1. Begegnungsorte und physische Plattformen
Als klassische Archetypen einer Plattform-Konstellation lassen sich zunächst Formen beschreiben, in denen Menschen mit unterschiedlichen Interessenlagen seit jeher zueinander fanden und in irgendeiner gedachten Form Waren oder Leistungen austauschten. Entsprechend weisen Evans/Schmalensee zurecht auf die historische Bedeutung von Matchmakern seit Beginn der gesellschaftlich organisierten Menschheit hin.90 Dabei handelt es sich im sprichwörtlichen Sinn um Märkte in Form einer einen Begegnungsort umschreibenden sozialen Tatsache, zum Beispiel Wochenmärkte, Dorfmärkte oder ihren kommerziellen Ausrichtungen in Fußgängerzonen oder Einkaufsgalerien.91 Ein prominentes antikes Beispiel lässt sich bereits in der Agora sehen. Auch wenn diese in einigen Formen als „Märkte“ bezeichnet werden, ist diese Bezeichnung nicht synonym mit dem kartellrechtlichen Marktbegriff, der sich ausschließlich nach Angebot und Nachfrage bestimmt.92 Dabei soll 93unabhängig von Gründen des sozialen Austauschs und der gelebten Öffentlichkeit der Beobachtungsfokus auf diejenigen Umstände gerichtet werden, die für die spätere Annahme eines Marktes im kartellrechtlichen Sinne relevant sein können.
In diesem Zusammenhang lassen sich zunächst physisch abgrenzbare und begrenzte Orte oder Räumlichkeiten beschreiben, die sich üblicherweise auf einem klar bestimmten Platz oder in einer dafür vorgesehenen Halle befinden.94 Als ein erstes Beispiel lassen sich hierfür kleinere der Versorgung der örtlichen Bevölkerung mit Lebensmitteln dienende Märkte festhalten. Dort erhalten Erzeuger oder Verkäufer von Produkten die Möglichkeit, mit einer Vielzahl an Kunden in Kontakt zu treten und ihre Produkte oder Leistungen anzubieten. Auf der anderen Seite finden Besucher eines Marktes die Möglichkeit, abhängig von der Vielfalt der dort auftretenden Erzeuger oder Verkäufer unterschiedliche Nachfragebedürfnisse zu befriedigen. Die Zulassung zu diesen Märkten erfolgt häufig nur für begrenzte Zeit, um auch anderen Anbietern Zugang zu diesem Markt zu ermöglichen. Der Auftritt erfolgt hier meistens mittels mobiler Verkaufsstände, die kurzfristig auf- und abbaubar sind, sodass ein tageweiser Wechsel zu anderen Märkten möglich ist. Hauptzweck dieser Märkte und Anhaltspunkt für die Preisbildung ist dabei bereits die Ermöglichung der bloßen Teilnahme der unterschiedlichen Nutzergruppen, nicht aber eine tatsächliche Transaktion.95
Für beide Seiten sind die Nutzung und der Besuch des Marktes mit verschiedenen Vorteilen verbunden. Beide Teilnehmergruppen in diesem einfachen Beispiel, die Anbieter von Produkten oder Leistungen auf der einen Seite und potenzielle Kunden auf der anderen Seite, können davon ausgehen, dass sie durch ihren Marktbesuch mit verschiedenen Individuen der jeweils anderen Teilnehmergruppe in Kontakt treten werden. Damit sinkt der jeweilige individuelle Aufwand, zum Beispiel in Form von beiderseits zusätzlichen Such- oder Anreisekosten. So müssen Hersteller oder Händler keine zusätzlichen Werbemaßnahmen initiieren, um Kunden zu einem Besuch ihrer Geschäfte zu motivieren. Außerdem kann aus Sicht der Anbieter von Produkten und Leistungen mit zunehmender Anzahl von potenziellen Kunden die mögliche Anzahl an zustande kommenden umsatzsteigernden Geschäften ansteigen. Für Besucher und potenzielle Kunden ergeben sich verbesserte Vergleichsmöglichkeiten.
Derartige Märkte werden üblicherweise in kommunaler oder privater Trägerschaft betrieben. So finden viele „Dorfmärkte“ zur örtlichen Lebensmittelversorgung auf extra dafür geschaffenen und bereitgestellten Flächen eines öffentlichen Rechtsträgers statt. Die teilnehmenden Anbieter zahlen an den Marktbetreiber üblicherweise eine Abgabe. Dies ist nicht in jedem Fall Bedingung für eine Zulassung zu dem Markt. Märkte können von privatwirtschaftlichen Unternehmen betrieben werden. Hier haben sich in den letzten Jahrzehnten die beiden Sonderformen der Einkaufszentren und Einkaufsgalerien herausgebildet.96 Dabei handelt es sich um Gebäudeanlagen, die Kapazitäten für verschiedene Geschäfte und eine Besucherinfrastruktur anbieten. Anbieter können mit dem jeweiligen Betreiber über eine vertragliche Bindung Zugang zu der Galerie oder dem Zentrum erhalten.
2. Provisionsvermittler
Ebenso klassisch als Beispiel für das grundlegende Bestehen einer Plattform-Konstellation lassen sich herkömmliche Vermittler und Makler beschreiben. Diese sind aber anders als die oben dargestellte Gruppe für ihre Tätigkeit nicht an einen physischen Ort gebunden. Stattdessen besteht ihr übliches Betätigungsfeld darin, Transaktionen herbeizuführen, zum Beispiel über Immobilienkäufe oder Mietwohnungen.97 Einfache Vermittler verfügen üblicherweise über ein Portfolio bestimmter zu vermittelnder Produkte oder Leistungen. Aus diesem Portfolio suchen sie für Interessenten passende Angebote raus, sodass hierauf folgend die Möglichkeit des Abschlusses eines konkreten Geschäfts besteht. In der Folge lassen sich Vermittler von einer oder beiden Parteien auf Grundlage vertraglicher oder gesetzlicher Vergütungsansprüche für die zustande gekommene Transaktion eine Provision als Entgelt zahlen. Ein weiteres Beispiel hierfür ist der Handelsvertreter.
Dabei ist diese Gruppe vom Vertragshändler oder dem sogenannten Reseller abzugrenzen, bei denen keine Vermittlung einer Transaktion vorliegt, sondern die innerhalb einer vertikalen Vertriebsstruktur Produkte oder Leistungen auf einer Seite beziehen, um sie anschließend auf der anderen Seite weiter zu vertreiben.98 Provisionsvermittler finden sich unter den digitalen Plattformen vor allem dort, wo ein gesteigertes Interesse nach weitreichender Transparenz und vereinfachten Suchen besteht, wie zum Beispiel bei Unterkünften oder anderen Angeboten für Endkunden und Verbraucher. Sie nehmen dabei eine Vertriebsleistung insofern vor, als dass sie die Aufmerksamkeit einer definierbaren Nutzergruppe auf eine bereits definierte Nutzergruppe lenken. Das Auftreten dieser Vermittler lässt sich vor allem in Wirtschaftsbereichen beobachten, in denen eine oder mehrere Gruppen über zu wenig Wissen verfügen, um selbstständig eine zufriedenstellende Verwertung vorzunehmen, und der Vermittler über dieses besondere Wissen verfügt. Häufig wird damit eine Aufbereitung der für eine Verwertung erforderlichen Informationen verbunden, wie dies bei komplexen Sachverhalten im Personal- oder Immobilienbereich vorkommen kann.
3. Handelsplattformen
Geschäfte werden aber zunehmend ohne direkte Provisionierung vermittelt und abgewickelt, zum Beispiel über Handels- oder Vertriebsplattformen. Beispiele für physische Handelsplattformen sind Messen, bei denen es sich ebenso um abgrenzbare und begrenzte Orte handelt, auf denen sich Individuen unterschiedlicher Anbieter- und Nachfragergruppen treffen.99 Dabei können sich diese Plattformen allein auf einen Austausch zwischen verschiedenen Unternehmergruppen beschränken oder Verbraucher und Privatpersonen als mögliche Besucher ansprechen. Wesentlicher Zweck ist hier die Möglichkeit der bloßen Teilnahme an einer Plattform, für die deren Betreiber regelmäßig einen Preis verlangt, den er je nach Interessenlage der beteiligten Nutzergruppen unterschiedlich verteilen kann.100
Zunehmend treten Handelsplattformen dabei über das Internet auf. Allgemeine gegenwärtige Beispiele sind dafür Amazon oder eBay, aber auch speziellen Bedürfnissen entsprechende Plattformen für Bücher, Musikalien oder Konsumgüter. Auch Dienste wie Fahrtenvermittler dürften in diese Kategorie einzuordnen sein, da sie ebenso zwischen Fahrtenanbietern und Fahrgästen vermitteln.101
4. Zahlungen und Transaktionen
Ein weiteres Beispiel für Plattformsituationen sind Zahlungsdienstleister und Kreditkartenanbieter.102 Diese befriedigen Interessen an schnellen und risikoarmen Abwicklungen von Transaktionen. Anbieter von Kredit- oder Zahlungskartensystemen erfüllen dabei eine Intermediärfunktion zwischen einerseits den beteiligten Banken, die Zahlungen über das jeweilige System unterstützen, und andererseits den sie verwendenden Kunden. Der Erfolg und die Durchsetzung des jeweiligen Kartensystems hängt dabei von der Akzeptanz durch die Nutzer ab. Entscheiden sich mehr Bankkunden für die Verwendung eines bestimmten Zahlungsmittels, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Zahlungsmittel von weiteren Unternehmen akzeptiert wird.103 Dies gilt in ähnlicher Weise für von Dritten betriebene Zahlungsauslösedienste. Für die Nutzung des Zahlungskartensystems bestehen unterschiedliche Preisstrukturen. In der Regel zahlen die Karteninhaber