Gefährliche Liebschaften. Pierre-Ambroise-François Choderlos de Laclos. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Pierre-Ambroise-François Choderlos de Laclos
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750203433
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glaube ich, habe ich so viel Sorge darauf verwandt, zu gefallen, und ich war wirklich sehr zufrieden mit mir. Nach dem Souper spielte ich abwechselnd das Kind und die vernünftige Frau, war bald übermütig, bald empfindsam, manchmal sogar ausschweifend – es machte mir Spaß, ihn wie einen Sultan in seinem Harem zu nehmen, in dem ich die verschiedenen Favoritinnen spielte. Alles kam von einer und derselben Frau und mußte ihm doch scheinen, als käme jedes Vergnügen von einer neuen Geliebten. Der Tag brach an und wir mußten uns trennen; und was er auch tat und sagte, um mich vom Gegenteil zu überzeugen, er bedurfte doch der Ruhe ebenso stark, als ihm die Lust dazu fehlte. Wir gingen, und zum Abschied übergab ich ihm den Schlüssel zu diesem glücklichen Ort der Liebe und sagte ihm noch: »Ich hatte ihn allein für Sie, und es ist nur gerecht, daß Sie Herr darüber sind: der Opferpriester gebietet über den Tempel.« Dadurch kam ich geschickt seinen Nachgedanken zuvor, wie ich wohl in den verdächtigen Besitz eines solchen kleinen Hauses komme. Ich kenne ihn zur Genüge, um dessen sicher zu sein, daß er nur für mich von dem Schlüssel Gebrauch macht; und wenn meine Laune mir gebieten sollte, ohne den Chevalier hinzugehen, habe ich immer noch einen zweiten Schlüssel. Er wollte gleich wieder einen bestimmten Tag für das nächste mal haben, aber ich liebe ihn noch zu sehr, um ihn so rasch abzunützen. Man soll sich ein Übermaß nur mit jenen Männern erlauben, die man rasch wieder aufgeben will. Er weiß das nicht, aber zum Glück für ihn weiß ich das für uns beide.

      Eben bemerke ich, daß es drei Uhr in der Früh ist, und ich einen Band schreibe, wo ich nur ein paar Worte schreiben wollte. Das ist der Reiz der mitteilsamen Freundschaft; und die macht es, daß Sie immer derjenige sind, den ich am meisten liebe; in Wirklichkeit aber ist es der Chevalier, der mir besser gefällt.

       Paris, den 12. August 17..

      11

      Elfter Brief

      Die Präsidentin von Tourvel an Frau von Volanges

      Ihr ernster mahnender Brief hätte mich erschreckt, gnädige Frau, wenn ich nicht zum Glück hier mehr Gründe für meine Sicherheit fände, als Sie mir für die Angst gaben. Dieser gefürchtete Herr von Valmont, der der Schrecken der ganzen Frauenwelt sein soll, scheint seine mörderischen Waffen abgelegt zu haben, ehe er dieses Schloß betrat. Weit entfernt davon, mit Pretensionen hierher gekommen zu sein, hat er nicht einmal die Absicht dazu mitgebracht; und selbst seine Eigenschaft, ein liebenswürdiger Mann zu sein, was ihm selbst seine Feinde zugestehen, verschwindet hier fast, um ihn nur als einen guten Jungen zu zeigen. Vielleicht hat die Landluft dieses Wunder an ihm bewirkt. Wessen ich Sie versichern kann, – und er ist fast immer mit mir zusammen, und es scheint ihm meine Gesellschaft zu gefallen – ist, daß ihm niemals ein Wort entschlüpft ist, das auch nur entfernt der Liebe ähnlich sähe, nicht eine jener Phrasen, die sich doch alle Männer erlauben, und Männer, die nicht, wie er, das besitzen, was sie dazu berechtigen könnte. Niemals fühlte ich mich bei ihm zu jener Zurückhaltung genötigt, zu der jede Frau sich gezwungen fühlt, die sich respektiert, um die Männer, die sie umgeben, in den gebührenden Schranken zu halten. Er mißbraucht auch die Lustigkeit nicht, die er zu erwecken versteht. Er ist vielleicht ein bißchen Schmeichler, aber er sagt das mit so viel Delikatesse, daß sich sogar die Bescheidenheit selber an sein Lob gewöhnen kann. Hätte ich einen Bruder, ich wünschte ihn mir so, wie Herr von Valmont sich hier zeigt. Vielleicht würden sich viele Frauen eine deutlichere Galanterie von ihm wünschen, ich gestehe, daß ich ihm dafür sehr dankbar bin, daß er mich so gut beurteilen lernte, mich mit jenen Frauen nicht zu verwechseln.

      Dieses Bild weicht sichtlich sehr von jenem ab, das Sie mir von Valmont entwarfen, und trotzdem können beide richtig sein, jedes für seine Zeit. Er selbst gibt zu, sehr viel Schlechtigkeiten begangen zu haben, einige wird man ihm auch noch andichten, aber ich bin wenigen Männern begegnet, die mit solchem Respekt, fast möchte ich sagen Begeisterung von den anständigen Frauen sprachen wie er. Sie sagen mir, daß er wenigstens in diesem einen Punkte nicht betrügt. Sein Verhältnis zu Madame von Merteuil ist ein Beweis dafür. Er erzählt viel von ihr, und in so hohen Ausdrücken des Lobes und treuer Anhänglichkeit, daß ich, bevor Ihr Brief ankam, glaubte, was er Freundschaft zwischen ihnen nannte, in Wirklichkeit Liebe wäre. Ich muß mich dieser verwegenen Meinung anklagen, die um so unrechter von mir war, als er sie selbst oft zu widerlegen suchte. Ich gestehe, lange glaubte ich, es geschähe das nur aus Klugheit, was, wie ich nun weiß, ehrlichste Aufrichtigkeit seinerseits war. Ich weiß es ja nicht genau, aber mir scheint, daß, wenn ein Mann einer andauernden Freundschaft für eine schätzenswerte Frau fähig ist, dieser Mann kein unverbesserlicher Wüstling sein kann. Im übrigen weiß ich nicht, ob er seinen Aufenthalt hier einer Liebesgeschichte in der Umgebung wegen genommen hat, wie Sie glauben. Es gibt wohl einige liebenswürdige Frauen in der Nachbarschaft, aber er geht wenig aus, höchstens des Morgens in der Früh', und da sagt er, daß er auf die Jagd geht. Es ist wahr, er bringt selten Wild heim; aber er versichert, daß er ein ungeschickter Jäger sei. Im übrigen kümmert mich wenig, was er außerhalb des Schlosses macht; und wenn ich es wissen möchte, so wäre es nur, um einen Grund mehr zu haben, mich entweder Ihrer Meinung zu nähern oder Sie zu der meinen zu bekehren.

      Dieser Vorschlag, den Sie mir machen, darauf hinzuarbeiten, daß Herr von Valmont seinen Aufenthalt hier abkürzt, das scheint mir etwas schwierig bei seiner Tante durchzusetzen, die ihren Neffen sehr liebt. Ich verspreche Ihnen aber, es zu versuchen, nicht aus meinem Bedürfnis heraus, sondern um Ihnen zu dienen; ich werde also die Gelegenheit wahrnehmen, sei es bei der Tante, oder bei ihm selbst. Was mich betrifft, so nimmt Herr von Tourvel an, daß ich bis zu seiner Rückkunft hier bleibe, und er würde, und mit Recht, anders sehr erstaunt darüber sein, wie leicht ich meine Pläne ändere.

      Das sind lange Auseinandersetzungen, gnädige Frau, aber ich glaubte um der Wahrheit wegen, Herrn von Valmont ein besseres Zeugnis geben zu müssen, dessen er, wie mir scheint, bei Ihnen sehr bedarf. Ich schätze darum die Freundschaft nicht geringer, die Sie ja allein veranlaßte, mir die guten Ratschläge zu geben. Ihrer Freundschaft verdanke ich ja auch alles Verbindliche, das Sie mir betreffs des Aufschubes der Hochzeit sagen, und ich danke Ihnen aufrichtig dafür. So groß auch das Vergnügen, diese festliche Zeit mit Ihnen zu verbringen, sein wird, ich würde es gerne dem Wunsche von Fräulein von Volanges opfern, schon früher glücklich zu sein, – wenn Sie es je mehr sein kann als in der Nähe einer Mutter, die wie Sie ihrer Zärtlichkeit und ihrer Achtung so würdig ist.

      Ich teile mit ihr diese beiden Empfindungen, die mich an Sie fesseln, und bitte diese Versicherung mit Güte entgegenzunehmen. Ich bin in Ehrfurcht . . .

       Schloß . . ., den 13. August 17..

      12

      Zwölfter Brief

      Cécile Volanges an die Marquise von Merteuil

      Mama ist unwohl, gnädige Frau, sie kann nicht ausgehen und ich muß ihr Gesellschaft leisten, weshalb ich nicht die Ehre haben kann, Sie in die Oper zu begleiten. Ich versichere Ihnen, ich bedaure es mehr, nicht bei Ihnen sein zu können, als die Vorstellung zu versäumen, und ich bitte Sie, davon überzeugt zu sein. Ich liebe Sie sehr. Wollen Sie gefälligst dem Herrn Chevalier von Danceny sagen, daß ich diese Lieder nicht habe, von denen er mit mir sprach, und wenn er sie mir morgen bringen könnte, würde es mich sehr freuen. Käme er heute, so würde man ihm sagen, daß wir nicht zu Hause sind, weil Mama niemanden empfangen will. Ich hoffe, sie wird sich morgen wieder wohl fühlen.

       Paris, den 13. August 17..

      13

      Dreizehnter Brief

      Die Marquise von Merteuil an Cécile Volanges

      Ich bin sehr betrübt, mein schönes Fräulein, des Vergnügens beraubt zu sein, Sie zu sehen, und um dessen Ursache wegen. Ich hoffe, diese Gelegenheit wird sich sehr bald wiederfinden. Ich werde dem Chevalier Danceny Ihren Auftrag bestimmt ausrichten; er wird gewiß über die Erkrankung Ihrer Mama sehr betrübt sein. Wenn sie mich morgen empfangen will, werde ich ihr gern Gesellschaft leisten. Wir wollen dann zusammen den Chevalier von Belleroche im Piquet