebelt wie er vom Kampf gewesen war, gar nicht aufgefallen, wie weit sie gelaufen waren.

      Der Magen hing ihnen bereits in den Kniekehlen, da weder Therry noch er in der Hektik nach dem Aufstehen etwas zu sich genommen hatten. Doch solange wie sie sich nicht beschwerte und nach einer Rast verlangte, wollte Darius ihr in nichts nachstehen.

      Irgendwie hatte er die ganze Zeit über das Gefühl, sich ihr gegenüber keine Schwäche eingestehen zu dürfen. Lag es vielleicht daran, dass er sie als Konkurrenz in seiner Ausbildung zum Iatas sah? Zumal sie ihm gegenüber ja bereits zwei Jahre Vorsprung hatte. Oder wollte er sie einfach nur beeindrucken? Als hätte Therry seine Gedanken gelesen, drehte sie sich auf einmal um und sprach: »Ich war gestern Nacht ziemlich beeindruckt von dir.«

      »Was?«, fragte Darius, der sich ertappt fühlte, vollkommen perplex.

      »Dein Kampf gegen die Orks.« Therry sah ihn stirnrunzelnd an. »Du kannst dir wirklich nicht erklären, wie du das gemacht hast? Ich meine, du hast nicht einfach nur gut gekämpft, du warst meisterhaft. So etwas habe ich noch nie gesehen, selbst die Kampfkünste von Meisterin Irys sehen dagegen alt aus.«

      »Keine Ahnung wie das passiert ist«, entgegnete Darius wahrheitsgemäß. »Wie gesagt, es war als hätte irgendetwas in mir die Kontrolle übernommen. Das ist mir bisher erst einmal passiert. Bei einem Übungskampf mit Skal. Aber damals hatte ich irgendwie noch das Gefühl, mich wenigstens ein bisschen im Griff zu haben, gestern war es jedoch viel stärker.«

      »Und zuvor ist dir so etwas noch nie passiert?«

      »Nein. Obwohl, jetzt, wo ich darüber nachdenke. Mein Bruder, Ryu, der mich aufgezogen hat und eigentlich besser kennt als jeder andere, hat oft gesagt, dass ich in Stresssituationen meist sehr gelassen und instinktiv richtig handele. Vielleicht habe ich ja ein Talent dafür, dass ich bei Gefahr über mich selbst hinauswachse. Klingt das abwegig?«

      »Eigentlich nicht«, antwortete Therry nachdenklich. »Ich habe schon mal davon gehört, dass es Menschen geben soll, die so etwas in sich haben. Wahrscheinlich ist das der Grund, weshalb Skal dich als seinen Schüler aufgenommen hat. Vermutlich hat er dieses Talent in dir erkannt.«

      »Nein, das ist nicht der Grund«, entgegnete Darius kopfschüttelnd. »Ein Schamane der Iatas hat mich auserwählt.«

      »Ein was?« Therry stutzte. »Es gibt überhaupt keine Schamanen bei den Iatas. Wer hat dir denn diesen Unsinn erzählt?«, fragte sie und konnte sich ein Lachen nur schwer verkneifen.

      »Na Aaron und Ramir, die beiden Iatas, die mich zu meinem Meister gebracht haben«,