Der Duft der indischen Nelke. Nicolà Tölcke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nicolà Tölcke
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750206052
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Märchenbilder mit sich bewegenden Puppen zum kindlichen Träumen ein. Als Kind war ich hier mit meiner Mutter, auch diese Auslagen bewundernd und in gespannter Erwartung eines neuen Adventskalenders mit seiner glitzernden Oberfläche, die mit winzigen Lametterbröseln angereichert war.

      Wir schlendern Hand in Hand vom kleinen Lederwarengeschäft, wo ich für meine Großmutter Handschuhe gekauft habe, in Richtung Bushaltestelle.

      „Guck mal da drüben! Dort habe ich gestern eine neue Platte gekauft.“ Meine Hand zeigt auf den Schallplattenladen Ton und Welle. Evelyn schmiegt ihren Kopf an meine Schulter und schnurrt:

      „Bekomme ich die nachher zu hören?“

      Mir wird plötzlich schwindlig. So als ob ich auf einem rasenden Karussell säße und mich gegen die Drehung stemmte. Weit entfernt höre ich den Nachrichtensprecher:

      Zum Abschluss noch eine Meldung aus dem Bereich der Beat-Musik: Bei einem Konzert der Rolling Stones in Altamont in den USA töteten Mitglieder der berüchtigten Rockergruppe „Hell’s Angels“ einen achtzehnjährigen Farbigen. Das waren die Nachrichten des RIAS Berlin, einer freien Stimme der…

      Ich schalte das Radio aus. Kleine weiße Kristalle schmelzen an der Fensterscheibe.

      „Hoffentlich hat es dir Spaß gemacht, mit mir die Handschuhe für deine Omi auszusuchen?“ Evelyn setzt sich neben mich auf meine Couch, während uns Christian Anders mit Geh‘ nicht vorbei, als wär‘ nichts gescheh‘n per selbst gebastelter Lautsprecher seinen offensichtlichen Liebeskummer kundtut.

      „Ja, es war toll mit dir, die Schloßstraße im dunklen Dezemberwetter zu erkunden. Wenn ich denke, wie dieser Tag heute früh anfing!“

      „Stimmt! Ich war ein wenig spät dran. Du Armer hast fast eine halbe Stunde in der Kälte auf mich warten müssen.“ Sie zeigt mir traurig schelmische Augen.

      „Dafür waren wir dann im Bus fast alleine!“

      „Ja, aber wir kamen fast eine halbe Stunde zu spät zu Mathe!“

      Sie boxt mich sanft in meine Rippen.

      „Und Ringer konnte sich so richtig an uns auslassen!“ Ich versuche es bei ihr mit einer kleinen Kitzeleinheit an der Taille.

      „Hör mal, wenn du meinst, dass du mich damit …“ Ich unterbreche den Satz mit einem Kuss, doch sie fährt fort:

      „… zu irgendetwas Verbotenem `rumkriegst? Jedenfalls hat dieser Mathe-Heini bei mir auf Granit gebissen! Was bildet der sich überhaupt ein! Als die Tür im Klassenzimmer gerade hinter uns zugefallen war, kam diese dämliche Bemerkung, ‚man könnte meinen, Fräulein Barz, dass sie mit Hubert heute zu spät aus dem Bett gehüpft sind?‘“ Sie äfft ihn mit einem versucht dunklem Tonfall nach.

      „Ich glaube, der Ringer hat uns schon lange auf’m Kicker. Seitdem der Wind davon bekommen hat, dass wir zusammen sind, sind wir für den ein rotes Tuch. Nun, deine Antwort war jedenfalls super!“

      Ein verschmitztes Grinsen huscht über ihr Gesicht, als sie mir den morgendlichen Satz wiederholt:

      „Sie haben ja so recht, Herr Ringer! Wir haben aber nur ein ganz kleines Bett und da ist auch null Platz für Mathe-Aufgaben!“

      Wir umschlingen uns mit unseren Armen. Bloß gut, dass wir nicht zur Gattung der Oktopusse gehören, weil wir uns dann vermutlich nie wieder entwirren könnten. Ich küsse sie auf ihren Mund, ihre Nase, ihre Stirn, ihre Augenlider und ihre kleinen süßen Ohren. Das mag sie besonders, denn ich spüre sofort, wie es in ihr bebt. Sie steht mir in nichts nach und so endet diese Kuss-Salve schließlich mit unseren Lippen, die sich genüsslich vereinen.

      „Und dann auch noch die Musikstunde und die Schmidt, die fast komplett ausgerastet ist.“ Der Schulvormittag hält mich noch im Bann.

      „Wie oft hat sie uns aufgefordert, für die letzten fünf Minuten eine Platte mitzubringen.“ Sie streicht mir von vorne nach hinter übers Haar.

      „Ich fand das total mutig von dir, ausgerechnet Je t’aime … moi non plus vorzuschlagen! Ich glaube, die letzte halbe Minute, wenn Jane Birkin anfängt zu stöhnen …“

      „… wäre die Schmidt am liebsten geplatzt oder wie eine Rakete durch die Decke geflogen“, fällt sie mir ins Wort.

      „Wenn Sie es nochmal wagen so etwas Widerwärtiges mitzubringen, setzt es einen Tadel!“ Evelyn kann die Schmidt so hervorragend nachmachen.

      Ich denke an die nachfolgende Pause, die uns beiden dann tatsächlich einen Tadel der Musiklehrerin beschert hat.

      Wir standen am großen Fenster im Treppenhaus und knutschten. Doch unten auf dem Schulhof stand die Schmidt!

      „Hubert! Du kannst Euer Abendbrot holen!“, tönt von unten die wenig genüssliche Stimme meiner Mutter. „Und die Musik bitte etwas leiser.“

      Als ich mit einem Tablett belegter Brötchen und zwei Gläsern Cola wieder in meinem Zimmer ankomme, schenkt mir Evelyn einen Blick, der keine Zweifel aufkommen lässt.

      „Guck mal aus dem Fenster! Es schneit schon wieder wie verrückt. Da haben wir es hier so schön kuschelig. Jedenfalls gemütlicher als unter der Brücke!“ Sie zeigt mir einen Kussmund, doch ich muss erst das Tablett auf dem Tisch abstellen, ehe ich mich wieder neben sie setzen und ihrem Angebot folgen kann.

      „Ich glaube, wir haben jetzt genug von Christian Anders. Ich lege uns mal meine neueste Errungenschaft auf.“ Den Plattenspieler stelle ich auf Wiederholung und komme zurück zu ihr.

      Als die ersten Töne der Orgel uns erreichen, befindet sich mein Ohr in Obhut ihrer Lippen. Ihre nimmermüde Zunge liebkost mich und sie flüstert: „Das ist also die neue Single von Ton und Welle! Bist du sicher, dass niemand von deiner Familie uns hier überrascht?“

      Je t’aime, je t‘aime, ô oui je t’aime!, schmachtet Jane Birkin und Serge Gainsbourg beteuert moi non plus!

      „Meine Mutter hat mitbekommen, dass wir da ewig in der Dezemberkälte waren und sie hat mir angeboten, hier in meinem Zimmer ungestört sein zu können!“

      „O, wie schön! Und dass du meine Lieblingsmusik besorgt hast!“ Ihre Lippen wandern zu meinem Mund. Eine ihrer Hände erkundet die Situation unter dem Reißverschluss. Offensichtlich ist sie mit dem Ergebnis zufrieden. Die Brötchen lassen wir wohl eher Brötchen sein.

      Sie erhebt sich und lüftet den dunkelblauen Faltenrock. Die baumwollenen, farbgleichen Strumpfhosen rutschen ihre langen Beine hinunter. Entweder ihre Unterhose hat sich in der Strumpfhose versteckt oder aber sie hat wieder auf dieses Kleidungsteil verzichtet.

      „Komm, steh‘ auf!“ Natürlich folge ich ihrer begehrlichen Anweisung. Wie in vielen meiner Fantasien öffnet sie mir die Hose, die wie von alleine nach unten fällt. Meine Unterhose, die zeltförmig gewölbt ist, ereilt dasselbe Schicksal. So steht sie vor mir. Das kleine strohblonde Gebüsch ihrer Venus sieht so verlockend aus. Sie nimmt meine linke Hand und lässt meinen Mittelfinger zielsicher landen.

      „Was spürst du?“

      „Es ist so weich, heiß und feucht!“

      „Setz dich! Ich komme zu dir!“

      Ich lasse meinen Po zurück auf die Couch fallen und so kann sie auf mir Platz nehmen.

      „Mmhh, ich merke, dass du dir den Weg gemerkt hast. Lass uns einen Moment so ruhen. Du bist so tief in mir. Ich spüre dich so gerne. Er pulsiert so aufgeregt. Ich liebe diesen Rhythmus!“

      Ihre Zunge ertastet mein linkes Ohr und ihre linke Hand holt sich meine rechte auf ihre linke Poseite.

      Entre tes reins, meint Serge Gainsbourg. Seine Stimme scheint so unendlich weit, doch ist er uns mit seinen Gedanken so nahe.

      „Ich bleibe so sitzen, bis das Lied zu Ende ist. Komm, rutsch mal unter meinen Pulli und zeig mir, dass du auch meinen Busen magst. Schließlich habe ich extra meinen BH im Wäschefach vergessen! Bin ich nicht ein böses Mädchen?“

      Ich