Gl. 55
Durch Einsetzen der Gleichung 51 für in die Übertragungsstrecke eintretende, mit den Strahlungseigenschaften und der Temperatur des Messobjektes in Zusammenhang stehende Strahlung, ergibt sich die sogenannte Pyrometrische bzw. Thermografische Grundgleichung. Diese bildet das mathematische Modell für die berührungslose Temperaturbestimmung anhand der Erfassung von Wärmestrahlung, beispielsweise mittels Strahlungsthermometern oder thermografischen Systemen:
Gl. 56
Durch Umstellen nach der Objekttemperatur ϑO entsteht der nachfolgende Term, welcher in einer Thermokamera für jeden Bildpunkt und jede Bildauffrischung anhand der aktuellen Messwerte (und den Angaben für ε, τA, ϑU und ϑA) immer wieder neu berechnet wird:
In der obigen Gleichung sind die Strahlungswerte ΦM, Φ(ϑU) und Φ(ϑA) die im durch die Sensitivität des Messsystems (siehe Abbildung 38) begrenzten Wellenlängenbereich detektierten Strahlungen, Φ-1 bedeutet inverse oder Umkehrfunktion. Wie der mathematische Zusammenhang aufzeigt, sind zur Berechnung der Objekttemperatur außer der Erfassung der Strahlung ΦM weitere Parameter notwendig. Diese sind im Falle der hier getroffenen Vereinfachung für Infrarot-undurchsichtige Messobjekte:
ε . . . | Emissionsgrad des Messobjektes |
ϑU . . . | Umgebungstemperatur (Durchschnittstemperatur der Gegenstände, deren Strahlung sich auf der Objektoberfläche in Richtung des Messsystems spiegelt) |
τA . . . | Transmissionsgrad der Übertragungsstrecke |
ϑA . . . | Temperatur der Übertragungsstrecke |
Oftmals ist die atmosphärische Übertragungsstrecke (ohne weitere Materialien in der Übertragungsstrecke) so kurz, dass deren Einfluss (Dämpfung) auf die übertragene Wärmestrahlung so gering ist, dass diese vernachlässigt werden kann. Die Gleichung 57 vereinfacht sich daher auf:
Gl. 58
Bei kurzen atmosphärischen Übertragungsstrecken spielen also nur noch die Umgebungstemperatur und der Emissionsgrad des Messobjektes eine Rolle. Bei den meisten Praxisanwendungen ohne Messfenster - insbesondere im langwelligen Infrarotbereich - kann diese Vereinfachung angewendet werden!
Im Falle von Idealen Strahlern vereinfacht sich die Gleichung wegen ε = 1 noch weiter. Selbst die Umgebungstemperatur verliert ihren Einfluss, da keine Reflexion auftritt.
Gl. 59
Hinter diesem Zusammenhang verbirgt sich nichts anderes, als das Stefan-Boltzmann-Gesetz. Vorausgesetzt natürlich, dass Messobjekt und Übertragungsstrecke ideale Eigenschaften aufweisen und die Strahlungsmessung alle Wellenlängen von 0 bis unendlich umfassen muss.
* Hinweis: Es tritt Wärmeleitung auch in Gasen und Flüssigkeiten auf, deren Größenordnung (von wenigen Ausnahmen - z.B. Quecksilber - abgesehen) wegen der sehr geringen Wärmeleitfähigkeit von Gasen und Flüssigkeiten (im Vergleich zur Wärmeleitung in Festkörpern) äußerst gering ist.
2.
Messtechnische Betrachtung
2.1. Optische Gesetze
Ausgehend von der Tatsache, dass alle Geräte der berührungslosen Temperaturmessung (Pyrometer, Strahlungsthermometer, Wärmebildkameras) optische Messgeräte sind, sind also auch die optischen Gesetze näher zu betrachten. Zur Vereinfachung dieser Betrachtungen ist es hierbei sinnvoll, die Gesetze der geometrischen Optik anzuwenden:
der Wellencharakter der Strahlung (z.B. Beugung) wird nicht berücksichtigt.
der Lichtstrahl breitet sich in homogenen Medien geradlinig mit konstanter Geschwindigkeit aus
der Lichtstrahl wird an den Grenzen verschiedener Medien gebrochen und / oder reflektiert
der Weg (Strahlengang) des Lichtes ist umkehrbar
Mittels obiger Definitionen ist die geometrische Optik für die Beschreibung der optischen Abbildungsgesetze - natürlich auch im Falle der Wärmestrahlung - gut geeignet.
2.1.1. Gaußsche Optik (paraxiale Optik)
Weitere Vereinfachungen bieten die Zusammenhänge der Gaußschen Optik, welche dann gültig ist, wenn nur Strahlen nahe der optischen Achse betrachtet werden. Unter dieser Bedingung schließen diese nur in einem minimalen Winkel zur optischen Achse ein, so dass es zulässig ist, die Winkelfunktionen direkt durch die Winkel selbst zu ersetzen.
Gl. 60
Trotz obiger Definitionen werden im Folgenden die Erläuterungen zur geometrischen Optik mit großen Winkeln und großen Abständen zur jeweiligen optischen Achse dargestellt, um das Erkennen der grundlegenden Zusammenhänge zu erleichtern.
Abb. 52: Johann Carl Friedrich Gauß (1777 - 1855), deutscher Mathematiker, Astronom, Geologe und Physiker (Wikipedia, gemeinfrei [A18])
2.1.2. Grundtypen und Eigenschaften optischer Linsen
Optische Linsen sind kreissymmetrische transparente Körper mit konvexen oder konkaven Oberflächen, oder einer Kombination dieser Formen untereinander oder mit einer ebenen Fläche. Nachstehend werden sogenannte dünne Linsen diskutiert, also Linsen deren Dicke im Vergleich zum Linsendurchmesser vernachlässigbar ist. Beim Durchgang durch die Linse wird der Lichtstrahl - dem Brechungsgesetz folgend - auf der Vorder- und Rückseite der Linse (also zweimal) gebrochen. Der einfallende Strahl steht senkrecht zur Linsenoberfläche. Die Symmetrieachse der Linse wird als optische Achse, der Schnittpunkt zwischen der optischen Achse und dem Linsenkörper wird als optischer Mittelpunkt bezeichnet.
Im Weiteren werden nur Sammellinsen näher betrachtet, da Streulinsen bei Messsystemen der berührungslosen Temperaturmessung typischerweise keine Anwendung finden.
2.1.2.1. Sammellinsen
Sammellinsen bündeln parallel zu ihrer optischen Achse einfallende Lichtstrahlen auf einen Punkt der gegenüberliegenden Seite. Dieser Punkt wird Brennpunkt der Linse genannt. Typischerweise hat jede Sammellinse zwei Brennpunkte, die beidseitig des Linsenkörpers zu finden sind (natürlich auf der optischen Achse). Die im Brennpunkt parallel zum Linsenkörper stehende Fläche wird als Brennebene bezeichnet.
Gruppierung von Sammellinsen entsprechend ihrer Geometrie:
doppelt