Die Weltenwanderin. Liara Frye. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Liara Frye
Издательство: Bookwire
Серия: Die Weltenwanderin
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754188101
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ich bin es jedenfalls nicht. Und -«

      Aber die tiefe Stimme unterbrach sie. »Es tut mir leid.« Er ließ ihren Arm los. »Wir wollten dich nicht so erschrecken ...«

      Erstaunt blinzelte sie. Meinte er das ernst? »Erschrecken? Ihr habt -«

      »Und ich glaube, dass du wahrscheinlich wirklich aus dem Wasser gekommen bist, wie Ercan es gesagt hat. Du wirst keine Vorstellung davon haben, wo du bist.«

      Mit einem Mal verrauchte ihre Wut. Sie schaute die verlassene Straße entlang. Ein Windstoß kam und brachte einen unangenehmen, jedoch wohlbekannten Geruch mit sich: Abgase, Metall, Staub. Auf einmal kam sie sich verloren vor. Verloren wie ein Kind. Die Erkenntnis traf sie mitten ins Gesicht. Sie war in einer Stadt gelandet, die sie nicht kannte und sie konnte nicht zurück.

      »Wo sind wir?«

      Sie konnte die Besorgnis in seinen Augen erkennen, aber da war noch etwas Anderes. Überlegenheit. Er wusste etwas, das sie nicht wusste. Und das gefiel ihr nicht.

      »Wir sind in Kaltru. Und nicht in deiner Welt.«

      Kapitel 2

       Alexis

      Der Gong hallte durch den Klassenraum. Niemanden schien es zu wundern, dass sich Alexis zwischen den Schülern befand und wie selbstverständlich am Unterricht teilnahm. Daran war ja auch nichts Ungewöhnliches.

      Milans Blick traf sie nun schon das dritte Mal in dieser Stunde. Alexis hatte das registriert, langsam ging es ihr aber auf die Nerven und verwirrte sie. Schließlich war er einer der beliebtesten Schüler in ihrem Jahrgang. Er gab sich nicht mit Leuten wie ihr ab. Zwar war Alexis keine Außenseiterin, aber um zu den Beliebten zu gehören, hätte sie sich viel mehr in Schale werfen, angesagte Musik hören und sich den Mund über andere Leute zerreißen müssen. Darauf hatte sie dann doch keine Lust. Sollte Milan mal lieber in seiner Liga bleiben.

      Da stupste ihre beste Freundin April sie an. Unter dem Tisch hielt sie ein Magazin, nein, eine Zeitung, die sie nun Alexis reichte, um ihr etwas zu zeigen. April war schon immer ziemlich klein gewesen und Alexis hatte nicht das Gefühl, dass sie noch viel wachsen würde. Ihre kurzen, roten Haare bildeten Stacheln und ihre Haut war gebräunt. Gerade im Unterricht vertrieb sie sich oft die Zeit mit irgendwelchen Zeitschriften. Die Stunden verstrichen einfach zu langsam.

      »Das ist Maya Grant. Sie ist vor ein paar Tagen verschwunden«, erklärte April gerade aufgeregt und strich mit dem Daumen über das Bild des Mädchens.

      Alexis bemerkte den Schatten von Traurigkeit, der sich in Mayas Blick gelegt hatte. Es war so ungewohnt, nun immer ihre Augen zu gebrauchen. Aber Bilder enthielten nicht die Energie der darauf befindlichen Personen und so war sie diesmal für ihre Sehkraft dankbar.

      »Und sie kommt von hier? Wieso zeigst du mir das?«

      April zeigte auf die Vermisstenanzeige darunter.

      Wieder sah Alexis genauer hin. Ein Junge mit schokoladenbrauner Haut und genauso braunen Augen lächelte ihr entgegen.

      »Das ist Kaja«, erklärte ihr April aufgeregt, während Alexis überrascht die Luft anhielt.

      »Unser Kaja ist …?« Doch sie kam nicht dazu, ihren Satz zu vollenden. Sie spürte, wie eine Ladung gestauter Energie auf sie zukam und wandte sich ab. Herr Brauk schien nicht sehr begeistert zu sein, dass sein Unterricht nicht mit absoluter Hingabe verfolgt wurde.

      »Wo ist die Stelle, die ich vorlesen soll?«, fragte Alexis nur, die die Absicht des Lehrers gespürt hatte.

      Herr Brauk räusperte sich. »Seite 24, junge Dame. Und passen Sie in Zukunft besser auf!«

      Alexis lächelte schwach. »Ich habe aufgepasst, sonst hätte ich wohl kaum wissen können, dass ich lesen soll.«

      Und so begann sie auf Seite 24.

      Vielleicht hätte sie es wissen müssen. Milan fing sie an der Tür ab.

      »Hey«, sagte er und lehnte sich lässig an den Rahmen, doch sie konnte seine Anspannung spüren.

      »Hallo«, erwiderte Alexis und wollte gerade aus der Tür gehen, als er vor sie sprang und dies verhinderte.

      »Ich wollte dich nur fragen … Hättest du demnächst mal Zeit?«

      Der Satz traf sie völlig unvorbereitet. »Was?« Sie runzelte die Stirn. »Nein, hab ich nicht. Echt toll, dass du ausgerechnet jetzt fragst.«

      Nun war es Milan, der komisch dreinschaute. »Wie bitte, was?«

      Demonstrativ verdrehte sie die Augen. »Ist nicht eben dein Freund verschwunden? Dein bester sogar, soweit ich weiß? Du scheinst ja wirklich besorgt zu sein.« Ihre Stimme wurde lauter, ohne dass sie es wollte. Wenn Milan so wenig an seinem besten Freund lag, was für ein Mensch musste er dann sein? Sie erinnerte sich nur zu gut, wie Kaja und er den Lehrern die Kreide durch Radiergummis ersetzten, die Tafel mit bunten Bilder vollmalten und wenig unauffällig voneinander abschrieben. Wieso also sollte sie sich auf jemanden einlassen, der sich kurz nach Kajas Verschwinden nach einem neuen Freund umschaute?

      »Ehm … mochtest du ihn denn?« Fragend zog er eine Augenbraue hoch und Alexis wünschte sich instinktiv, das auch zu können.

      »Was spielt das für eine Rolle?«

      Milan schüttelte den Kopf. »Er ist schon wieder aufgetaucht«, versprach er, aber Alexis wusste, dass er log. Auch das konnte sie spüren. Da nützte auch das charmante Lächeln, das er aufgesetzt hatte, um sie zu überzeugen, nichts.

      »Und, hast du nun heute etwas vor?«

      »Du bist unmöglich«, erwiderte sie nur und schob ihn beiseite. »Ich bin heute im Kino, also habe ich ohnehin keine Zeit.«

      Und das entsprach sogar der Wahrheit. April wollte unbedingt, dass Alexis das Augenerlebnis der großen Leinwand kennen lernte. Zoe und Jara, zwei Klassenkameradinnen, mit denen sich Alexis und April gut verstanden, wollten mitkommen. Und Alexis hatte natürlich nichts dagegen, sie freute sich sogar schon darauf.

      Mit schnellen Schritten entfernte sie sich von diesem seltsamen Jungen, aus dem sie nicht schlau wurde. Sekunden später hallte seine Stimme den Flur hinunter.

      »Sag mir nur, wie es kommt, dass du auf einmal hier bist. Wieso bist du hier?«

      Was sollte das bedeuten? Kopfschüttelnd lief sie weiter, hielt jedoch an der frischen Luft inne.

       Was hat er damit gemeint?

      *

      Schon als sie vor der Haustür stand und den Schlüssel ins Schloss steckte, hörte sie durch das offene Fenster eine Schlagermelodie klingen. Alexis konnte ein Stöhnen nicht unterdrücken. Sie ahnte bereits, was sie erwarten würde: Tante Claudia hatte mal wieder ihre Lieblingsmusik von Gudrun Schotter aufgelegt und sang jetzt in hohen Tönen mit. Dabei singt sie noch nicht einmal schlecht, dachte Alexis. Das Problem war nur, dass sie die Musik nicht leiden konnte. Wie eigentlich alles, was mit Claudia zu tun hatte.

      Den Schlüssel einmal umgedreht und die Tür aufgeschoben, hastete Alexis in den Flur und auf die Treppe zu, die sie nach oben in ihr Zimmer führen würde.

      Doch da hatte sie die Rechnung ohne Claudia gemacht, denn diese tauchte im gleichen Moment im Türrahmen auf – mit einer Schürze um den fülligen Bauch ertappte sie Alexis.

      »War mir doch, als hätte ich jemanden reinkommen gehört«, meckerte sie und blickte ihr fest in die Augen.

      Tante Claudias Dutt saß heute perfekt, was ihre Strenge unterstrich. Im Hintergrund lief noch immer in voller Lautstärke die Musik, sodass sich beide regelrecht anbrüllen mussten.

      »Wie kannst du denn bei dem Lärm etwas gehört haben?«, fragte Alexis sichtlich verwirrt.

      Da schnalzte Tante Claudia mit der Zunge. »Also wirklich, junges Fräulein …« Tadelnd betrachtete Claudia sie und schüttelte den Kopf.

      Doch