Sollte der Katalog des § 111 Satz 3 BetrVG als nicht abschließend angesehen werden, würde die Qualifizierung einer Umstrukturierungsmaßnahme als Betriebsänderung davon abhängen, ob die geplante Änderung wesentliche Nachteile für einen erheblichen Teil der Belegschaft zur Folge haben kann. Ob der betroffene Teil der Belegschaft als erheblich anzusehen ist, würde vom Erreichen der Schwellenwerten des § 17 Abs. 1 KSchG unter Anwendung der 5 %-Grenze bei Großbetrieben abhängen. Des Weiteren ist zu beachten, dass das Vorliegen von wesentlichen Nachteilen für die betroffenen Arbeitnehmer lediglich für die in § 111 Satz 3 BetrVG genannten Betriebsänderungen fingiert wird. Bei einer Umstrukturierung, die nicht unter den Katalog des § 111 Satz 3 BetrVG fällt, müssten die für die betroffenen Beschäftigten folglich wesentliche Nachteile gesondert festgestellt werden, um die Maßnahme als nach den §§ 111ff. BetrVG beteiligungspflichtig zu qualifizieren.
V. Sonderfall Betriebsübergang
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Ein Betriebsübergang liegt vor, wenn ein Betrieb oder Betriebsteil den Inhaber wechselt und dabei in seiner wirtschaftlichen und organisatorischen Einheit bestehen bleibt.69 Für den Unternehmer, der den Betrieb übergibt, stellt sich die Frage, ob ein solcher Betriebsübergang als Betriebsänderung zu qualifizieren ist, sodass der Betriebsrat zu beteiligen ist.
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Das Rechtsgeschäft zwischen Veräußerer und Erwerber, welches zum Betriebsübergang führt, stellt als solches nach der ständigen Rechtsprechung des BAG richtigerweise keine Betriebsänderung dar, sodass dem Betriebsrat insoweit keine Beteiligungsrechte zustehen.70 Diese rein wirtschaftliche Entscheidung unterliegt der unternehmerischen Freiheit und ist damit nicht mitbestimmungspflichtig. Dementsprechend kann der Betriebsrat einen vom Unternehmer geplanten Betriebsübergang nicht verhindern.
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Ein Betriebsübergang ist in der Praxis jedoch häufig mit Maßnahmen verbunden, die als Betriebsänderung zu qualifizieren sind.71 So wird regelmäßig nur ein Betriebsteil auf den Erwerber übertragen, der vorher durch den Veräußerer abgespalten wird. Eine solche Abspaltung zum Zweck eines Teilbetriebsübergangs stellt eine Betriebsänderung und damit eine beteiligungs- und mithin sozialplanpflichtige Maßnahme dar.72 Im Hinblick auf die mit einem Sozialplan auszugleichenden Nachteile ist jedoch zwischen solchen, die den betroffenen Beschäftigten durch den Betriebsübergang entstehen, und denjenigen, die aus der Betriebsänderung resultieren, zu unterscheiden. Ausschließlich letztgenannte stellen durch einen Sozialplan auszugleichende Nachteile dar.73 Sollte etwa ein Beschäftigter dem nach einer Betriebsspaltung durchgeführten Betriebsübergang widersprechen und infolgedessen vom Veräußerer wirksam betriebsbedingt gekündigt werden, weil dieser keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr hat, ist der Arbeitsplatzverlust nicht auf die Betriebsänderung in Form der Spaltung, sondern auf den Widerspruch des Beschäftigten zurückzuführen.74 Der Arbeitsplatzverlust stellt in diesem Fall keinen ausgleichspflichtigen Nachteil dar.
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Bei einem identitätswahrenden Übergang bleibt der dem Betrieb angehörende Betriebsrat bestehen und übt seine Mitbestimmungsrechte nach dem Übergang gegenüber dem neuen Inhaber aus. Maßgeblich für die Frage, wen die Pflicht zur Beteiligung des Betriebsrats im Hinblick auf eine etwaige Umstrukturierung trifft, ist demnach, wer den Entschluss zu der Umstrukturierungsmaßnahme fasst. Zu diesem Zeitpunkt entstehen die Beteiligungsrechte des Betriebsrats, sodass auch derjenige, der die Betriebsänderung plant und vorbereitet, den Betriebsrat zu beteiligen hat.
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Zudem stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, welche Bindungswirkung ein durch den Veräußerer mit dem Betriebsrat verhandelter Interessenausgleich und Sozialplan für den Erwerber hat. In der Praxis kann die Planung der Betriebsänderung durch den Veräußerer erheblich von der tatsächlichen Durchführung durch den Erwerber abweichen. So kann etwa der Erwerber bereit sein, im Zuge der begonnenen Durchführung einer Betriebsänderung durch den Veräußerer bereits gekündigte Beschäftigte zu den bisherigen Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen. Zwar tritt der Erwerber eines Betriebs gemäß § 613a BGB grundsätzlich in alle Rechte und Pflichten des Veräußerers ein, weshalb die Bindungswirkung eines Sozialplans grundsätzlich ebenfalls den Erwerber trifft. Eine Ausnahme macht die Rechtsprechung aber dann, wenn die Geschäftsgrundlage für den Sozialplan wegfällt.75 Dies wäre im vorgenannten Beispiel der Fall. Dem Erwerber kann in diesem Fall nicht zugemutet werden, an dem zwischen dem Veräußerer und dem Betriebsrat verhandelten Sozialplan festzuhalten, weshalb ihm ein Anspruch auf Anpassung zusteht. Dies gilt etwa auch dann, wenn ein Unternehmer den Entschluss zu einer Betriebsstillegung fasst, hierfür einen Interessenausgleich und Sozialplan mit dem Betriebsrat abschließt und erst später einen Erwerber findet, der den Betrieb identitätswahrend weiterführt, sodass keine Stilllegung, sondern lediglich ein nicht beteiligungspflichtiger Betriebsübergang vorliegt. Auch in diesem praxisrelevanten Fall ist die Geschäftsgrundlage, also die Durchführung der Betriebsänderung in Form der Stilllegung weggefallen, sodass dem Erwerber nicht zugemutet werden kann, den Sozialplan zu erfüllen, obwohl der Betrieb identitätswahrend fortgeführt wird.
VI. Schlussbemerkung
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Eine mitbestimmungspflichtige Betriebsänderung liegt keinesfalls nur in Fällen der klassischen Umstrukturierung vor, die einen Personalabbau beinhaltet. Insbesondere Maßnahmen im Zusammenhang mit der Digitalisierung und Änderungen in der Art und Weise der Zusammenarbeit stellen in der Praxis häufig mitbestimmungspflichtige Betriebsänderungen dar, die von Unternehmern nicht als solche erkannt werden, weshalb die Beteiligung des Betriebsrats ausbleibt Dies kann – sofern denn der Betriebsrat die Betriebsänderung als eine solche erkennt – erhebliche Nachteile mit sich bringen.
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Neben den wirtschaftlichen Folgen, etwa Nachteilsausgleichsansprüchen, und einer teilweise erheblichen Verzögerung der Umsetzung der beabsichtigten Maßnahmen, die in der Regel ebenfalls erhebliche wirtschaftliche Folgen hat, zerstört die (mehrfach) unterlassene Beteiligung des Betriebsrats häufig das Vertrauen der Betriebsparteien, welches bei der Umsetzung von relevanteren Umstrukturierungsmaßnahmen erforderlich, jedenfalls aber von großem Vorteil ist.
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Der Unternehmer sollte sich zweifelsfrei die notwendige Zeit nehmen, eine in Betracht kommende Änderung seines Betriebs sorgfältig zu prüfen und zu entwickeln, in einem weiteren Schritt sollte sodann aber ebenso sorgfältig abgewogen werden, ob und in welchem Umfang der Betriebsrat bei den in Betracht kommenden Maßnahmen zu beteiligen ist. Insbesondere in dieser Phase besteht noch ein ganz erheblicher Gestaltungsspielraum des Unternehmers, der genutzt werden sollte.
1 Moll/Liebers, in: Moll, MAH ArbR, § 56 Rn. 10; Schweibert, in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen, C Rn. 7; Annuß, in: Richardi, BetrVG, § 111 Rn. 23. 2 BAG, 28.10.1992 – 10 ABR 75/91, NZA 1993, 420, 421 – Sozialplanpflicht beim nachträglich gewählten Betriebsrat. 3 BAG, 18.7.2017 – 1 AZR 546/15, NZA 2017, 1618, 1620 – Nachteilsausgleich bei Betriebsstilllegung. 4 BAG, 22.2.1983 – 1 AZR 260/81, NJW 1984, 323, 323 – Geltendmachung eines Abfindungsanspruchs. 5 BAG, 16.11.2004 – 1 AZR 642/03, NJOZ 2005, 4140, 4142 – Zahl der in der Regel beschäftigten wahlberechtigten Arbeitnehmer. 6 BAG, 16.11.2004 – 1 AZR 642/03, NJOZ 2005, 4140, 4142 – Zahl der in der Regel beschäftigten wahlberechtigten Arbeitnehmer. 7 BAG, 18.10.2011 – 1 AZR 335/10, NZA 2012, 221, 222 – Interessenausgleich und Berücksichtigung