Chicago Affair. Niko Arendt. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Niko Arendt
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742754493
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sie ihm etwas Alkohol in sich hineinzukippen, bevor er sich ausziehen musste.

      Bourdain lächelte. „Er ist mein Assistent.“

       Was?

      Sean versuchte sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen. Bourdains Griff an seinem Arm war fest und schmerzhaft. Er mahnte Sean dezent zur Achtsamkeit. Mit sanfter Gewalt führte er sie zu den einzigen freien Plätzen. Etwas perplex versuchte Sean die Situation neu zu analysieren. Das war ein verdammtes Geschäftsessen. Gott sei Dank.

      Obwohl es nicht bedeutete, dass Sean sich nicht noch ausziehen musste. Er verdrängte alle Gedanken. Darüber konnte er sich sorgen, wenn es so weit war. Die Gelegenheit dazu bekam er gar nicht, da sich der junge Mann zu seiner Rechten an ihn wandte und ihn in unverfänglichen Small Talk hineinzog.

      Zwischendurch nippte Sean an seinem Wein. Das Gespräch, zu dem sich bald auch noch zwei weitere dazugesellten, und der Alkohol beruhigten ihn. Ein eifriger Kellner sorgte dafür, dass sein Glas nie leer wurde. Sobald sich der Inhalt zu minimieren begann, wurde ihm nachgeschenkt. Sean war sich durchaus bewusst, dass er zuviel trank. Bald würde er sich nicht mehr unter Kontrolle haben, sobald seine Sinne erst einmal vernebelt waren. Aber solange sie auf das Essen warteten, wusste er mit seinen Händen nichts Besseres anzufangen. Schlimmer war es, gar nichts zu tun.

      Verstohlen warf er einen Blick zu seinem Chef, der in einem Gespräch mit seinem fossilen Sitznachbarn - er musste mindestens an die 100 sein - vertieft war. Obwohl der Blonde das Gefühl hatte, dieser würde einen Monolog halten. Der Alte reagierte nicht mal mit einem Zucken. Bourdains Interesse an den etwas aktiveren Mitgliedern der Gruppe blieb eingeschränkt. Er wirkte auf Sean distanziert. Das noch immer volle Weinglas hatte er bis dato nicht einmal eines Blickes gewürdigt. Auch keiner der anderen Gäste zeigte mehr Interesse an Bourdain, als dieser an ihnen. Höchst eigenartig.

      Dann wurde die Vorspeise serviert, das Hauptgericht und eine delikate Kleinigkeit zum Nachtisch. Währenddessen trank Sean ausgiebig von seinem Wein, lachte lauthals über die Witze seines Nachbarn und erzählte selbst ein paar pikante Storys, die wiederum die ganze Gesellschaft erheiterten. Er verspürte überhaupt keine Hemmungen mit Fremden zu reden. Ganz im Gegenteil. Ihn überkam die wohlige Wärme, sich auf vertrautem Terrain zu bewegen. Für Bob hatte er zahlreiche Geschäftsessen mit mehr Tiefgang bewerkstelligt.

      Zwischendurch bemerkte er Bourdains Hand auf seinem Oberschenkel, die unter dem Tisch nicht gerade sanft in seinen Muskel stach. Der Ausdruck in seinen Augen war zwar ernst, aber das charmante Lächeln wies lediglich ein freches Kind zurecht, ohne zu strafen. Keiner der Anwesenden würde diese Geste unangemessen finden. Für eine Weile dämpfte Sean seine laut gewordene Stimme, verfiel aber schnell in alte Muster. Dann spürte er wieder den Griff um seinen Oberschenkel. Fester. Etwas höher. Gefährlicher.

      „Entschuldige, Matt. Ich glaub, ich muss mir mal das Näschen nachpudern“, witzelte Sean ausgelassen. Bei Bourdains letztem festen Griff kippte er beinahe sein Weinglas um und bespritzte sich mit deren Inhalt die Hemdmanschette. Unbeholfen kippte er zur Seite, als er aufstand. Ein paar laute Lacher und der Kommentar, ob ihm jemand das Haar hochalten sollte, wenn er sich in die Toilette übergab, begleiteten ihn durch das Restaurant.

      Verlassen war die Toilette des luxuriösen Restaurants, als Sean sich erleichtert an die schwere Messingtür lehnte. Die Kälte in seinem Nacken tat gut. Sie sorgte dafür, dass sich der marmorierte Raum mit den vergoldeten Wasserhähnen und Spiegeln im Barockstil nicht ganz so schnell drehte. Sean schnaubte und schüttelte den Kopf. Selbst die Pissoirs bestanden aus Marmor und Gold, was er mächtig übertrieben fand.

      Schwankend trat er an eins der Waschbecken. Er ließ das Wasser in seine offenen Handflächen laufen, dann wusch er sich das Gesicht. Das kühle Nass erfrischte und schärfte seine vernebelten Sinne. Vielleicht sollte er lieber nichts mehr trinken. Es war lange her, seitdem er Alkohol getrunken hatte und das betäubende Gefühl war ihm fremd geworden.

      Ihm entwich ein leiser Schrei, als er mit müden Augen in den Spiegel blickte und Holden hinter sich stehen sah. Wie ein Geist war er lautlos aus dem Nichts aufgetaucht.

      „Hast du mich erschreckt“, gab er zu und stützte sich erleichtert am Waschbecken ab.

      „Was ist nur los mit dir?“, grollte der Brünette drohend. „Du weißt, wie wichtig das Treffen für mich ist.“

      „Wäre mir fast entgangen. Im Vergleich zu dir ist Mr. Darcy ein richtiger Partylöwe.“

      Bourdain runzelte die Stirn und stemmte die Hände in die Hüften, eine Geste, die er in letzter Zeit gar nicht selten zu wiederholen pflegte. Meistens, wenn er unzufrieden mit Sean war.

      „Du blamierst mich. Die Firma“, zischte Holden. Dieses Mal wütender.

      „Ich sorge dafür, dass dieses Treffen keine Totenwache wird“, erklärte Sean leichtfertig.

      Bourdain trat nah an ihn heran, sodass Sean die Wut in Funken förmlich aus dessen Augen sprühen sah. Sein Zeigefinger bohrte sich schmerzhaft in Seans Brust. „Das ist kein Spiel, Grandy.“

      „Oh, doch. Ist es sehr wohl. Und das weißt du.“

      Es fiel ihm schwer, sich richtig zu artikulieren. Seine Zunge lag faul in seinem Mund herum. Gleichzeitig sank seine Hemmschwelle unter das Niveau eines Gauners. Und plötzlich erschienen ihm die schmalen Lippen seines Gegenübers, die Wellen, die seine Wangenknochen rahmten und die kleinen Furchen, die sich auf seiner Stirn bildeten, absurd attraktiv. Reue würde ihn morgen hart treffen, wenn er sich dann noch daran erinnern würde.

      „Irgendwann werde ich herausfinden müssen, wie lang dein Schwanz ist“, sprach Sean seine Gedanken laut aus. Sofort bereute er seine Offenheit. Verwirrt starrte Bourdain ihn an, was noch mehr krause Furchen in dessen Stirn trieb. Mit Zeigefinger und Daumen massierte er sich den Nasenrücken.

      „Du bist so unreif. Ich werde dich schon nicht zwingen, dich nackt mit einem Apfel im Mund auf den Tisch zu legen. Ich hab dir nicht zwischen die Beine gefasst, also beruhig dich wieder. Du bist einfach zu laut und unprofessionell. “

      Sean überhörte die Kritik.

      „Nicht hier. Aber doch. Genau das hast du“, erinnerte ihn Sean und dachte dabei an ihren ersten Kuss im Büro. „Ich kann diese Gedanken nicht aus mir herausschneiden. Ich hatte mit dem Schlimmsten gerechnet, als ich hergekommen bin. Ganz kurz sogar, dass wir ein Date haben, bevor du mich zu entjungfern versuchst. Das kann alles nicht harmlos sein.“

      „Das ist ein gottverdammtes Essen mit Klienten. Wenn dich das so beschäftigt, dann können wir es gleich in der Kabine tun“, sagte Bourdain nüchtern und machte einen provokativen Schritt auf seinen Mitarbeiter zu, der augenblicklich einen Schritt zurück machte. „Nein? Dann hör auf mit dem Scheiß und schieb deinen Arsch wieder nach draußen, solange du ihn noch hast. Hätte ich nur gewusst, dass du so verflucht anstrengend bist, dann hätte ich mich gar nicht auf diese Scharade eingelassen. Das ist es nicht wert.“

      Den Bruchteil einer Sekunde glaubte Sean verletzten Stolz zu sehen, bevor die Anspannung alle anderen Gefühle überdeckte. Er wurde das Gefühl nicht los, dass Bourdain sich sogar noch deplatzierter fühlte, als er. Der Mann war der Boss einer monströsen Computerentwicklungsfirma, wirkte aber in diesem Raum neben ihm normal und menschlich. Seine Ängste waren echt.

      „Du musst nicht nervös sein“, sagte Sean leise. Ein unangenehmes Schweigen beherrschte den Raum. Seine Offenheit würde ihm den Hals brechen.

      „Das bin ich nicht“, erwiderte Bourdain.

      „Das ist doch kindisch. Wenn du dir das eingestehst, wird‘s leichter.“

      „Du bist betrunken, Grandy. Und weißt nicht, was du redest.“

      „Bis vor Kurzem warst du ein fantastischer Chef.“

      Holden wich seinem Blick aus. Für dieses Gespräch fehlten ihm die Nerven.

      „Es wäre auffällig, wenn wir zusammen gehen“, damit verließ er die Toilette. Seine Schritte waren auf dem gefliesten Boden nahezu geräuschlos. Sean starrte noch einige Sekunden