Der Idiot. Fjodor Dostojewski. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Fjodor Dostojewski
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754188651
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dem größten Vergnügen. Aber darüber können wir erst später reden. Ich bin jetzt sehr ... sehr zerstreut. Wie? Sind wir schon da? In diesem Haus ...? Das ist ja ein großartiges Portal! Und ein Portier! Nun, Kolja, ich weiß nicht, was daraus werden wird.«

      Der Fürst stand ganz fassungslos da.

      »Morgen werden Sie mir alles erzählen! Seien Sie nur nicht zu schüchtern! Ich wünsche Ihnen von Herzen guten Erfolg; denn ich bin in allen Dingen derselben Ansicht wie Sie. Leben Sie wohl! Ich gehe wieder zu der Hauptmannsfamilie zurück und werde es Ippolit erzählen. Daß sie Sie empfangen wird, daran ist gar nicht zu zweifeln; da brauchen Sie keine Besorgnisse zu haben. Sie ist eine höchst eigenartige Frau. Diese Treppe hier hinauf, in der ersten Etage. Der Portier wird Ihnen schon Bescheid sagen.«

      Der Fürst befand sich, als er die Treppe hinaufstieg, doch in großer Unruhe und suchte sich mit aller Kraft Mut zu machen. »Das Schlimmste«, dachte er, »kann doch nur sein, daß sie mich nicht empfängt und irgend etwas Schlechtes von mir denkt, oder auch vielleicht, daß sie mich empfängt und mir ins Gesicht lacht ... Ach was! Daraus will ich mir nichts machen!« Und in der Tat ängstigte ihn dies nicht so besonders; aber die Frage, warum er eigentlich dorthin gehe und was er dort machen wolle, auf diese Frage fand er schlechterdings keine befriedigende Antwort. Selbst wenn es ihm irgendwie gelänge, eine günstige Gelegenheit abzupassen und zu Nastasja Filippowna zu sagen: »Heiraten Sie diesen Menschen nicht und richten Sie sich nicht zugrunde; er liebt Sie nicht; er liebt nur Ihr Geld; das hat er selbst zu mir gesagt, und auch Aglaja Jepantschina hat es zu mir gesagt, und ich bin hergekommen, um Sie davon in Kenntnis zu setzen«, so würde, sagte er sich, auch das nicht in jeder Beziehung korrekt sein. Und noch eine andere ungelöste Frage trat ihm vor die Seele, eine so wichtige Frage, daß der Fürst sich sogar fürchtete, an sie auch nur zu denken, gar nicht wagte, sie als zulässig zu betrachten und zu formulieren, sondern bei dem bloßen Gedan ken an sie errötete und zu zittern begann. Aber das Ende war doch, daß er trotz all dieser Befürchtungen und Zweifel eintrat und nach Nastasja Filippowna fragte.

      Nastasja Filippowna hatte eine nicht sehr große, aber wirklich prachtvoll ausgestattete Wohnung inne. In den fünf Jahren ihres Petersburger Aufenthalts hatte es eine Zeit gegeben (das war gleich am Anfang gewesen), wo Afanasi Iwanowitsch ganz besonders viel Geld für sie aufwandte; er rechnete damals noch auf ihre Liebe und hoffte, sie namentlich durch Komfort und Luxus zu betören; denn er wußte, wie leicht man sich an den Luxus gewöhnt, und wie schwer es einem nachher fällt, auf ihn zu verzichten, wenn er allmählich zum notwendigen Bedürfnis geworden ist. In dieser Hinsicht blieb Tozki den alten, guten Traditionen treu und änderte nichts an ihnen, da er die unüberwindliche Macht der sinnlichen Eindrücke außerordentlich hoch anschlug. Nastasja Filippowna verhielt sich gegen den Luxus nicht ablehnend, sie liebte ihn sogar; aber (und dies erschien sehr merkwürdig) sie ließ sich von ihm nicht unterjochen, sondern machte den Eindruck, als könne sie ihn auch jeden Augenblick entbehren; sie sprach das sogar mehrmals absichtlich aus, wovon Tozki sich unangenehm berührt fühlte. Übrigens hatte Nastasja Filippowna gar manches an sich, wovon Afanasi Iwanowitsch nicht sonderlich erbaut war, ein Gefühl, das sich in der Folgezeit sogar bis zur Verachtung steigerte. Ganz abgesehen davon, daß sie manchmal, und offenbar aus persönlicher Neigung, Leute an sich heranzog, die das Gegenteil von elegant waren, traten bei ihr auch noch einige andere ganz seltsame Neigungen hervor: Es zeigte sich eine barbarische Vermischung zweier verschiedener Geschmacksrichtungen, ferner eine Fähigkeit, auf gewisse Genüsse zu verzichten und sich statt dessen mit andern zu begnügen, die ein anständiger, feingebildeter Mensch als gar nicht vorhanden betrachtet. In der Tat, hätte (um ein Beispiel anzuführen) Nastasja Filippowna irgendeine liebenswürdige, vornehme Unwissenheit bekundet, etwa eine Unkenntnis der Tatsache, daß Bäuerinnen nicht weißen Batist tragen können, wie sie ihn trug, so wäre Afanasi Iwanowitsch damit wohl ganz zufrieden gewesen. Auf solche Resultate zielte ursprünglich nach Tozkis Programm, der auf diesem Gebiet ein großer Sachverständiger war, Nastasja Filippownas ganze Erziehung ab; aber leider kamen statt dessen ganz sonderbare Resultate zutage. Trotzdem jedoch lagen in Nastasja Filippownas Wesen noch manche Eigenschaften, die mitunter sogar Afanasi Iwanowitsch selbst durch ihre ungewöhnliche, reizvolle Originalität und ihre urwüchsige Kraft anzogen und ihn bisweilen auch jetzt noch entzückten, wo schon all seine früheren Spekulationen auf Nastasja Filippowna zusammengestürzt waren.

      Dem Fürsten öffnete ein Mädchen (Nastasja Filippowna hielt sich stets nur weibliche Dienerschaft) und hörte zu seiner Verwunderung seine Bitte, ihn zu melden, ohne jedes Erstaunen an. Weder seine schmutzigen Stiefel, noch sein breitkrempiger Hut, noch sein ärmelloser Mantel, noch seine verlegene Miene machten sie auch nur im geringsten stutzig. Sie nahm ihm den Mantel ab, forderte ihn auf, im Wartezimmer zu warten, und ging sogleich hin, um ihn zu melden.

      Die Gesellschaft, die sich bei Nastasja Filippowna versammelt hatte, bestand aus ihren gewöhnlichen Bekannten, die immer bei ihr verkehrten. Es waren sogar nur ziemlich wenige Gäste anwesend im Vergleich mit den Veranstaltungen, die in früheren Jahren an demselben Tag stattgefunden hatten. Erschienen waren erstens und als die Hauptpersonen Afanasi Iwanowitsch Tozki und Iwan Fjodorowitsch Jepantschin; beide benahmen sich sehr liebenswürdig; aber beide befanden sich in einer gewissen geheimen Unruhe infolge der nur schlecht verhehlten Spannung wegen der versprochenen Entscheidung in betreff Ganjas. Außer ihnen war selbstverständlich auch Ganja da – sehr düster, nachdenklich und höchst »ungalant«; er stand meist in einiger Entfernung abseits und schwieg. Was Warja anlangt, so hatte er sich dafür entschieden, sie lieber nicht mitzubringen; aber Nastasja Filippowna tat ihrer gar nicht Erwähnung; dagegen fing sie unmittelbar nach Ganjas Begrüßung an, von der Szene zu sprechen, die er vorher mit dem Fürsten gehabt hatte. Der General, der noch nichts davon gehört hatte, interessierte sich sehr dafür. Ganja erzählte in trockenem, ruhigem Ton, aber vollkommen wahrheitsgemäß alles, was sich vor kurzem begeben hatte, und daß er bereits zum Fürsten hingegangen sei, um ihn um Verzeihung zu bitten. Dabei sprach er mit großer Lebhaftigkeit seine Meinung dahin aus, wenn man den Fürsten einen Idioten nenne, so sei das sehr sonderbar und ein Grund dafür unerfindlich; er sei über ihn vollständig entgegengesetzter Ansicht und halte ihn für einen sehr selbständig denkenden Menschen. Nastasja Filippowna hörte diese Äußerung mit großer Aufmerksamkeit an und verfolgte neugierig Ganjas Mienenspiel; aber das Gespräch ging sogleich auf Rogoschin über, der bei den Vorgängen des Vormittags so stark beteiligt gewesen war und für welchen Afanasi Iwanowitsch und Iwan Fjodorowitsch sich gleichfalls äußerst lebhaft zu interessieren begannen. Besondere Mitteilungen über Rogoschin zu machen, war, wie sich herausstellte, Ptizyn in der Lage, der sich in dessen geschäftlichen Angelegenheiten mit ihm zusammen fast bis neun Uhr abends abgemüht hatte. Rogoschin hatte mit aller Energie darauf bestanden, noch heute hunderttausend Rubel zu bekommen. »Er war allerdings betrunken«, bemerkte Ptizyn dabei, »aber trotz aller Schwierigkeiten werden die hunderttausend Rubel wohl für ihn beschafft werden; nur weiß ich nicht, ob heute noch alle; aber es arbeiten viele daran, Trepalow, Kinder, Biskup; Prozente gibt er, soviel einer verlangt, natürlich alles in der Betrunkenheit und in der ersten Freude ...«, schloß Ptizyn. Alle diese Mitteilungen wurden mit Interesse entgegengenommen, zum Teil allerdings mit düsterem Interesse; Nastasja Filippowna schwieg und wünschte offenbar nicht, sich zu äußern; auch Ganja redete nicht. General Jepantschin beunruhigte sich im stillen nicht weniger als die andern; der Perlenschmuck, den er schon am Vormittag überreicht hatte, war mit sehr kühler Freundlichkeit und sogar mit einem eigentümlichen Lächeln in Empfang genommen worden. Ferdyschtschenko war von allen Gästen der einzige, der sich in heiterer, festtäglicher Stimmung befand; er lachte manchmal laut ohne sichtbaren Grund, lediglich weil er auf eigene Faust die Rolle des Spaßmachers übernommen hatte. Afanasi Iwanowitsch selbst, der für einen geistreichen, eleganten Plauderer galt und in früherer Zeit bei diesen Abendgesellschaften gewöhnlich das Gespräch geleitet hatte, befand sich offenbar nicht in der rechten Stimmung und sogar in einer ihm sonst fremden Verwirrung. Die andern Gäste, die übrigens wenig zahlreich waren (ein jämmerlicher, alter Lehrer, der Gott weiß weshalb eingeladen war; ein unbekannter, sehr jugendlicher Mensch, der furchtbar schüchtern war und die ganze Zeit über schwieg; eine gewandte, etwa vierzigjährige Dame, Schauspielerin; und eine außerordentlich hübsche, sehr schön und luxuriös gekleidete und überaus stille junge