Über die Verwendung von Standards lassen sich Effizienzvorteile und damit positive wettbewerbliche Effekte erzielen, wenn hierdurch technische Barrieren abgebaut werden und Wissen verteilt wird.74 Sie stehen deshalb in einem möglichen Zusammenhang mit den Freistellungswirkungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV. Die Einhaltung von technischen Standards bei der Entwicklung von Technologien führt dazu, dass die neue Entwicklung mit anderen Technologien zusammenwirken kann.75 Dies ist gerade bei internetgenutzten Technologien der Vorteil, da keine Lösung für eine „Übersetzung“ notwendig ist und damit Informationsverluste geringer ausfallen. Indem dort standardisierte Kommunikationsprotokolle zur Anwendung kommen, wird zum einen sichergestellt, dass überhaupt ein Datenaustausch stattfinden kann und nicht verschiedene technologische Entwicklungen ohne Vernetzung existieren. Standardisierung ist damit gerade im digitalen Bereich ein wichtiger Faktor für einen erleichterten Informationsaustausch. Zum anderen werden Kosten für die Entwicklung von individuellen Übersetzungs- oder Vermittlungstechnologien vermieden oder gesenkt, indem der dafür erforderliche Entwicklungsaufwand gesenkt wird. Offene Standardisierungsinitiativen können damit in der Internetwirtschaft verhindern, dass jeder Akteur eine eigene technische Lösung für ein spezifisches Kompatibilitäts- oder Interoperabilitätsproblem entwickeln muss und stattdessen auf einer abgestimmten Entwicklung aufbauen kann und sie über eine abstrakte logische Schnittstelle weiterentwickeln kann. Auf der anderen Seite bedeutet die Durchsetzung eines Standards die gleichzeitige Verhinderung anderer, nicht mit ihm konformgehender Lösungen. Die EU-Kommission sieht deshalb bei kooperativ gesetzten Standards das grundsätzliche Risiko von Wettbewerbsbeschränkungen, lässt aber eine Untersuchung im Einzelfall offen.76 Maßgeblich seien dabei die Auswirkungen der gesetzten Standardbedingungen auf Produktqualität, Produktvielfalt und Innovation.77
6. Fortschreitende Digitalisierung
Die grundlegende Architektur des Internet sowie die Treiber der Digitalisierung verändern sich fortwährend.78 So zeichnet sich in den letzten Jahren eine neue Entwicklung in der internetgestützten Wirtschaft ab, das Internet der Dinge. Der deutsche IT-Gipfel beschreibt dieses Phänomen als „massive Vernetzung unterschiedlichster Dinge und Geräte und deren virtuelle Erreichbarkeit über das Internet“.79 Es geht also um die Anbindung von anderen physischen Gegenständen als Computern an das Internet. Dies erfolgt auf verschiedene Weisen. Zum einen ist es möglich, andere Maschinen als Computer mit internettauglicher Technologie auszustatten oder bereits vorhandene Technologie aufzurüsten. So werden mittlerweile marktgängige Lichtsysteme angeboten, bei denen die einzelnen Leuchtmittel über technische Schnittstellen oder einen WLAN-Router mit dem Internet verbunden werden und durch eine App gezielt gesteuert werden können.80 Alternativ können Gegenstände mit bestimmten Chips ausgestattet werden, die eine Erkennung und Auswertung über kurze Distanzen ermöglicht. Dies erfolgt derzeit hauptsächlich mittels der sogenannten RFID-Technologie.81 Unterstützend wird dabei häufig die Blockchain-Technologie herangezogen.
Das Besondere an diesen Entwicklungen im Zusammenhang mit dieser Untersuchung ist zum einen, dass eine weitere Vernetzung stattfindet und zwar von Objekten. Das bedeutet im Vergleich zu dem vorherigen Internet, das zunächst vor allem auf die Darstellung von Inhalten ausgerichtet war und anschließend mehr für Kommunikationsaustausch verwendet wurde, eine noch tiefere Durchdringung des alltäglichen menschlichen Lebens.82 Das Internet ist nicht mehr nur Medium oder Kommunikationskanal, sondern dient als Träger für eine Vielzahl an darüberhinausgehenden alltäglichen Vorgängen. Das zieht wiederum neue Angebote und Wertschöpfungsmöglichkeiten nach sich.83 Gegenstände können erfasst werden und Informationen über ihren gegenwärtigen Zustand und den gesamten „Lebenszyklus“ in Echtzeit erhoben, transportiert und ausgewertet werden.84 Hierauf aufbauend könnten neue oder bessere Angebote zur Verfügung gestellt werden, zum Beispiel weil sich neue Erkenntnisse über bestimmtes Nutzerverhalten oder Bedarfe ergeben. Der steigende Informationsbedarf wird als ein weiterer Faktor die Nachfrage nach höherbitratigen Telekommunikationsinfrastrukturen steigern.
Zum anderen lassen sich eine Vielzahl dieser neuen Produkte und Leistungen wiederum erneut über Plattformen vertreiben oder abbilden oder werden von diesen gar allein vorangetrieben. Industrielle Plattformen könnten einen noch schnelleren Informationsaustausch zwischen vernetzten Maschinen oder Produktionsstätten zu Lieferanten oder Abnehmern ermöglichen, zu verarbeitende Güter könnten schneller und effizienter zugeordnet werden oder beim Endkunden verwendete Maschinen könnten einfacher mit Gütern versorgt oder gewartet werden. Für Endkunden und Verbraucher könnten zusätzliche Bedarfe bestehen, diese neuen Angebote mit anderen Angeboten zu verbinden. Als ein einfaches Beispiel ließe sich hierfür der vernetzte Kühlschrank in einem Privathaushalt anführen, der aufgrund des bisherigen datenmäßig erfassten Einkaufsverhaltens und einer ständigen Überwachung seines Inhalts feststellen kann, wann ein bestimmtes Produkt aufgebraucht ist und hierdurch ausgelöst einen automatischen Vorgang auslöst, der zur Nachlieferung des fehlenden Produktes – gegebenenfalls wiederum über einen vernetzten Supermarkt – führt. Ähnlich können vernetzte Garagentoröffner mit einem internetgebundenen Lokalisierungsdienst eines bestimmten in der Garage zu parkenden Fahrzeugs verknüpft werden und sich bei Annäherung automatisch öffnen.
Schließlich nehmen kryptografische und algorithmische Technologien zunehmend Platz in der Diskussion ein. Ersterer Umstand erfährt seinen derzeit prominentesten Anwendungsfall in den immer mehr verwendeten Blockchain-Technologien. Hierbei handelt es sich ebenso um Netzwerke, die zusätzlich über ein besonderes kryptografisches Verfahren, das sogenannte Hashing, miteinander verbunden sind.85 Hierfür werden wiederum Algorithmen verwendet, bei denen es sich um vorbereitete Anwendungsmuster zur Lösung von Aufgaben handelt, die selbstständig durch Computer ausgeführt werden.86 Diese werden auch in Technologien eingesetzt, die allgemeinhin als „Künstliche Intelligenz“ oder „Autonome Systeme“ beschrieben werden. Hier regeln Algorithmen die Zusammenarbeit verschiedener Kapazitäten, meistens besonders umfangreicher wie zum Beispiel Netze, Rechnerressourcen oder Datenbanken.
7. Zusammenfassung der technischen Begrifflichkeiten
Voraussetzungen dafür, dass man von einer „digitalen“ Plattform sprechen kann, sind also zum einen der Einsatz von internettauglicher Infrastruktur und zum anderen für die Verarbeitung digitalisierter Informationen geeigneter Informationstechnik. Beides hat sich in den letzten Jahrzehnten rapide verändert. Die Übertragungswege sind schneller geworden und ermöglichen den Transport großer Datenmengen in kurzer Zeit. Gleichzeitig finden sich stets neue Methoden des Austauschs und der Verwendung von Informationen. Dies wiederum fördert und fordert die Weiterentwicklung bereits vorhandener Technologien.87 Dabei sind diese Entwicklungen in technischer Hinsicht insofern stark miteinander verbunden, als dass sich eine sogenannte Pfadabhängigkeit ergibt.88 Das bedeutet, dass sich Entscheidungen für bestimmte Optionen nicht nur nach ihrer konkreten Auswirkung bewerten lassen, sondern vielmehr auch eine Entscheidung für ein technologisches Regime ausdrücken können.89
41 Evans/Schmalensee, Matchmakers,