»Soweit ich weiß, kommt sie irgendwo aus dem Norden und hat ihre Versetzung aufgrund der Härtefallregelung genehmigt bekommen,« teilte Pfefferle in seiner gewohnt gemütlichen Art mit. »Und da bei uns die Planstelle frei war und sie auch unbedingt zu uns wollte, lief das reibungslos durch. Mehr Informationen habe ich auch nicht. Weißt du irgendetwas, Thomas?«
KHK Bierman schüttelte den Kopf.
»Nicht mehr als das, was du gerade gesagt hast.«
»Na, wenigstens handelt es sich um eine Kollegin«, stellte Karen Polocek fest. »Dann bekomme ich hier endlich mal etwas weibliche Unterstützung.«
»Als ob du die nötig hättest“, meinte Nico Berner, der sich bei der aufgeweckten und schlagfertigen Kollegin schon die ein oder andere verbale Ohrfeige geholt hatte, trocken. Er schaute auf die Uhr.
»Mal sehen, ob das so ein karriereversessenes, lesbisches Mannweib ist. Ich würde ja allzu gerne...«
Was er allzu gerne würde, erfuhr niemand mehr, denn noch bevor Thomas oder Karen den sexistischen Redeschwall unter Protest abwürgen konnten, öffnete sich schwungvoll die Tür zum Sitzungszimmer und die hagere, ausgemergelte Figur Henning Gröbers erschien zwischen den weißlackierten Zargen. Der Ressortleiter trat nur halb in den Raum und hielt die Türe für seine Begleitung offen. Unter den abschätzigen Blicken der Tischrunde betrat eine etwa achtundzwanzigjährige schlanke Frau mit langen blonden Haaren den Raum und sah sich offenen Blickes mit einer gewissen Neugier um. Und während Thomas Bierman verblüfft die Augenbrauen hob und Nico Berner der Mund offen stehen blieb, sagte Gröber:
»Meine Dame, meine Herren, darf ich Ihnen Ihre neue Kollegin Sarah Hansen vorstellen?«
Mit ein wenig Herzklopfen folgte Sarah ihrem neuen Vorgesetzten Henning Gröber den Flur entlang. Gleich würde sie ihre neuen Kollegen kennenlernen. Nach all den Anstrengungen, die es gekostete hatte, endlich hier im K11 der Kriminalpolizei Freiburg angenommen zu werden, waren ihre neuen Partner ein erstes Indiz, ob sich all die Mühen gelohnt hatten. Der Leiter, den sie schon zuvor in zwei Gesprächen begutachten konnte, war freundlich aber auf irgendeine Art unangenehm gewesen. Allein seine Warnung vor ihrem neuen Partner Thomas Bierman, den er als ungehobelt, undiszipliniert und eigenbrötlerisch beschrieben hatte, war ihr seltsam aufgestoßen. Wobei diese Anmerkung eher ihre bis dahin unterschwellige Abneigung gegen Gröber nährte, als ihren neuen Partner Bierman zu diskreditieren. Im Gegenteil, die Neugier auf den Mann, mit dem sie zumindest für die nächsten ein, zwei Jahre eng zusammenarbeiten sollte, wurde dadurch noch mehr geweckt. Auch die anderen Kommissare der Gruppe hatte Gröber kurz angesprochen und in groben Zügen soweit beschrieben, dass sich Sarah sicher war, die vier Kollegen bei ihrer ersten Begegnung zu erkennen. Über keinen der anderen drei hatte Gröber etwas Negatives geäußert und zu guter Letzt auch Thomas Bierman bescheinigt, dass seine Erfolge überdurchschnittlich seien... und sie sich glücklich schätzen dürfe, im Kreis dieser erfolgreichen Gruppe arbeiten zu können. Für Sarah wäre dies die übliche Lobhudelei des Chefs gegenüber der neuen Mitarbeiterin gewesen, hätte sie sich nicht im Vorfeld über das Team erkundigt. So waren ihr bereits die zum Teil spektakulären Ergebnisse zu Ohren gekommen, welche die ihrer Meinung nach höchst heterogene Gruppe in der Vergangenheit hervorgebracht hatte. Vielfalt schafft eben doch immer wieder Vorteile, dachte sie bei sich.
»So, hier wären wir.« Gröber hielt vor der mit Kleiner Sitzungsraum beschrifteten Tür an, wartete noch einige Sekunden, als ob er Sarah Zeit zum Sammeln geben wollte, und drückte dann die Klinke herunter. Sarah versuchte, als sie den Raum betrat, so selbstbewusst wie möglich, gleichzeitig jedoch offen und verbindlich zu wirken. Die kurze Vorstellung, die Henning Gröber an seine Mitarbeiter richtete, hörte sie indes nur beiläufig, weil sie sofort die vier Personen musterte, die an dem Konferenztisch saßen. An der linken Seite, der Tür am nächsten, saß ein übergewichtiger Mann Ende fünfzig, der sie freundlich anlächelte. Das musste Hans Pfefferle sein, der Dienstälteste, der so wie ihr Partner Thomas Bierman den Rang eines Kriminalhauptkommissars bekleidete. Sarah lächelte ein wenig verhalten zurück und wandte den Blick auf die neben Pfefferle sitzende Frau. Da sie die einzige weibliche Person im Team war, musste dies Karen Polocek sein, die Jüngste der Ermittlergruppe, der Gröber eine hervorragende Intuition und ein ziemliches Temperament bescheinigt hatte. Die kleine, schwarzhaarige Frau grinste breit und hob die linke Hand zu einem kurzen freudigen Winken. Sarah erwiderte den Gruß mit einem einladenden Nicken, dann wanderte ihr Blick auf die andere Seite des Tisches, wo ein gutaussehender Mitdreißiger sie unverwandt interessiert anstarrte und, als sich ihre Blicke trafen, Sarah süffisant lächelnd zuzwinkerte.
Oh shit, dachte sie innerlich. Er weiß um sein Aussehen und schämt sich nicht, sich als Macho zu geben. Folglich musste es sich bei ihm um Nico Berner handeln. Bei ihm wurde ihr Lächeln ein kaum spürbares Maß reservierter, bevor sie sich der letzten am Tisch sitzenden Person zuwandte. Ihr neuer Partner Thomas Bierman musterte sie. Seiner Miene konnte man lediglich eine gewisse Neugier entnehmen, sie war weder übermäßig freudig, noch in irgendeiner Weise feindselig und wohl am ehesten als neutral zu bezeichnen. Einen kurzen Augenblick schien er zu überlegen, welche Art der Begrüßung wohl angemessen wäre. Dann nickte er kurz mit dem Kopf und es kam ein knappes Hallo über seine Lippen.
Aha, dachte Sarah bei sich, nicht sehr aufgeschlossen, so wie Gröber es beschrieben hat.
Nichtsdestotrotz ging sie um den Tisch herum auf ihren neuen Partner zu, lächelte charmant und streckte ihm die Hand entgegen.
»Hallo«, sagte sie. »Ich freue mich sehr, hier zu sein.«
Bierman schien etwas verunsichert, stand dann aber doch auf und schüttelte ihre Hand. Ein fester, sehr sachlicher Händedruck.
»Äh, ja, wir uns selbstverständlich auch.«
Sein Blick hielt dem ihren stand und Sarah glaubte in seinen Augen einen Funken freudiger Erwartung aufblitzen zu sehen, seine Mundwinkel zeigten die Andeutung eines Lächelns. Sarah nahm neben ihrem neuen Partner Platz und sah wie die anderen in gespannter Erwartung zu Gröber.
»Frau Hansen kommt aus Flensburg zu uns. Und wir dürfen uns sehr freuen, eine junge und sehr kompetente Kollegin in unseren Reihen zu begrüßen. Frau Hansen war maßgeblich an den Ermittlungen zum Monster von Büsum beteiligt. Sie erinnern sich sicher an die Schlagzeilen vor ein paar Wochen.«
Sarah errötete leicht und versuchte, den Blicken ihrer neuen Kollegen auszuweichen. Den psychopathischen Serienmörder, den sie und ihre Husumer Kollegen vor einigen Wochen zur Strecke bringen konnten, hatte die Presse erst im Nachhinein als Monster von Büsum bezeichnet, da erst während der Ermittlungen klargeworden war, dass er im Laufe der Jahre mindestens sieben junge Frauen entführt und getötet hatte. Dass dieser Fall auch hier im Südwesten bekannt geworden sein musste, entnahm sie den Reaktionen der Kollegen. Während Nico Berner einen anerkennenden Pfiff von sich gab und Hans Pfefferle beeindruckt mit dem Kopf nickte, hob Karen Polocek den Daumen und flüsterte ein Wow in Sarahs Richtung.
Lediglich Thomas Bierman regte sich nicht und Sarah vermutete,